Europa macht Flucht zu einem VerbrechenAuf dem EU-Gipfel wurden drastische Maßnahmen vereinbart: Flüchtlinge sollen innerhalb Europas in geschlossene Lager gesperrt werden, im Mittelmeer Gerettete will man auf nicht näher definierten "Ausschiffungsplattformen" abladen und die dubiosen Milizen der sogenannten "libyschen Küstenwache" bekommen noch mehr Geld. In "kontrollierten Zentren", die EU-Mitgliedsstaaten auf freiwilliger Basis einrichten, sollen Flüchtlinge zukünftig ihr Asylverfahren durchlaufen, so sind die verklausulierten Sätze in den Beschlüssen des EU-Gipfels (Punkt 6) zu deuten. Nicht nur die mögliche Abkürzung des Begriffs "Kontrolliertes Zentrum" weckt dabei unangenehme Assoziationen, auch de facto bedeutet das schlicht und einfach: Haft. Haft für Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung geflohen sind. Wie die Asylverfahren dort ablaufen sollen und wer danach überhaupt Flüchtlinge aufnimmt, darauf hat das Papier keine Antworten, außer dass primär die Freiwilligkeit betont wird. Die Freiwilligkeit der EU-Staaten natürlich, nicht die der Flüchtlinge. Und wie gerne die EU-Staaten bereit sind, ihren humanitären Verpflichtungen freiwillig nachzukommen, hat man schon beim tagelangen unwürdigen Geschacher um die geretteten Menschen auf den Schiffen der privaten Seenotretter ebenso gesehen, wie bei der auf ganzer Linie gescheiterten EU-Relocation . "Ausschiffungsplattform": So human, wie es klingtDies will man zukünftig ohnehin verhindern - mit sogenannten "Ausschiffungsplattformen" in "Drittländern" (Punkt 5 des Papiers). Übersetzt: Wer im Mittelmeer gerettet wird, soll zurück nach Afrika gebracht werden. Was dort genau geschehen soll, wird nicht näher ausgeführt. Es ist völlig offen, welches Recht dort gilt und welches Land - beziehungsweise, ob überhaupt ein Land - die schutzbedürftigen Menschen aufnimmt. Die Geschichten derjenigen, die bereits in den letzten Monaten zurück nach Libyen geschleppt wurden, lassen nichts Gutes erahnen. Dabei sieht das Seerecht vor, dass Flüchtlinge nur in sichere Häfen verbracht werden. Ein solch sicherer Hafen ist nur dann gegeben, wenn Flüchtlinge nicht fürchten müssen, in Staaten verbracht zu werden, in denen sie Verfolgung und erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind. Die Menschenrechte gelten immer, nicht nur wenn es der EU passtIn den "MSC Guidelines on the treatment of persons rescued at sea" , die zur Auslegung seerechtlicher Abkommen entwickelt wurden, wird ein sicherer Hafen außerdem als ein Ort definiert, an dem die aus Seenot Geretteten keine weiteren Gefahren zu befürchten haben und an dem ihre Grundbedürfnisse, beispielsweise Ernährung, Gesundheitsversorgung und Obdach gesichert sind (Rn. 6.12.) Die nordafrikanischen Transitstaaten erfüllen diese Anforderungen nicht. Die geplante Praxis ist auch weder mit Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) noch mit dem Schutz vor Kollektivausweisung ( Artikel 4 des 4. Prot. zur EMRK ) vereinbar. Im Jahre 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem wegweisenden Hirsi-Urteil außerdem klargestellt, dass die Menschenrechte auch auf der Hohen See anwendbar sind. Sobald sich Flüchtlinge auf einem europäischen Schiff befinden, unterfallen sie der effektiven Kontrolle des jeweiligen Staates. Dieser muss den Flüchtlingen einen Zugang zum Asylverfahren verschaffen, er darf sie nicht einfach in nordafrikanische Staaten zurückschicken. Für die schmutzige Arbeit werden Partner eingekauftAus diesem Grund hat Europa sich einen neuen Kooperationspartner an Land gezogen: Die sogenannte "libysche Küstenwache" soll die Menschen nun in europäischem Auftrag frühzeitig abfangen und zurückbringen. Nicht nur, dass die sogenannte Küstenwache sich aber aus Milizen rekrutiert und selbst Kontakte zu Schleppernetzwerken pflegt, die Menschen, die von ihnen zurückgeschleppt werden, sind dort unter absolut menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert, werden misshandelt und teilweise sogar versklavt . Berichte von zivilen Seenotrettungsorganisationen zeigen auch, dass die "Küstenwache" Rettungsoperationen der NGOs verhindert, sie mit Waffengewalt in internationalen Gewässern bedroht und sogar durch riskante Manöver für Todesfälle bei Rettungsaktionen verantwortlich ist. Diese "Partner" sollen nun noch mehr Geld erhalten, ebenso bekommen sie einen Freibrief ausgestellt, indem betont wird, "die Einsätze der libyschen Küstenwache" dürften nicht "gestört" werden (Punkt 3 des Papiers). Dabei weiß die Bundesregierung ganz genau , dass die Arbeit ihrer Partner dort nur ungenügend beobachtet wird und menschenrechtlichen Ansprüchen nicht genügt. Ähnliches gilt mit Sicherheit für die Staaten, die als weitere Partner in der Migrationsabwehr ausgeguckt werden, darunter so gruselige Despoten wie der vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gesuchte, sudanesische Präsident Omar Al-Bashir. Aber derlei spielt für die Verantwortlichen in der Europäischen Union offenbar schon keine Rolle mehr. Man hat sich entschieden: Gegen die Werte, die die EU sich selbst doch so gerne groß auf die Fahne schreibt, für den Weg der Abschreckung und Abschottung. Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - News vom 29.06.2018. Weblinks:
Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
|