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Sexuelle Übergriffe in Parlamenten: Jede vierte Frau Opfer von Gewalt

Laut einer Studie sind sexuelle Gewalt und Belästigung in Parlamenten der Europarats-Mitgliedsländer Alltag. Täter sitzen in oft in den eigenen Fraktionen.

Von Andreas Zumach

In den Parlamenten der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates sind sexuelle Belästigung, Missbrauch und Gewalt gegen weibliche Abgeordnete und Mitarbeiterinnen weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Interparlamentarischen Union (IPU) und der parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) , die am Dienstag in Genf veröffentlicht wurde. Hinzu kommt: In den meisten der Parlamente sind die Möglichkeiten für die betroffenen Frauen Beschwerden vertraulich einzureichen unzureichend. Zudem gibt es etliche Hürden um Ermittlungen einzuleiten und Sanktionen gegen die männlichen Täter anzugehen.

Laut Studie haben "85 Prozent der befragten Parlamentarierinnen psychologische Gewalt erlitten" durch sexuelle Belästigung und Übergriffe. Aber auch durch körperliche Bedrohungen, sexistische Bilder von ihnen, anzügliche Texte über sie in den Medien oder Facebook, Twitter und andere Online-Plattformen. Fast 47 Prozent der Befragten wurden mit dem Tod, Vergewaltigung oder Schlägen bedroht.

Knapp 25 Prozent wurden Opfer sexualisierter Gewalt, weitere fast 15 Prozent der Befragten erlitten andere Formen körperlicher Angriffe. Die Gewalttäter waren zu 77 Prozent männliche Abgeordnete der eigenen Parlamentsfraktion oder anderer Fraktionen. Über 58 Prozent der befragten weiblichen Abgeordneten waren das Ziel sexistischer Attacken in Online-Medien. Und fast 68 Prozent wurden durch Bemerkungen über ihren Körper und andere geschlechtsspezifische Kommentare belästigt.

IPU will Frauenanteil in Parlamenten erhöhen

Zur 1889 in Paris gegründeten IPU mit Sitz in Genf gehören als Mitglieder die nationalen Parlamente aus 178 der 193 UNO-Staaten. Zu jährlichen IPU-Generalversammlung kommen rund 1.200 Delegierte aus diesen Parlamenten zusammen. Eines der Hauptanliegen der IPU ist die Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten. Bis 2020 soll er im Durchschnitt der 178 Mitglieder bei mindestens 30 Prozent liegen.

Für die Studie erhielten alle weiblichen Abgeordneten aus den nationalen IPU-Delegationen der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates sowie Parlamentsmitarbeiterinnen aus diesen Ländern einen ausführlichen Fragebogen. 81 Abgeordnete und 42 Mitarbeiterinnen aus 45 Parlamenten erklärten sich zur Beantwortung und zu vertraulichen Interviews bereit. Lediglich aus Malta und der Slowakei erhielt die IPU keine Antwort.

Die in der Studie wörtlich zitierten Antworten der insgesamt 123 Frauen wurden zu ihrem Schutz anonymisiert, so dass keine Rückschlüsse auf ihre Identität, ihr Herkunftsland oder ihre parteipolitische Zugehörigkeit möglich sind. Die Studie zeigt, dass auch in den Parlamenten eine große Mehrheit der betroffenen Frauen über die erlebte sexuelle Belästigung und Gewalt schweigt - aus Angst vor Repressalien, vor Jobverlust und anderen Nachteilen.

Rauswurf nach Beschwerde

Lediglich 23 Prozent der befragten Abgeordneten und nur 12,5 Prozent der Mitarbeiterinnen gaben an, sie hätten Beschwerden eingereicht. Eine Parlamentsmitarbeiterin berichtet in der Erhebung, dass sie nach einer Beschwerde über eine sexuelle Belästigung durch einen Abgeordneten ihren Job verloren hat. Der Täter sitzt aber nach wie vor völlig unbehelligt im Parlament.

Diese Regionaluntersuchung der IPU in europäischen Parlamenten deckt sich im wesentlichen mit den Ergebnissen einer Studie, für die 2016 Frauen in 39 Parlamenten aus allen fünf Kontinenten befragt wurden. In den kommenden Jahren will die IPU auch Regionalstudien in Asien, Afrika und Lateinamerika durchführen. Die USA sind bislang nicht Mitglied der Organisation.

Quelle: taz - 16.10.2018. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

18. Oktober 2018

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