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Wie weiter in Palästina? Verständigung zwischen Hamas und Fatah

Von Clemens Ronnefeldt

Im Jahre 2007 übernahm die Hamas die Macht im Gazastreifen - zehn Jahre später stand sie mit dem Rücken zur Wand und war im Herbst 2017 bereit, diese der Palästinensischen Autorität (PA) und damit ihrer langjährigen Fatah-Rivalin zu übertragen. Grund dafür war hauptsächlich die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen und der Druck von Präsident Abbas.

Dieser hatte sich in den letzten Jahren geweigert, die Gehälter für Hamas-Beamte im Gazastreifen auszuzahlen - mit dem Argument, das Geld würde beim militärischen Arm der Hamas landen.

Gleichzeitig jedoch hatte Präsident Abbas entschieden, allen vor dem Jahr 2007 eingestellten ca. 55.000 Fatah-BeamtInnen im Gazastreifen zwischen 500 und 1000 US-Dollar pro Monat - insgesamt rund 45 Millionen US-Dollar pro Monat aus Saudi-Arabien, der EU, der USA - für deren Nichts-Tun zu zahlen.

Im April 2017 entfachte Präsident Abbas einen Sturm der Entrüstung, als er diese "Nicht-für-die-Hamas-Arbeiten"-Gehälter um 30 bis 50 Prozent kürzte und im Juli 2017 rund 6000 BeamtInnen vorzeitig in den Ruhestand versetzte.

Im Juni 2017 erhöhte Abbas den Druck auf den Gazastreifen und die Hamas, die Macht an die PA zu übertragen, noch dadurch, dass er die Stromzahlungen an Israel für die Versorgung des Gazastreifens aussetzte und Israel daraufhin nur noch die Grundlage für zwei bis vier Stunden Elektrizität pro Tag in den Gaza lieferte.

Laut Oxfam hat aktuell eine Mehrheit der knapp zwei Millionen Menschen im Gazastreifen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, die Abwasserentsorgung ist zusammengebrochen, rund 1,3 Millionen Personen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, die Scheidungs- und Suizidraten sind dramatisch gestiegen - und es gibt in diesem größten Freiluftgefängnis der Welt - trotz Hamas und muslimischer Hardliner - das bis vor wenigen Jahren noch undenkbare Phänomen der Verzweiflungs-Prostitution.

Sowohl über die israelischen wie auch die ägyptischen Grenzübergänge kommt aktuell nur ein Bruchteil jener Güter, die für ein einigermaßen menschenwürdiges Leben im Gazastreifen notwendig wären.

Zum Versöhnungsabkommen vom Oktober 2017

Im September 2017 löste die Hamas zunächst ihre erst im März 2017 eingerichteten Verwaltungskomitees auf und übertrug die Macht im Gazastreifen der PA.
Unter Vermittlung von Ägypten einigten sich am 12. Oktober 2017 beide Seiten auf folgende Punkte:

  1. Übernahme der Grenzübergänge des Gazastreifens zum 1. November 2017 durch die PA.
  2. Übernahme der Regierungsverantwortung im Gazastreifen zum 1. Dezember 2017 durch die PA.
  3. Eingliederung der rund 40.000 Hamas-BeamtInnen zum 1. Februar 2018 in die PA, von denen etwa die Hälfte im zivilen Sektor und die andere Hälfte im Sicherheitsbereich tätig sind.

Ende November 2017 einigten sich Hamas, Fatah und elf kleinere palästinensische Organisationen darauf, bis Ende des Jahres 2018 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten.

Größter Streitpunkt zwischen Hamas und Fatah ist die zukünftige Rolle der rund 25.000 Hamas-Kämpfer: Präsident Abbas möchte deren Entwaffnung und nur noch Fatah-Beamte als Waffenträger im Gazastreifen, die Hamas lehnt die Entwaffnung ihrer Kämpfer ab.

Zur Rolle Ägyptens und Katars

Zur katastrophalen Situation im Gazastreifen hatte seit 2013 auch die Politik Ägyptens unter Präsident Abdelfattah al-Sisi beigetragen, den Tunnelhandel an der gemeinsamen Grenze zwischen Gazastreifen und Ägypten durch Zerstörungen fast vollständig zum Erliegen zu bringen.

Ägypten möchte die Gewalt auf dem Sinai eindämmen und das Einsickern von dschihadistischen Kämpfern aus dem Gazastreifen auf ägyptisches Territorium verhindern - was von der Hamas unterstützt wird.

Seit Katar im Juni 2017 durch ein Embargo von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten gezwungen werden sollte, die Kooperation sowohl mit Iran als auch mit der Hamas zu beenden, sind die Zahlungen Katars für Infrastrukturmaßnahmen im Gazastreifen drastisch zurück gegangen.

Perspektiven

Nach einer Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR) vom September 2017 sprachen sich rund Zweidrittel aller Befragten für einen Rücktritt des 82-jährigen Präsidenten Mahmud Abbas aus. Mit ca. 50% lag Hamas-Chef Haniyeh - sollte er gegen Abbas bei den anvisierten Präsidentschaftswahlen antreten - bei dieser Umfrage deutlich vor Abbas mit rund 42 Prozent.

Weil der frühere Fatah-Chef im Gazastreifen, Mohamed Dahlan - im Jahre 2007 hauptverantwortlich für den Hamas-Fatah-Bruderkrieg mit rund 400 Toten - mit finanzieller Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate ägyptische Diesellieferungen an das einzige Elektrizitätswerk des Gazastreifens vermittelte und sich für einen Entschuldigungs- und Versöhnungsprozess der Angehörigen der rund 400 Toten des Jahres 2007 einsetzt, sind seine Chancen auf die Nachfolge von Präsident Abbas zuletzt stark gestiegen.

Nur bei einer sehr zügigen Verbesserung der humanitären Lage des Gazastreifens wird das Versöhnungsabkommen zwischen Fatah und Hamas eine Bestands-Chance haben.

Quellen:

  • Riad Othman, Hamas und Fatah - Aussöhnung in Gaza, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2017, S. 23-26.
  • Muriel Asseburg, Das Versöhnungsabkommen zwischen Fatah und Hamas vom Oktober 2017, in: SWP Aktuell, Oktober 2017.
  • Sarah Roy, Nichts ist normal in Gaza, in: Le Monde Diplomatique, 12.10.2017.

Quelle: FriedensForum 2/2018.

Veröffentlicht am

20. April 2018

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