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Neue Waldbrände rund um Tschernobyl: Ärzteorganisation sorgt sich um gesundheitliche Folgen

Seit dem 3. April brennt der Wald in unmittelbarer Nähe des havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl. Die Ärzteorganisation IPPNW sorgt sich um die Gesundheit der Menschen in der Region. Laut Greenpeace Russland sollen zwischenzeitlich mehr als 40.000 Hektar von den Bränden betroffen gewesen sein und das Feuer auf bis zu einem Kilometer an den Sarkophag herangekommen sein, der den Großteil der hoch-radioaktiven Überreste des Super-GAUs vom April 1986 umschließt. Die IPPNW ruft die Bundesregierung dazu auf, auf EU-Ebene unbürokratische Unterstützung für die Ukraine zu organisieren, damit die Brände rasch unter Kontrolle gebracht und künftig Vorkehrungen getroffen werden können, um die Gefahr von Waldbränden zu minimieren.

Nach begrenzten Regenfällen Anfang dieser Woche war es der Feuerwehr vorläufig gelungen, die Brände zurückzudrängen, sodass nur noch von vereinzelten Schwelbränden gesprochen wurde. Hohe Windgeschwindigkeiten und Trockenheit haben am Donnerstag jedoch erneut zu Ausbrüchen von großflächigen Waldbränden geführt. Bei starken Winden in südöstliche Richtung ist auch die 100 Kilometer südlich von Tschernobyl liegende ukrainische Hauptstadt Kiew mit ihren 2,8 Millionen Einwohnern potentiell von den radioaktiv kontaminierten Rauchwolken betroffen. Die Regierung registrierte vier temporäre Erhöhungen der Hintergrundstrahlung in der Stadt und riet den Bewohnern am 15. April dazu, ihre Häuser wegen des Rauchs der Waldbrände in den Morgenstunden nicht zu verlassen, streitet aber bislang ab, dass eine Gefahr durch Radioaktivität bestehen würde.

Der IPPNW-Co-Vorsitzende und Tschernobyl-Experte Dr. Alex Rosen nahm heute zu der erneut eskalierten Situation in der Ukraine Stellung:

"Seit genau zwei Wochen brennt die radioaktive Sperrzone rund um Tschernobyl. Die mehr als 1.000 Feuerwehrleute mussten gestern wieder starke Rückschläge in ihrem Kampf gegen die Brände hinnehmen. Wenn es jetzt von Seiten der Regierung in Kiew heißt, dass der radioaktive Rauch keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt, so ist dies erst einmal als Wunschvorstellung und Beruhigungsmaßnahme für die Bevölkerung zu verstehen", so Dr. Rosen.

Belastbare Messdaten sind bislang nicht veröffentlicht worden. Wir gehen davon aus, dass aktuell substantielle Mengen an Radioisotopen mobilisiert werden. Der Wald in der Sperrzone rund um Tschernobyl ist auch 34 Jahre nach dem Super-GAU weiterhin stark radioaktiv kontaminiert.

Radioisotope wie Strontium-90 und Cäsium-137 haben Halbwertszeiten von 28 und 30 Jahren. Die flüchtigen Partikel können sich nach Einatmung im Körper absetzen und dort zu Krebserkrankungen führen. Waldbrände in Tschernobyl haben in der Vergangenheit immer wieder radioaktive Isotope über die Grenzen der Sperrzone hinaus befördert. Der menschengemachte Klimawandel trägt durch lange Trockenzeiten mit dazu bei, die Waldbrandgefahr zu erhöhen.

Unsere besondere Sorge gilt aktuell den Frauen und Männern der Feuerwehr, aber natürlich auch den Menschen in den vom radioaktiven Niederschlag betroffenen Gebieten im Dreiländereck Russland, Weißrussland und Ukraine. Für viele von Ihnen dürften die Satellitenbilder von radioaktiven Wolken über ihren Ländern Erinnerungen wecken an die Zeit Ende April vor 34 Jahren. Wir fürchten, dass auch zum Jahrestag nächstes Wochenende die Feuer noch nicht gänzlich unter Kontrolle sein könnten."

Diese Brände bergen weit über die Grenzen der Ukraine hinweg Gefahren für Mensch und Natur. Wie damals in 1986 hängt das Schicksal der Bevölkerung von der Richtung des Windes ab. Es ist, als würde uns Tschernobyl kurz vor dem Jahrestag des Super-GAUs erneut daran erinnern wollen, wie dauerhaft die Schäden und Gefahren der Atomenergie sein können."

Quelle: IPPNW - Pressemitteilung vom 17.04.2020.

Veröffentlicht am

18. April 2020

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