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Regina Hagen: “Abrüstung schafft Sicherheit!”

Von Regina Hagen, Redebeitrag für den Ostermarsch Ellwangen am 20. April 2019

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, ich freue mich sehr, heute hier in Ellwangen zu Euch zu sprechen. Ich danke den Veranstalter*innen und Unterstützer*innen des Ostermarsches Ellwangen für die Einladung und für die Organisation - und Ihnen und Euch für"s Kommen.

Mein Thema sind die Atomwaffen - das passt gar nicht zu der österlichen Stimmung und dem überbordenden Frühlingsaufbruch, an dem wir uns dieses Wochenende freuen. Wir dürfen uns vor dem Thema aber nicht wegducken, sondern wir müssen alles tun, was wir können, um das massive Wettrüsten zu verhindem, da jetzt abzusehen ist. Denn uns ist allen klar:

Nicht Aufrüstung, sondern Abrüstung schafft Sicherheit!

Die Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin, kündigten zum 2. August den INF-Vertrag. Dieser Vertrag hatte in den 1980er Jahren dafür gesorgt, dass die USA und die Sowjetunion binnen weniger Jahre auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs fast 2.700 Mittelstreckensysteme zerstörten. Bei uns im Westen verschwanden die Pershing-II und die Marsch?ugkörper, im Osten die SS-20-Raketen. Der INF-Vertrag schaffte für diese beiden Länder eine komplette Waffenkategorie ab, nämlich landstationierte Raketen und Marsch?ugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometer. Wir hier in Europa, egal ob in Ost oder West, wurden die Angst los, uns im Kriegsfall mitten in einem nuklearen Schlachtfeld zu befinden. Unsere Erleichterung war damals groß!

Seit Jahren überziehen sich die USA und Russland mit Vorwürfen der Vertragsverletzung, die im INF-Vertrag ausdrücklich vorgesehene Kommission zur Klärung von Streitfragen haben sie aber nie einberufen.

Die NATO heizte die Atmosphäre zusätzlich an. NATO-Generalsekretär Stoltenberg legte sich schon im Spätherbst darauf fest, Russland habe den Vertrag verletzt, daran gebe es keinen Zweifel. Und unsere Bundesregierung? Die behauptet zwar, den Vertrag retten zu wollen, übernahm die Vorwürfe aber ebenfalls - ohne Beweise. Wenn es bei der Kündigung bleibt, ist der INF-Vertrag am 2. August passe. Erste Stimmen schlagen schon vor, falls die USA neue Mittelstreckenraketen in Europa aufstellen wollen, dies doch in Deutschland zu tun - weil eine Stationierung in den östlichen Ländern der NATO denn doch eine zu große Provokation für Russland sei.

Was hier passiert ist deshalb so fatal, weil es uns zeigt, wie verächtlich inzwischen mit Völkerrecht und Abrüstungsverträgen umgegangen wird. Tatsache ist doch, dass sowohl die USA als auch Russland den INF-Vertrag schon lange als lästig empfanden. Vor mehr als zwölf Jahren, bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, beklagte sich Wladimir Putin, dass Russland keine Mittelstreckenraketen haben dürfe, die Länder in Russlands südlicher Nachbarschaft aber seien nicht an das Verbot gebunden. Die USA stießen wenige Monate später mit Russland zusammen ins selbe Horn. In einem gemeinsamen Statement erklärten sie im Oktober 2007 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen den INF-Vertrag für unausgewogen. Aus ihrer Sicht stimmt das ja auch. Länder wie Israel, Iran, Pakistan, Indien, Süd- und Nordkorea sowie China verfügen über Mittelstreckenraketen, sind aber nicht Vertragspartner. Ernsthafte Versuche, das Problem in Gesprächen all dieser Länder anzugehen, gab es nie - stattdessen wurde der Vertrag jetzt einfach gekündigt, weil es Russland und den USA so besser in den Kram passt.

Damit wird auch für Russland und die USA der Weg frei, Mittelstreckensysteme aufzustellen, wenn sie das wollen, hier in Europa, aber auch in der Pazi?kregion. Dies ist allerdings nur Teil der neuen Aufrüstungsspirale. Alle Länder, die Atomwaffen besitzen, arbeiten an neuen, "besseren" Atomsprengköpfen, Bomben und Trägersystemen. Die neuen Waffen "zuverlässiger" sein, schneller, zielgenauer, besser einsetzbar. Einsetzbare Atomwaffen?

Wovon reden diese Politiker und Militärs? Wer Bilder von Hiroshima und Nagasaki gesehen hat, weiß, Atomwaffen können nicht "einsetzbar" sein, ihr Einsatz ist immer ein Verbrechen an der Menschheit und verletzt das Völkerrecht!

Sicherheit wird nicht mit neuer Rüstung geschaffen, sondern - ganz im Gegenteil - mit Abrüstung!

Wenn es den USA, Russland und anderen Atomwaffenstaaten ernst wäre mit ihrem Anspruch, ihre Länder und die Welt sicherer zu machen, dann würden sie endlich über Abrüstung reden - über echte Abrüstung!

122 Staaten haben im Juli 2017 vorgemacht, wie das geht, sie haben den "Vertrag über das Verbot von Kernwaffen" vereinbart. Mittlerweile haben 70 Staaten den Vertrag unterzeichnet und 22 ratifiziert - die USA, Russland, China oder die NATO-Staaten gehören aber nicht dazu. Auch die Bundesregierung will mit dem Vertrag nichts zu tun haben. An das Völkerrecht sind aber alle Staaten gebunden, im Nichtverbreitungsvertrag haben sie sich vor knapp einem halben Jahrhundert verpflichtet, über die vollständige Abschaffung von Atomwaffen zu verhandeln. Auch Nichtatomwaffenstaaten müssen ihren Teil dazu beitragen!

Was aber tun sie in Wirklichkeit? Bei einem wichtigen Treffen des UN-Sicherheitsrates Anfang April, bei dem Atomwaffen auf der Tagesordnung standen, stellte Außenminister Maas eine ganze Reihe Forderungen - Forderungen an andere Staaten. Er hat aber keine einzige Maßnahme angeboten, die er selbst oder die Bundesregierung ergreifen will, um den INF-Vertrag zu retten und die nukleare Abrüstung zu befördern.

Wenn also Herr Maas keine rechte Idee hat, wie Deutschland mit dem Thema umgehen soll, dann haben wir einige Vorschläge für ihn:

  • Deutschland muss die USA zum Abzug der Atomwaffen aus Büchel auffordern!
  • Deutschland darf auf keinen Fall einen neuen Atombomber anschaffen!
  • Deutschland darf nicht zulassen, dass neue Atomwaffen nach Büchel oder einem anderen Stationierungsort kommen!
  • Deutschland muss unmissverständlich klar machen, dass es keiner Stationierung neuer Raketen in Europa zustimmen Wird!
  • Deutschland muss seine Haltung zum Atomwaffenverbot überdenken und dem Vertrag beitreten, möglichst rasch!

Unsere Botschaft ist kurz und einfach zu verstehen:

Abrüstung schafft Sicherheit!

Um diese Botschaft zu Gehör zu bringen, hat die Kampagne "Büchel ist überall! - atomwaffenfrei.jetzt" zusammen mit anderen Organisationen einen bundesweiten Aktionstag ausgerufen, der am 1. Juni stattfinden wird. Am 1. Juni trat im Jahr 1988 der INF-Vertrag in Kraft. Wir fordern an seinem 31. Jahrestag, dass der Vertrag gerettet werden muss. Der 1. Juni ist dieses Jahr ein Samstag, und es sind bereits an etlichen Orten in Deutschland Aktionen geplant. Auf der Website http://www.inf-vertrag-retten.de findet Ihr nicht nur die nötigen Infos, sondern auch Vorschläge für öffentlichkeitswirksame Straßenaktionen; die Materialien dafür könnt Ihr auch auf inf-vertrag-retten.de bestellen.

Bringt Euch ein, plant auch eine Aktion. Die Lage ist unerfreulich, die Gefahr der nuklearen Aufrüstung ist groß. Wir lassen uns aber nicht entmutigen. Wir sind vor mehr als 30 Jahren auf die Straße gegangen, um gegen die Mittelstreckensysteme zu protestieren, und haben damit dem INF-Vertrag mit auf den Weg geholfen. Aktiv werden schützt vor Resignation.

Lasst uns gemeinsam aktiv werden für die atomwaffenfreie Welt. Denn nur Abrüstung schafft Sicherheit!

Danke fürs Zuhören.

Regina Hagen ist Redakteurin der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden und lebt in Darmstadt.

Quelle: Netzwerk Friedenskooperative


Bundesweit: Ostermärsche und -aktionen 2019

Auf der Website von Netzwerk Friedenskooperative finden sich:

Auf der Lebenshaus-Website finden sich:

 

Veröffentlicht am

23. April 2019

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