Der Syrienkrieg: Dimension - Hintergründe - PerspektivenNeue IPPNW-Publikation veröffentlichtDie Menschen in Syrien leiden seit knapp acht Jahren an einem verheerenden Krieg, der weite Teile des Landes zerstört hat. In der deutschen Öffentlichkeit ist der Krieg längst nicht mehr so präsent, wie es angemessen wäre. Und selbst innerhalb der deutschen Friedensbewegung gibt es keine Einigkeit in der Bewertung dieses Krieges. Dabei spielt Deutschland in dem Konflikt eine wesentliche Rolle. Eine gesellschaftliche Debatte darüber wäre dringend erforderlich, wenn wir einen sinnvollen Beitrag für Frieden in Syrien leisten wollen. Zu dieser Debatte will die deutsche Sektion der IPPNW mit der Veröffentlichung der Publikation "Der Syrienkrieg: Dimension - Hintergründe - Perspektiven" einen Beitrag leisten. Der Krieg in Syrien betrifft uns in Deutschland in hohem Maße: Über 700.000 der inzwischen mehr als 5 Millionen Menschen, die vor diesem Krieg ins Ausland geflohen sind, kamen nach Deutschland. Aber uns verbindet mit diesem Land und dem mörderischen Geschehen dort noch weit mehr: Etwa 500.000 von ursprünglich einmal gut 21 Millionen Einwohnern sind im Krieg umgekommen. Noch mehr Menschen sind zu Flüchtlingen innerhalb des Landes geworden; mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist inzwischen auf der Flucht. Der Krieg destabilisiert in der ohnehin instabilen Region nach dem Irak ein weiteres bedeutendes nahöstliches Land. Es ist zudem neben der Ukraine zum brisanten Brennpunkt für den neuen Ost-West-Konflikt geworden. Die Atomwaffen-Giganten NATO und Russland stehen sich hier gegenüber und tragen ihr Ringen auf dem Rücken kleinerer Länder aus. Als weitere Atommacht verfolgt Israel sehr konfrontativ seine ganz eigenen Interessen in der Region. Das bedroht letztendlich den Weltfrieden und damit uns alle. Als Anfang 2011 vor dem Hintergrund des "Arabischen Frühlings" Proteste im Land ausbrachen, die rasch immer gewaltsamer wurden, spielten originär inner-syrische Konflikte noch eine signifikante Rolle. Schon frühzeitig wurden die Auseinandersetzungen aber erheblich von außen angeheizt: mit Waffen, bezahlten Kämpfern, Instrukteuren, Geheimdienstoffizieren, Ausbildung und Geld aus dem Ausland - getrieben von ausländischen Interessen, was ihn schnell zum Stellvertreterkrieg werden ließ. Die ausländischen Akteure des Krieges sind zum einen regionale Mächte. Andererseits spielen globale Akteure eine gewichtige Rolle: Auf der Seite der syrischen Regierung steht als langjähriger Verbündeter Russland. Als Unterstützer verschiedener "Rebellen"-Fraktionen für einen Regime-Change agieren die USA. Zu deren Verbündeten zählt außerdem die EU, die mit ihrer "Nachbarschaftspolitik" in den Jahren zuvor die syrische Gesellschaft spaltete. Deutschland spielt als wirtschaftlich stärkste EU-Macht, aber auch eigenständig eine besondere Rolle; zwar weniger militärisch, aber zentral strategisch bei der Konzipierung des Regime-Change und der Umgestaltung Syriens nach den Vorstellungen des Westens. An der humanitären Katastrophe in Syrien haben alle kriegsführenden Parteien ihren Anteil. Denn moderne Kriege, zu deren Charakteristika eine hohe Zahl von zivilen Opfern gehört, führen immer zu humanitären Katastrophen. Zur Grausamkeit der Kämpfe in Syrien trägt der Luftkrieg der Regierung, Russlands und der Anti-IS-Koalition bei. Dazu kommt die Zerstörung der Infrastruktur, die von beiden Seiten betrieben wird, sowie die Methoden der "Rebellen" und des "IS", sich in Wohngebieten zu verschanzen, die Bevölkerung an der Flucht zu hindern und Autobomben- und Selbstmordanschläge in Städten zu verüben. Schwerste Folgen haben außerdem die Sanktionen der USA und der EU, deren Hauptmechanismus in der Geiselnahme der Bevölkerung mit dem Ziel eines Machtwechsels in Syrien besteht und die laut einem UN-Bericht von 2016 zusammen mit den Kriegshandlungen "die größte humanitäre Krise seit dem 2. Weltkrieg bewirkt haben" - und weiter bewirken. Spätestens seit dem offenen Eingreifen Russlands seit September 2015 wurde klar: Es ist eine Illusion zu glauben, der Krieg ließe sich durch den Sturz Assads beenden. Wer ihr weiter anhängt oder sie propagiert, nimmt eine offene Konfrontation zwischen den Atommächten billigend in Kauf und damit die Gefahr eines Atomkrieges, der die ganze Menschheit bedrohen würde. Dies ist einer der Gründe, warum wir als "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" uns für eine friedliche Lösung des Syrienkonflikts engagieren. Aber selbst ungeachtet dieser Gefahr muss dieser Krieg mit 500.000 Toten und 12 Millionen Flüchtlingen so schnell wie möglich beendet werden. Die deutsche IPPNW-Sektion fordert die Bundesregierung auf, ihre Beteiligung am Krieg in Syrien einzustellen. Von allen Kriegsparteien verlangen wir die Einhaltung des Völkerrechts, das offensive Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von eigenen Interessen verbietet. Als dringend umzusetzende Schritte fordern wir das Ende jeglicher Gewalt, den Stopp aller Waffenlieferungen und die Unterstützung lokaler Waffenstillstände. Nötig ist weiter humanitäre Hilfe im Rahmen von UN, IRK und Rotem Halbmond. Wir fordern die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen, die Aufhebung der Sanktionen und den Einsatz für Verhandlungen zwischen allen am Konflikt beteiligten Parteien.
Quelle: IPPNW - Pressemitteilung vom 21.12.2018. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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