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Dankesrede von Hanne Vack anlässlich der Verleihung des Fritz-Bauer-Preises 1996

Von Hanne Vack

Verehrte Anwesende, liebe Freundinnen, liebe Freunde!

Viel Lobendes wurde über uns beide gesagt. Ich möchte da weder etwas hinzufügen noch Abstriche machen. So sage ich lediglich ein großes Dankeschön. Ein Dankeschön, das von Herzen kommt.

Einen Gedanken möchte ich jedoch kurz erörtern. Er betrifft diese Auszeichnung und meine Vorstellungen von gemeinsamer politischer Arbeit. So richtig einsichtig war es mir nicht, als uns vor einigen Monaten die Humanistische Union diese Ehrung durch ihren Fritz-Bauer-Preis angetragen hat.

Dies beileibe nicht wegen des Namensgebers Fritz Bauer. Ich hatte zwar nicht das Glück, ihn persönlich kennenzulernen. Aber sein Leben und vor allem sein Wirken, soweit ich mich darüber informieren konnte, sind so beeindruckend, dass ich mich freue, mit einem Preis geehrt zu werden, der seinen Namen trägt.

Meine Unsicherheit hatte ihre Ursache auch nicht bei dem Preisvergeber, der Humanistischen Union. Im Gegenteil: Ich schätze das Bürgerrechtsengagement der Humanistischen Union seit vielen Jahren. Ich habe mich in zahlreichen ihrer Aktionen wiedergefunden. Zudem gibt es schon lange eine enge Zusammenarbeit zwischen der Humanistischen Union und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie. Gelegentlich tauschen Helga Killinger, Geschäftsführerin der HU, und ich, Sekretärin des Komitees, uns aus. Gemeinsam geben die Bürgerrechtsorganisationen Gustav-Heinemann-Initiative, Humanistische Union und Komitee die Zeitschrift "vorgänge" heraus.

Es ist also etwas anderes. Ich habe, schlicht gesagt, ein zwiespältiges Verhältnis zu Ehrungen. Was ich tue, tue ich aus Überzeugung für die Sache. Dabei bin ich keine Einzelkämpferin. Vielmehr brauche ich die politische Geselligkeit und das gemeinsame, ebenso kämpferische wie gewaltfreie Engagement mit Gleichgesinnten.

Ohne die Freundinnen und Freunde, ohne ihr Mittun, hätte ich mich wahrscheinlich auch nicht vor die Raketen in Mutlangen oder anderswo zu setzen getraut. Wenn ich zurückblicke auf mein politisch aktives Leben, erinnere ich mich überwiegend an gegenseitige Hilfe und gegenseitiges Mut machen.

Mag die Wahrnehmung von Problemen zum Teil gewechselt haben und mögen sich Wege getrennt oder mögen nicht wenige aufgegeben haben, dafür sind andere hinzugekommen: Nie war das mühsame Tun, das meist auch seine freundlichen Seiten hatte, ein isoliertes oder gar ein privates.

Mein innerer Widerstreit im Falle einer solchen Ehrung kommt also, wie ich annehme, aus meinem Gefühl der Verbundenheit mit den anderen. Ohne Euch hier, ohne die Freundinnen und Freunde, die heute nicht dabei sein können, die uns aber anerkennende Briefe geschrieben haben, ohne Gruppen wie die Humanistische Union, wie das Komitee, wie die Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen, ohne die Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung, ohne die Pressehütte ohne die Naturfreundegruppe in Offenbach, die mir meine ersten politischen Impulse für den späteren Lebensweg gegeben hat und mit der ich bis heute verbunden bin, ohne das Odenwälder Friedensforum, ohne das jetzige friedenspolitische Engagement im ehemaligen Jugoslawien, also kurz ohne uns alle, würde für mich der Preis, würde jede Ehrung ihren politischen Sinn verlieren.

Also gehört der heute mir und Klaus verliehene Fritz-Bauer-Preis ebenso Euch wie uns beiden.

In diesem Sinne danke ich der Humanistischen Union, dass sie mit uns beiden zwei Leute ehrt, für die zugleich eine große Gruppe von Freundinnen und Mitstreitern steht. Einzelne können in bestimmten Situationen in eine Vorbildrolle geraten und sich selbst und andere leichter ermutigen, auch dann nicht aufzugeben, wenn es um die gemeinsame Sache nicht gerade gut steht. Aber wer gegen den herrschenden Strom schwimmt, gegen Endsolidarisierung, gegen Gewaltpolitik, gegen Umweltzerstörung oder ähnliches wird weggerissen, wenn er sich von einer Gruppe isoliert, gerade auch dann, wenn er mit einem Abstand so weit vorne schwimmt, dass ihn die Nachfolgenden aus den Augen verlieren. So sehe ich meine Rolle heute mit der freundschaftlichen Bürde des Fritz-Bauer-Preises als Herausgewählte aus einer wie auch immer verzwickt miteinander in Liebe und Solidarität verbundenen politischen Familie.

Mit dieser Grundeinstellung will ich nicht alles, was wir tun, schon gar nicht die Vielfalt, in der wir unsere politischen Anknüpfungspunkte suchen und finden, und auch nicht das Mehr oder Weniger, wie wir uns einsetzen, zu einem Einheitsbrei verrühren. Denn die Vielfalt unserer bürgerrechtlichen und gewaltfreien Motive ist, wenn sie nicht in Konkurrenz umschlägt, gerade für einen freien, gemeinsamen Weg unverzichtbar, weil jede Einheitsfront, jedes Lager- und Blockdenken im kleinen in eine Sackgasse und im großen in Katastrophen führt.

Mir ist zu all dem ein Lied eingefallen, das wir oft bei den Naturfreunden, aber auch anderswo, zum Beispiel bei Friedensdemonstrationen, gesungen haben. Der Text dieses Liedes könnte, wie es für die meisten solcher Wunsch- und Hoffnungslieder gilt, von einem "klarsichtigen Analytiker" ohne große Mühe als unrealistisch abgetan oder gar der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Doch so wichtig mir selbst ein klarer Kopf ist, wenn es um die Auseinandersetzung mit Fakten und Problemen geht, so wenig will ich mir das Träumen nehmen lassen. Deshalb dieses Lied, dieser Traum als eine kleine Ermutigung ohne die ich nicht handeln könnte.

Das Lied von den Kranichen

Die Kraniche fliegen im Keil,
so trotzen sie besser den Winden.
So teilen sie besser die Kräfte, weil
Die Stärkeren fliegen im vorderen Teil,
und die Schwachen, die fliegen hinten.

Und kommen die Kraniche an
Am Ziel ihrer Reise, dann haben
Die Stärkeren größere Arbeit getan
Und loben die Schwächeren hinten an,
die doch auch ihr Bestes gaben.

Dann essen die Kraniche Fisch
Soviel, wie die Mägen verlangen.
Die Stärkeren, die haben nicht mehr für den Tisch als
Die Schwachen vom guten, silbernen Fisch
In den Teichen am Ziel sich gefangen.

Laßt uns wie die Kraniche sein,
dass wir unser Möglichstes geben:
Die Starken in Groß und die Schwachen in Klein
Und trinken am Abend den gleich teu’ren Wein
Auf ein noch viel besseres Leben.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

Quelle:  vorgänge 136 (Heft 4/1996) S. S. 114- 115.

Veröffentlicht am

08. Dezember 2001

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