Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Zeit für ein prophetisches Friedenszeugnis

Solidarische Kirche im Rheinland zur EKD-Synode im November 2019

Strukturen des Todes - globale Bewegung für das Leben

1 | Die EKD-Synode in Dresden vom 10.-13.11.2019 steht in Verantwortung vor Gott, der ganzen menschlichen Familie und allen nach uns kommenden Generationen. Sie kann in Dankbarkeit der weltweiten Jugendbewegung für das Leben auf diesem Planeten ihr Gehör schenken. Die "Strukturen des Todes", die die Lebensgrundlagen unserer Gattung und aller Wesen bedrohen, gehen einher mit der Religion des Geldes und der Heilslehre des Militärischen. Das Diktat einer ultimativ aggressiven Wirtschaft kann im globalen Maßstab nur noch mit Gewalt aufrechterhalten werden. Die entsprechende Kriegsapparatur entzieht der Weltgesellschaft alle geistigen und materiellen Ressourcen, die wir so dringend zur Lösung der großen Zivilisationsfragen benötigen. Gleichzeitig ermöglicht und produziert der Militärkomplex ökologische Verheerungen von unbeschreiblichem Ausmaß. Die Folgen des Klimawandels werden das massenmörderische Zivilisationsprogramm "Töten statt Teilen" zur Höchstform treiben, sofern wir uns nicht radikal von der "Logik des Militärischen" verabschieden.

Wir müssen uns entscheiden: Jesus und die Kraft der Gewaltfreiheit

2 | Auf diese so nie dagewesene geschichtliche Herausforderung können wir nicht antworten mit Resolutionen, die keinem wehtun, oder inhaltsleeren Kompromissformeln. Wir müssen uns schon entscheiden. Die Menschen erwarten - zu Recht - ein prophetisches Zeugnis mit Folgen für die gesamte kirchliche Praxis (einschließlich der Liturgie). Eine Mehrheit hält es bereits für ausgemacht, dass die Gattung homo sapiens auf suizidale Weise enden wird. Dem steht das christliche Zeugnis der Menschwerdung entgegen. Zu beginnen ist also mit Jesus von Nazareth, der durch ihn offenbarten möglichen Schönheit des Menschen und einer am Evangelium ausgerichteten Friedenstheologie. (Nicht einzusehen ist hingegen, warum Synoden jene "friedensethische Papierproduktion" fortsetzen sollten, die das Denken der vorherrschenden Weltsysteme nicht transzendiert und in den letzten Jahrzehnten dem Rad der rasanten Militarisierung auch an keiner Stelle in die Speichen gefallen ist.) Die überlegene Intelligenz und Kraft der Gewaltfreiheit steht im Zentrum jedes christlichen Nachsinnens über einen neuen Zivilisationskurs. Der wider alle geschichtliche Erfahrung propagierte Mythos von "menschenfreundlichen Kriegseinsätzen" ist empirisch, aber auch im Horizont der biblischen Religionskritik zu entmythologisieren. Sämtliche Budgets der Weltgesellschaft müssen unter dem Vorzeichen von "Gewaltfreiheit und Gerechtigkeit" umgewidmet werden (u.a. Prävention, Konfliktlösung und Schutzstrategien in radikaler Abkehr vom bankrotten Militärdenken). Zum Erfordernis der christlichen Diakonie gehören kirchliche Werkstätten zur Einübung aktiver gewaltfreier Strategien, die allen Menschen und Bewegungen im Widerstand gegen die "Strukturen des Todes" offenstehen.

Abkehr von jeglicher Kriegskirchlichkeit - Prüfstein "Weltgemeinschaft"

3 | Auf dem Weg hin zu einer Kirche des gerechten Friedens sind grundlegende Bereiche im Verhältnis zum Staat neu zu bestimmen. Auszugehen ist vom historischen Abgrund der in zwei Weltkriegen geleisteten Kriegsbeihilfe der deutschen "Kirchen", über den alle Glieder der Kirche aufgeklärt werden müssen. Die auf der Grundlage von selektiver, z.T. wahnwitziger Bibellektüre entwickelte Irrlehre über einen angeblich göttlich verordneten Gehorsam gegenüber der staatlichen Obrigkeit ist zu dekonstruieren, ebenso die Herrschaftsdoktrin über sogenannte "gerechte Kriege". Sämtliche Einlasspforten einer möglichen Korrumpierung sind zu schließen: Eine staatliche Besoldung von Amtsträger*innen, die im Dienst der Getauften stehen, darf es auf keiner kirchlichen Ebene mehr geben. Alle staatskirchlichen Strukturen von Militärseelsorge (Militärkirchenwesen) sind zu ersetzen durch eine rein kirchliche Seelsorge für Soldaten (ohne staatliche Gehaltszahlungen). Im Gefolge der "Ökumenischen Erklärung" von 2006 ( https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/aktionen/004080.html ) ist unmissverständlich klarzustellen, dass Militärdoktrinen im Dienste nationaler Wirtschaftsinteressen oder geostrategischer Machtpolitik und zur Abwehr der Armen auf dem Globus mit einer christlichen Friedensvision unvereinbar sind. Es ist nicht die Aufgabe einer mit der weltweiten Christenheit verbundenen Synode, in nationalkirchlicher Manier irgendwelche Voten zugunsten der reichen Länder oder gar der entsprechenden militärischen Interessensbündnisse (u.a. NATO, europäische Ebene) abzugeben. Die in der UN-Charta 1945 beurkundete Friedensvision einer vom Recht geleiteten Völkerwelt bleibt alternativlos. Sie muss endlich bewahrheitet werden durch eine durchgreifende Reform der Vereinten Nationen sowie durch neue - leibhaftige - Wirklichkeiten der dialogischen Verbundenheit der Weltgesellschaft auf politischer, ökonomischer und kultureller Ebene. Abzuwehren ist selbstredend jegliche Beteiligung am "UNO-Bashing", das stets nur der weiteren Aushöhlung des Völkerrechts und den Agenten einer neuen militärischen "Geopolitik" zuarbeitet.

Absage an die Todesindustrien und den "Gott der Atombombe"

4 | Eine glaubwürdige Friedenssynode wird angesichts der überlebenswichtigen Einschmelzung der profitbringenden Kriegsökonomien die Propaganda zu einer angeblichen "Mangelausrüstung" der westlichen Militärapparate und das Mantra einer angeblich alternativlosen Aufstockung der Militärhaushalte entlarven. Die Kirche darf der Aufrüstung unseres reichen und mächtigen Landes nicht assistieren. Sie muss sich gleichzeitig auch auf der Ebene der Rüstungsprojekte der perversen Militarisierung der "Europa-Idee" entgegenstellen. Damit die kirchliche Kritik am verfassungswidrigen deutschen Rüstungsexportkomplex keine Sonntagsrede bleibt, muss die Synode zu einer Boykott-Praxis wider die entsprechenden Produktionen und Exporte aufrufen. Nicht nur "autonome Waffensysteme" - als Gipfel der totalitären Militärtechnik-Revolution - sind zu ächten. Als Christen*innen müssen wir wieder lernen, ausnahmslos alle Technologien zu demaskieren, die auf eine möglichst effiziente Tötung von möglichst vielen Menschen (oder ferngelenkte Hinrichtungen an jedem beliebigen Ort) und andere Verbrechen wider die Menschheit zielen. - Insbesondere würde es 75 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki geradezu lächerlich wirken, wenn Synoden heute noch immer durch Entscheidungsverzicht dem Nuklearwaffenkomplex beistehen und keine kompromisslose Absage an den "Gott der Atombombe" aussprechen. Die Ökumene der Getauften ächtet gemeinsam mit allen Menschen guten Willens die Konstruktion, Herstellung, Verbreitung, Lagerung und Stationierung von Atomwaffen; ebenso die Bereitstellung von Logistik zum Einsatz der Massenmordbomben - sowie jegliche direkte oder indirekte Beteiligung an der Drohung mit Nuklearwaffeneinsatz und erst recht natürlich am Einsatz der gotteslästerlichen Waffe. Konkrete Forderungen in unserem Land: Sofortiger Abzug aller Atomwaffen (mit anschließender Zerstörung); ersatzloses Ende der bestehenden "nuklearen Teilhabe"; keine irgendwie geartete Mitverfügung oder Partizipation an Atomwaffen-Macht (z.B. in einem gemeinsamen europäischen Militärkomplex); keine wissenschaftliche oder industrielle Zuarbeit für Nuklearwaffentechnologie im Ausland. Wir erwarten, dass die Synode der Friedensnobelpreisträgerin ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear weapons) ihren Dank ausspricht, sich vorbehaltlos zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag (2017) bekennt, hierbei die gegenteilige Praxis der deutschen Regierung beklagt und allen Gliedern der Kirche auferlegt, politische Entscheidungen zugunsten der Atombombenbesitzer auf dem Globus zu sabotieren.

Mut zum Reden - oder: Schweigen

5 | Sollte sich die Synode - aus welchen Gründen auch immer - nicht berufen sehen zu einem prophetischen Zeugnis, das auch den Konflikt mit den politisch Mächtigen nicht scheut, so wäre sie gut beraten, anstelle etwaiger Beschluss-Fassungen demütig zu schweigen.

SoKi-Arbeitsgruppe - Köln, 16.10.2019
https://solidarischekirche.de/

Veröffentlicht am

21. Oktober 2019

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