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Umsetzung der SDG-Ziele: Die Schweiz als Bremse

Durch Rohstoffimporte und Niedrigsteuerpolitik behindert die Schweiz die Entwicklung ärmerer Länder. Dabei könnte sie ihr Verhalten ohne Einbußen ändern.

Von Andreas Zumach

Die Schweiz lebt stärker als jedes andere Land der Welt auf Kosten der anderen Länder. Niemand hindert die anderen so stark daran, die 2015 von der UNO beschlossenen nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) bis 2030 zu erreichen. Zu diesem Ergebnis gelangt die Bertelsmann-Stiftung in ihrem diesjährigen Report zur Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der 17 SDGs in 160 der 193 UNO-Mitgliedstaaten.

Für den diesjährigen Bericht untersuchten die AutorInnen jedes Land auf "negative Spill-over-Effekte". Gemeint sind die Kosten, die ein Land pro Kopf seiner Bevölkerung in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit für die übrige Weltgemeinschaft verursacht.

Auf Platz 1 der Negativliste der zehn größten Kostenverursacher steht die Schweiz knapp vor Singapur und mit größerem Abstand vor Luxemburg. Auf den weiteren Plätzen der Negativ-Top-Ten folgen die Vereinigten Arabischen Emirate, Mauritius, die Niederlande, Kuwait, Großbritannien, die USA und Norwegen.

Konsum und Bankgeheimnis problematisch

Zur Ermittlung der negativen Spill-over-Effekte dienten den AutorInnen des Reports unter anderem folgende Fragen und Kriterien: Was löst die nationale Volkswirtschaft eines Landes durch ihre Verflechtungen mit der Außenwelt aus? Wie wirkt sich ihr Handeln für die Umwelt, die Wirtschaft, die Finanzen, die Regierungsstabilität und die Sicherheit der anderen Länder aus?

Wie belastend sind die Produktions- und Konsumstrukturen für andere Länder - beispielsweise bei Palmöl- oder Sojaimporten, die Waldrodungen in tropischen Ländern verstärken? Hier schneidet die Schweiz besonders schlecht ab. Denn sie besitzt fast überhaupt keine eigenen Rohstoffe und muss daher auch im Vergleich mit anderen Industriestaaten überproportional viel importieren.

Besonders negativ ins Gewicht fallen auch die eidgenössische Tiefsteuerpolitik und das Bankgeheimnis. Sie verleiten zur Veruntreuung ausländischer Staatsgelder und zu Korruption. Bewertet wird auch das Engagement der reichen Länder bei der Entwicklungshilfe, damit sich die armen Länder aus der Armutsfalle befreien können. Dieses Engagement ist in der Schweiz gemessen am Bruttoinlandsprodukt des Landes sehr gering.

Im Bereich Sicherheit beurteilt die Bertelsmann-Studie beispielsweise negative Folgen der Exporte von Kleinwaffen. Auf diesem Gebiet hatte die Schweiz im letzten Jahr durch einen Parlamentsbeschluss sämtliche Restriktionen ausdrücklich aufgehoben, etwa das Verbot von Waffenexporten in Länder mit schweren Menschenrechtsverletzungen.

Möglichkeit, Verhalten zu ändern

Der Reichtum der Schweiz, gemessen an dem hohen Pro-Kopf-Einkommen seiner Bevölkerung, ist laut dem Report nicht ausschlaggebend für die Kosten, die anderen Ländern aufgebürdet werden. Schweden rangiert trotz eines mit der Schweiz vergleichbaren Einkommensniveaus erst auf Platz 25 der größten Kostenverursacher und Dänemark, eines der reichsten Länder der Welt, sogar erst auf Platz 39.

Die AutorInnen folgern daraus, dass die Schweiz und andere reiche Länder mit hohen negativen Effekten für die übrige Weltgemeinschaft durchaus die Möglichkeit hätten, ihr Verhalten zugunsten anderer Länder ohne Einschränkung des eigenen Wohlstands zu ändern.

Die Bertelsmann-Stiftung erstellt den jährlichen Report seit 2015 gemeinsam mit dem UN-Netzwerk "Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung" (Sustainable Development Solutions Network, UNSDSN) unter Vorsitz des US-amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs.

Das 2012 vom damaligen UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gegründete Netzwerk aus Umwelt-und KlimaaktivistInnen, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und VertreterInnen der Privatwirtschaft soll lokale, nationale und globale Strategien für eine nachhaltige Entwicklung und zur Eindämmung des Klimawandels erarbeiten.

Quelle: taz - 24.07.2019. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

26. Juli 2019

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