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Appell an Frau Merkel, die Opfer von Kunduz endlich zu entschädigen

10 Jahre nach dem Massaker der Bundeswehr an der Zivilbevölkerung am Kunduz-Fluss appelliert IALANA Deutschland an Frau Merkel, die Opfer endlich zu entschädigen

"Übernehmen Sie endlich die politische Verantwortung und sorgen Sie persönlich dafür, dass die Opfer und Hinterbliebenen des von der Bundeswehr in der Nacht vom 3. zum 4. September 2009 angeordneten Massakers an der Zivilbevölkerung in Kunduz eine angemessene Entschädigung bekommen", fordern Otto Jäckel und Karim Popal von IALANA Deutschland von Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesregierung am 10. Jahrestag des von dem damaligen Oberst Klein befohlenen Bombenangriffs auf zwei Benzin-Tanklastwagen am Kunduz-Fluss.

"Ich weiß kaum noch, wie ich den Opfern und Hinterbliebenen bei meinen Reisen nach Afghanistan vor Ort verständlich machen soll, warum sie nach 10 Jahren Prozessführung vor deutschen Gerichten immer noch kein Geld bekommen", erklärt der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal, der die Opfer anwaltlich betreut. Nach der Ausschöpfung des Rechtswegs vor den Zivilgerichten ist das Schadensersatzverfahren seit über drei Jahren bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig.

Am 3. September 2009 hatte ein Taliban-Kommando in der Nähe von Kunduz zwei Tanklastwagen in seine Gewalt gebracht und waren auf der Flucht auf einem unbefestigten Weg am Ufer des Kunduz stecken geblieben. Aus den umliegenden Ortschaften kamen darauf Männer, Frauen und Kinder mit Kanistern, Eimern und Töpfen, um sich aus den Tankwagen Benzin mitzunehmen. Der damalige regionale militärische Befehlshaber der Bundeswehr, Oberst Klein - inzwischen General im Bundesverteidigungsministerium - hatte Luftunterstützung bei der US Air Force angefordert und die beiden Tankwagen mit zwei 500 Pfund Bomben bombardieren lassen.

Weit über hundert Zivilisten waren dem Flammeninferno zum Opfer gefallen. Dabei hatte Klein die militärischen Einsatzrichtlinien für solche Fälle grob missachtet. Auf die Frage der US-Piloten, ob die Soldaten Kleins sich in einem Gefecht mit den Taliban befänden, hatte er bewusst die Unwahrheit gesagt und die Frage bejaht. Auf die weitere Frage der Piloten, ob es sich bei den Menschen an den Tankwagen um bewaffnete Taliban-Kämpfer handele, hatte er ebenfalls mit "Ja" geantwortet. Eine "Show of Force", das heißt ein dichtes Überfliegen der Szenerie, um die Menschen zu vertreiben, hatte Klein abgelehnt und das direkte Bombardement angefordert.

Im Schadensersatzverfahren hatten Landgericht und Oberlandesgericht der Darstellung des Verteidigungsministeriums Glauben geschenkt, wonach es Klein darum gegangen sei, einen von ihm vermuteten akuten Angriff mit Hilfe der Tankwagen auf das in der Nähe liegende Lager der Bundeswehr abzuwehren. Bezüglich seiner Angabe, es handele sich bei den Menschen vor Ort um bewaffnete Männer, habe er sich in zulässiger Weise auf die Auskünfte von Personen verlassen, die einen Überblick auf die Szenerie gehabt hätten. Um welche Zeugen und Gewährsmänner es sich dabei handeln sollte, blieb allerdings im Dunkeln.

Der seinerzeitige Bundesverteidigungsminister Jung hatte damals Erklärungen über den Vorfall abgegeben, ohne die Faktenlage studiert zu haben und musste zurücktreten. Seine Formulierung in der Rücktrittserklärung, wonach er den Feldjägerbericht zwar gelesen, aber nicht zur Kenntnis genommen habe, ist inzwischen legendär geworden.

Als Schadensersatz hatte die Bundesregierung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Schuldeingeständnis an 90 Opferfamilien jeweils 5.000 Dollar gezahlt. Nach einer Auswertung des Bundesverteidigungsministeriums aus dem Jahre 2015 zahlte die Bundeswehr für sogenannte "Kollateralschäden" in Afghanistan für ein getötetes Kamel 1.000 Dollar, für ein erschossenes Pferd 2.500 Dollar und für zerstörte Autos jeweils 10.000 Dollar.

"Die Summe, die die Bundesregierung bisher für die in Kunduz getöteten Menschen gezahlt hat, kann man danach nur als skandalös bezeichnen. Vor meinen afghanischen Landsleuten muss ich mich für die Bundesregierung schämen", erklärt Popal. Der Bremer Anwalt fordert 39.000 Euro für jeden Getöteten.

"Es ist eine Zumutung für die Betroffenen und beschämend für Deutschland, dass die Bundesregierung sich gegen angemessene Zahlungen durch alle Instanzen wehrt und bis jetzt immer noch nicht dazu bereit ist, auf die Opfer zuzugehen. Dies muss 10 Jahre nach dem Massaker am Kunduz-Fluss ein Ende haben", so Jäckel abschließend.

Quelle:  IALANA - Pressemitteilung vom 03.09.2019.

Veröffentlicht am

07. September 2019

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