Es grüßt die preußische VereinspolizeiInnenpolitik Kontrolle politischer Verbände ist nicht neu. Mit der Prüfung der Gemeinnützigkeit kann sie nun wieder eingeführt werden.Von Ulrike Baureithel Der Verein ist die Wärmestube des deutschen Michels. Dessen Vereinsmeierei ist sprichwörtlich, und sie hat einen historischen Grund. In der napoleonischen Ära und in der Zeit nach der gescheiterten Revolution von 1848 zogen sich Bürger und Arbeiter in unverdächtige Zusammenschlüsse zurück, um ihre politischen Anliegen weiter voranzutreiben. Nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht allerdings war Vereinen jegliche politische Betätigung verboten, sie unterstanden der Kontrolle der Vereinspolizei. Eine Vereinspolizei gibt es heutzutage nicht mehr, diese Aufgabe übernehmen inzwischen die Finanzbehörden, die mittels Aberkennung der Gemeinnützigkeit und anderer Maßnahmen versuchen, jenen Vereinen das Wasser abzugraben, die mehr wollen als Jodeln, Schrebern oder Wohltätigkeiten Austeilen. Den Anfang machte im Februar der Bundesfinanzhof (BFH), als er der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannte, im Oktober folgte Campact, in beiden Fällen mit der Begründung, diese verfolgten keinen unmittelbar gemeinnützigen Zweck, sondern allgemeine politische Ziele. Anmerkung Lebenshaus-Redaktion: Der Anfang mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit wurde allerdings nicht erst im Februar 2019 durch den Bundesfinanzhof (BFH) gemacht. Dem voran ging im konkreten Fall von Attac der Entzug der Gemeinnützigkeit im Jahr 2014 durch das Finanzamt Frankfurt/Main. Aber der Entzug der Gemeinnützigkeit bzw. auch die Nichtgewährung bei eher linksorientierten Vereinen hat eine jahrzehntelange Tradition. Ein paar Beispiele hat z.B. Eckart Spoo in einem Artikel in der Zeitschrift Ossietzky im Jahr 2010 aufgeführt: Kann nur der Kapitalismus gemeinnützig sein? (Ossietzky Nr. 16/2010). Nun hat es sogar die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) getroffen. Ihr wurde Anfang November vom Finanzamt Berlin die Gemeinnützigkeit entzogen, und ihr droht - ähnlich wie Attac und Campact - eine Nachforderung im fünfstelligen Bereich. In eine andere Kerbe schlug jüngst der BFH, als er dem Bistro einer Behindertenwerkstatt untersagte, mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu wirtschaften. In solchen "Nebengeschäften" von Vereinen jedoch finden viele Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz. Der Entzug der Gemeinnützigkeit hat für die betroffenen Vereine fatale Wirkungen: Spenden sind steuerlich nicht mehr absetzbar und bestimmte Fördermittel, auf die kleinere Organisationen angewiesen sind, können nicht mehr abgerufen werden. Unter Druck geraten, kündigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz während seiner Kandidatentour für den SPD-Vorsitz deshalb an, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren und die Abgabenordnung zeitgemäßer zu gestalten. Zunächst jedoch ließ er wissen, Vereinen, die nur Männer aufnehmen, künftig die Gemeinnützigkeit entziehen zu wollen, vom Männergesangsverein bis hin zur historischen Bruderschaft oder getarnten Kampfsporttruppe. Mehr Frauen dürften sich allerdings davon diskriminiert fühlen, dass sie von den lukrativen männlichen Erwerbsspielplätzen ferngehalten werden als vom männerintonierten Platzkonzert. Erinnert sei stattdessen daran, dass Scholz’ Partei einmal aus den politisch verfolgten Arbeitervereinen - zu denen Frauen übrigens nicht zugelassen waren - hervorgegangen ist und dass deren Mitglieder sich, wenn sie die Nazi-Zeit überlebt hatten, der VVN anschlossen, um dort ihren Beitrag für ein antifaschistisches Deutschland zu leisten. Ebenso wie die vielen jungen Leute dem Gemeinwesen dienen, die sich in Vereinen für Klimaschutz oder Menschenrechte einsetzen - politische Ziele, die die Abgabenordnung bisher nicht als "gemeinnützig" ausweist. Dass Olaf Scholz sie nun aufspalten will in rein gemeinnützige Organisationen, die sich nur im Hintergrund politisch betätigen dürfen, und steuerlich begünstigte "Politische Körperschaften" wie Attac, zielt auf eine Schwächung der Zivilgesellschaft und erinnert, ja, Herr Scholz!, an die einstige preußische Vereinspolizei. Quelle: der FREITAG vom 29.11.2019. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Weblinks zu aktuellen Petitionen:
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