Sie kritisierten Israel - und wurden gefeuertDie Israel-Lobby versucht weltweit, Kritik an Israel mit der Antisemitismus-Keule zu verhindern - mit Erfolg. Auch in der Schweiz?Von Christian Müller Ende November hat in den USA der Fernsehsender CNN den bisher regelmäßig auftretenden Polit-Kommentator Marc Lamont Hill, einen Politologie-Professor, innerhalb von 24 Stunden gefeuert, nachdem dieser in seiner TV-Kolumne die israelische Besatzungspolitik kritisiert und mehr Rechte für die Palästinenser gefordert hatte. An der Universität Sidney in Australien wurde nach 20jähriger Dozententätigkeit Tim Anderson gefeuert und mit Hausverbot belegt, nachdem er das israelische Vorgehen gegen Gaza kritisiert hatte. Auch in Zürich läuft es mittlerweile so, wie Deutschland es schon gewohnt ist: Wer ein Versammlungslokal reserviert hat für eine Veranstaltung, an der ein Kritiker der israelischen Besatzungs-Politik auftritt, erhält noch vor der Veranstaltung den Bescheid, dass die Reservation annulliert wurde, weil man erfahren habe, was sich da abspielen soll. Interveniert hat da zum Beispiel die Israel-Lobby-Agentur Audiatur, die immer präsent ist, wenn es darum geht, Kritik an der israelischen Besatzungs-Politik als verfehlt darzustellen oder besser noch zu verhindern. Moshe Zuckermann: Kritik muss seinInfosperber hat im Oktober darauf aufmerksam gemacht , wie die Israel-Lobby mit Erfolg daran arbeitet, Kritik an der israelischen Politik als Antisemitismus zu brandmarken und nach Möglichkeit zu verhindern. Was aber tun, um informiert zu sein, trotz der überhandnehmenden Maulkorb-Politik vieler mutloser Medien? Es gibt Möglichkeiten. Zu empfehlen ist, die Kommentare zu lesen, die von Juden zu diesen Ereignissen geschrieben wurden, sofern man von den Ereignissen überhaupt erfahren hat. Oder man kann die Nachrichten und Kommentare lesen, die in jüdischen Publikationen veröffentlicht werden. Im Fall des von CNN gefeuerten Politologen zum Beispiel konkret den Kommentar von Gideon Levy auf Haaretz . Oder die Berichte der US-amerikanischen Vereinigung "Jewish Voice for Peace", zu deren Mitgliedern auch die kanadische Bestseller-Autorin Naomi Klein gehört (die ihrerseits, zum Beispiel von der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit", des Antisemitismus’ bezichtigt wird, obwohl sie selber Jüdin ist). Oder die fast täglichen Berichte auf der Plattform Mondoweiss , die ebenfalls von US-amerikanischen Juden betrieben wird. Dass diese Leute dann von der Israel-Lobby ebenfalls als Antisemiten, als Selbsthasser und Nestbeschmutzer verunglimpft werden, ist zwar bekannt - man lese das Buch von Moshe Zuckermann, siehe oben - , es darf uns aber nicht davon abhalten, sie zu lesen. Zurück in die SchweizUnd eben, auch in der Schweiz ist es nicht einfach, die Besatzungspolitik Israels zu kritisieren, wenn selbst der Israel-Korrespondent der NZZ, Ulrich Schmid, auf Audiatur online antiisraelischer Parteinahme für die Palästinenser bezichtigt wird. Eine durchaus empfehlenswerte Informationsquelle ist die Gesellschaft Schweiz-Palästina , die allerdings - gemäß Zweck der Vereinigung - einseitig die Interessen der Palästinenser wahrnimmt. Sie veranstaltet aber immer wieder Informationsabende, an denen bekannte Israelis auftreten, die sich für ein besseres Los der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten engagieren. Vor allem aber gibt es die "Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina" . Sie hat gerade in den letzten Tagen eine wichtige Entscheidung gefällt: Nach intensiver Abwägung dafür und dawider empfiehlt sie den Schweizer Behörden, die neue Definition von "Antisemitismus", in der auch Kritik an Israel als "antisemitisch" enthalten ist, nicht zu übernehmen, im Gegensatz etwa zu Österreich oder Großbritannien. Zur ganzen Stellungnahme hier anklicken . Wörtlich zitiert seien hier der erste und die beiden letzten Abschnitte der Erklärung: "Stellungnahme und Appell zur fragwürdigen IHRA-Definition zum Antisemitismus""Worum geht es? Die ‹International Holocaust Remembrance Alliance› (IHRA) hat 2016 eine Definition von Antisemitismus formuliert, die bisher von folgenden Ländern und Städten als offizielle Definition übernommen wurde: Großbritannien, Israel, Österreich, Schottland, Rumänien, London, Deutschland, Bulgarien, Litauen und Mazedonien. Am 1. Juni 2017 hat das Europäische Parlament eine Resolution veröffentlicht, in der sie ihre Mitgliedstaaten dazu aufruft, die IHRA-Definition von Antisemitismus aufzunehmen und anzuwenden." "Schlussfolgerungen und Appell an die offizielle Schweiz""Wir nehmen als jüdische zivilgesellschaftliche Organisation Stellung, weil uns die Frage etwas angeht, was legitime Kritik an israelischer Politik ist und wo sie antisemitisch begründet sein könnte. Weil wir Partei nehmen für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina und selber mit dem Antisemitismus-Vorwurf, resp. dem Vorwurf des "jüdischen Selbsthasses" konfrontiert sind. Weil wir für den Erhalt der demokratischen Prinzipien und Praxis einstehen und wir den eingeschränkten Raum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten nicht hinnehmen wollen. Es ist die Aufgabe der offiziellen Schweiz gegen jeglichen Antisemitismus als Feindschaft und Hass gegen jüdische Menschen, weil sie jüdisch sind, aktiv vorzugehen. Wir appellieren aber auch an die Schweizer Regierung, den zivilgesellschaftlichen Raum für Organisationen und Personen, die die israelische Politik kritisieren, nicht einzuschränken. Wir fordern sie auf, wo immer auf Grund von Ideologien gewaltfreie Kritik an der israelischen Politik behindert wird, dies zu problematisieren und sich öffentlich und aktiv dagegen einzusetzen. Dazu gehören auch die Fälle von Instrumentalisierung der IHRA-Definition, um missliebige aber legitime Kritik an der israelischen Politik als antisemitisch zu delegitimieren und letztlich zu verunmöglichen." Zürich, 25. November 2018 Es sind also nicht "die" Juden, die Kritik an Israel verhindern wollen, es ist die Regierung Netanyahu und es ist die Israel-Lobby, die, Menschenrechte hin oder her, diese Maulkorb-Politik betreiben - im Interesse der Politik Netanyahus und seiner Anhänger in Israel und in den USA. Nachtrag vom 13. Dezember 2018, 15 UhrInfosperber-Autor Andreas Zumach kennt zum Thema "Antisemitismus-Definition der IHRA" zusätzliche Details. Er schreibt uns, mit der Erlaubnis zur Veröffentlichung: "Leider weist die "jüdische Stimme" in ihrer Stellungnahme nicht darauf hin, dass der als angebliche "Arbeitsdefintion der IHRA" verbreitete Text, der inzwischen vom EU-Parlament und von zehn Staaten als offizielle Definition von Antisemitismus übernommen worden ist (nämlich zwei Sätze mit insgesamt 40 Wörtern von "Antisemitismus ist …. religiöse Einrichtungen." sowie nachfolgende "Beispiele für Erscheinungsformen von Antisemitismus" und 11 weitere "Aktuelle Beispiele von Antisemitismus") das Ergebnis einer Manipulation ist. Die IHRA hat auf ihrer Plenumstagung am 26. Mai 2016 in Bukarest ausschließlich die ersten 40 Wörter von "Antisemitismus ist… religiöse Einrichtungen" als Definition verabschiedet, nicht aber die nachfolgenden Beispiele, in denen dann ja erst die Rede ist von "israelbezogenem Antisemitismus". Das hat das Büro der IHRA in Berlin auf Nachfrage ausdrücklich klargestellt und bestätigt. Allerdings wurde am Tag nach dem Bukarester Beschluss der IHRA der gesamte Text (die 40 Wörter der beschlossenen Definition eingerahmt und nachfolgend die Beispiele) in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Dadurch wurde der falsche Eindruck erweckt, die IHRA-Tagung habe den gesamten Text als Arbeitsdefinition für Antisemitismus beschlossen. Die nicht von der IHRA beschlossenen, aber in der Presseerklärung von Bukarest dennoch verbreiteten "Beispiele" stammen fast wortgleich aus einer "Arbeitsdefinition Antisemitismus", die im Jahr 2003 entwickelt wurde von der 1997 durch die EU geschaffenen "Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" (EUMC) mit Sitz in Wien. Die sogenannte "EUMC-Arbeitsdefinition" wurde aber von der EU nie übernommen. Im Jahr 2007 wurde die EUMC geschlossen und durch die EU-Grundrechteagentur (FRA) ersetzt. Ein Dokument mit dem Titel "EUMC Working Definition of Antisemitism" wurde 2013 von der Website der FRA entfernt; die FRA erklärte, dass es nie als eine gültige Antisemitismus-Definition angesehen worden sei, der FRA keine offizielle EU-Definition von Antisemitismus bekannt sei und dass das Dokument im Zuge einer Aufräumaktion von nicht-offiziellen Dokumenten entfernt worden sei."
Weiterführende Informationen: Quelle: Infosperber.ch - 13.12.2018. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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