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Trump kann doch verlieren

Die Zeit der Einparteienregierung in Washington ist vorbei, auch wenn den Demokraten der große Triumph verwehrt bleibt

Von Konrad Ege

Ein Härtetest für die Stärke der Opposition waren diese Wahlen. Kann sie Donald Trump ausbremsen? Die Antwort ist ja. Ein Stück weit zumindest. Trumps Republikaner haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Anders formuliert: Die Demokraten stellen nun die Mehrheit der 435 Abgeordneten, sie können blockieren, und Untersuchungsausschüsse einsetzen. Schon meint Jerry Nadler, der kommende demokratische Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus: Trump werde "erfahren, dass niemand über dem Gesetz steht". Und Nancy Pelosi, die voraussichtliche Mehrheitsführerin im Kongress, will zur Kontrolle der Regierung zurückkehren, um vor allem die Angriffe auf Obamacare abzuwehren. "Wir haben alle genug von der Spaltung in diesem Land", rief sie.

Doch feiern können die Demokraten nur mit Vorbehalt. Es war kein umfassender Sieg, denn im Senat haben die Republikaner ihre knappe Mehrheit sogar ausgebaut. Der Hoffnungsträger in Texas, Beto O’Rourke, verlor gegen den rechtslastigen Senator Ted Cruz. Republikanische Senatskontrolle wird heißen: Trump kann fortfahren mit dem Ernennen von konservativen Richtern, die vom Senat bestätigt werden. Bei den 36 Gouverneurswahlen haben die Republikaner zudem mehrere große Bundesstaaten gewonnen, darunter Texas, Florida und Ohio.

Da Donald Trump Wahlkampf gemacht hat bis zum Schluss, war dieser 6. November auch das große Referendum über seine Amtsführung. Von demokratischer Seite wurde gewarnt vor einem Präsidenten, der sich im Erfolgsfall der von ihm längst gefügig gemachten Republikanischen Partei bestärkt sehen würde in seiner autoritären Tendenz. Irgendwie hatte sich in vielen Köpfen festgesetzt, dass Trump mit seinem Machtgebaren und mit der Kraft seiner Person gar nicht verlieren könne.

Straßenkämpfer marsch!

Dabei waren die Amerikaner bei diesen Wahlen engagiert wie lange nicht mehr. Hier kämpfen "die Grass Roots gegen die Grass Roots", äußerte sich der trumpistische Vordenker Steve Bannon im Interview mit einer rechten Website kurz vor dem 6. November. In 37 der 50 US-Staaten durften Wähler ihre Stimme bereits vor dem Wahltag abgeben. Landesweit machten nach Angaben der Forschergruppe United States Elections Project 39 Millionen Wähler davon Gebrauch, beinahe doppelt so viel wie bei den Zwischenwahlen von 2014.

Welten und Wahrnehmungen gingen weit auseinander. Der kritische Journalismus führte Buch über die Anzahl der "irreführenden Behauptungen und Lügen" des Präsidenten bei seinen Aufritten. Dessen Fans hingegen erläuterten Reportern in die Mikrofone, sie wählten republikanisch, weil Trump seine Versprechen einhalte: Freihandelsabkommen gekappt, Iran-Vertrag gekündigt, Strafzölle verhängt, Abtreibung erschwert, Steuerreform eingeführt, konservative Richter ernannt, "Illegale" ferngehalten. Und überhaupt: America First! Noch etwas fiel ins Gewicht: Die Wirtschaftsdaten waren gar nicht schlecht für die Partei an der Regierung, die sich zur Partei des Donald Trump umgebaut hat. Trotzdem wollen diese Republikaner momentan vor allem durch Angst- und Panikmache gewinnen. Was offenbar ankommt bei den eigenen Leuten. So betonte der rechte evangelikale Wortführer Jerry Falwell, Präsident der Liberty Universität in Virginia: Konservative Christen sollten keine "netten Menschen" mehr wählen. Die USA bräuchten "Straßenkämpfer" wie Donald Trump.

Viele weiße und republikanische Wähler trieb erkennbar die Sorge, dass ihr Amerika auseinanderfalle, dass ihr Status gefährdet sei, unter dem vermeintlichen Ansturm illegaler Einwanderer und der zersetzenden Strategie eines "linken und elitären Mobs". Es war ein außerordentliches Schauspiel der Hysterie und Mobilmachung, das Trump und seine Republikaner in den letzten Tagen bis zur Wahl vorführten. Eine "gefährliche Karawane" Tausender Menschen aus Mittelamerika nähere sich der Staatsgrenze, hieß es immer wieder, darunter Gangmitglieder, wie Trump zu wissen vorgab und einen Militäreinsatz ankündigte, um die Grenze und amerikanische Familien zu schützen.

Der republikanische Wahlstratege Mike Murphy, der Trump auch kritisiert, beschrieb die Taktik in der Washington Post: Trump sage verrückte Sachen, signalisiere Rassismus und "lehnt sich zurück und schaut zu, wie seine verrückten Themen das Kabelfernsehen in den nächsten 24 Stunden dominieren". Nicht nur dessen Kanäle: Mit seinen wilden Behauptungen hat Trump im Wahlkampf diktiert, womit sich die Medien beschäftigten.

Von einem Reporter wurde Trump gefragt, was er von der These halte, dass "jemand" diese Karawane finanziere, und ob das George Soros sein könnte, der in den USA lebende Milliardär und Spender für demokratische Anliegen. "Ich wäre nicht überrascht, yeah", so der Präsident. "Ich wäre nicht überrascht." Soros ist in den Augen vieler Rechter schon lange Drahtzieher eines fatalen Globalismus. Zwei Wochen vor der Wahl wurde bei Soros zu Hause eine Rohrbombe abgegeben, die man rechtzeitig entdeckt hat.

Und wie heißt es im Klischee? Nach der Wahl ist vor der Wahl. In zwei Jahren, am 3. November 2020, entscheiden die USA über den nächsten Präsidenten. Derzeit erhärtet sich der Eindruck, der amtierende will noch mal. Trump macht seit seinem Amtsantritt im Januar 2017 Wahlkampf. Sollte es nicht zu einer zweiten Kandidatur kommen, stehen republikanische Nachfolger in Bereitschaft: Trumps treu ergebener Vize Mike Pence. Vielleicht Nikki Haley, UN-Botschafterin bis Oktober, als sie ihren Rücktritt bekannt gab, angeblich im besten Einvernehmen mit dem Boss. Sie ging früh genug, um nicht dabei gewesen zu sein, sollte der Tag der Kongresswahl ein unangenehmes Kapitel für Trumps Präsidentschaft eröffnet haben.

Die Demokraten haben eine neue Partei vorgeführt. Viele Frauen haben kandidiert und gewonnen, mehrere Veteranen, viele Jüngere. Es gab die Rückkehr zu einer Art Obama-Koalition: Afroamerikaner, Frauen, Latinos, Gebildete, Amerikaner aus Städten und Vorstädten. Der 6. November hinterlässt Zweifel an Bernie Sanders’ Strategie, für eine progressive "soziale Revolution" einzutreten. Die demokratische Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez hat ihren Wahlkreis in New York City mit 78 Prozent klar gewonnen, doch andere Wortführer des linken Flügels wie die Gouverneurskandidaten Ben Jealous und Andrew Gillum haben in Maryland beziehungsweise Florida verloren.

Auf alle Fälle stehen bei den Demokraten potenzielle Anwärter für die Präsidentenwahl 2020 bereit. Sanders noch einmal, obwohl der dann fast 80 Jahre alt wäre. Die Senatorinnen Elizabeth Warren aus Massachusetts, Kirsten Gillibrand aus New York und Kamala Harris aus Kalifornien kämen in Betracht, womöglich auch der Immobilienmilliardär und frühere Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg. Oder ganz andere Bewerber. Mit Barack Obama hatte man zwei Jahre vor seiner Wahl 2008 auch nicht wirklich gerechnet. Hillary Clinton stiftete kürzlich im Interview mit der Webseite recode.net Verwirrung. Ob sie 2020 wieder kandidieren werde, wurde sie gefragt. "Nein, nein," antwortete Clinton. Diese Reaktion sei erst nach einer Pause erfolgt, bemerkte die interviewende Journalistin. Clinton dann: "Nun, ich möchte Präsidentin sein."

Nichts schönzureden

Und Robert Mueller? Er hat zuletzt wenig von sich hören lassen. Angeblich sollte der Sonderermittler zur russischen Einflussnahme auf die Wahlen von 2016 und damit korrespondierender Umstände kurz vor den Kongresswahlen 2018 Neutralität zur Schau stellen. Es ist unbekannt, was er berichten wird, möglicherweise in sehr naher Zukunft. Selbst bestens vernetzte Starjournalisten sind nicht in Robert Muellers Reich vorgedrungen. Donald Trump hat schon einmal angedeutet, dass nach den Wahlen die Tage gezählt sind für Muellers nominellen Vorgesetzten - für Justizminister Jeff Sessions.

Amerika hat gewählt, mit offenen Augen. Wer für Trumps Republikaner stimmte, hat sich zumindest wenig stören lassen von Hetze und Lügen. Daran lässt sich nichts schönreden. Die Spaltung der US-Gesellschaft hat sich wohl vertieft.

Quelle: der FREITAG vom 07.11.2018. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

08. November 2018

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