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Manipulation mit dem Reproduktionsfaktor R

Sicher kennen Sie aus den Medien der letzten Tage "Erzählungen", die ungefähr folgendes besagen: "Aufgrund zu früher, leichtsinniger Lockerungen der Corona-Maßnahmen hat die Krankheit wieder an Boden gewonnen. Die Reproduktionszahl steigt wieder. Jeder Infizierte steckt also mehr als einen weiteren Menschen an. Es droht eine zweite Welle von Corona-Erkrankungen. Vielleicht sind also wieder härtere und strengere Maßnahmen nötig." Bei solchen Aussagen kann einem leicht der Verdacht kommen, Politik, Leitmedien und eingebettete Wissenschaftler könnten sich so gar nicht vom Shutdown lösen und wollten die Angstmache so weit es geht verlängern, weil sich die Menschen damit leichter steuern lassen. Dies aber wäre reine (Verschwörungs-)Theorie. Es bräuchte schon Belege dafür, dass die Angaben zur Reproduktionszahl falsch sind. Der nachfolgende Text gibt Hinweise darauf, dass dem tatsächlich so sein könnte. Wie das Robert Koch-Institut selbst einräumte, stieg die Anzahl der Infizierten in den letzten Tagen schlicht deshalb, weil mehr Tests durchgeführt wurden. Der Brief wurde verfasst von Prof. Christof Kuhbandner, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie VI. der Uni Regensburg.

Redaktion Hinter den Schlagzeilen

Von Christof Kuhbandner

Liebe Alle,

Sie haben es sicher mitbekommen: Das RKI ist aktuell mit der Message in den Medien unterwegs, dass aktuell die Reproduktionszahl R wieder steigen würde, was laut RKI an den bundesweiten Lockerungsmaßnahmen liegen würde (z.B.: SPIEGEL-Online: "Corona-Ansteckungsquote: Robert Koch-Institut schätzt Reproduktionszahl R auf 1,1" ).

Das ist - man muss es in meinen Augen so sagen - eine unfassbare Irreführung des Bürgers.

Am 6. Mai wurden vom RKI ja die Richtlinien geändert, wer getestet werden soll. Von da an werden alle Personen mit respiratorischen Symptomen jeder Schwere getestet ( "Maßnahmen und Testkriterien bei COVID-19-Verdacht" ), unabhängig davon, ob es irgendwelche zusätzlichen Risikofaktoren gibt (letzteres ist die Änderung, vorher musste eine Person zusätzlich zu Symptomen Risikofaktoren aufweisen). Zudem wird inzwischen zunehmend in der Breite völlig unabhängig von Symptomen getestet, wie die Medienberichte zu Testungen im Bereich des Fußballs ( "DFL: Zehn Corona-Infektionen in der 1. und 2. Liga" ) und im Bereich der Schlachthöfe zeigen - hier lässt beispielsweise Schleswig-Holstein die Belegschaften aller großen Betriebe im Land testen ( "Corona-Ausbruch in weiteren Schlachthöfen: Mehr Kontrollen und Tests" ).

Durch die damit verbundene deutliche Ausweitung der Tests - in den Wochen davor wurden ja bis zu 60% der vorhandenen Testkapazitäten nicht genutzt ( "Wohin mit den Testkapazitäten? - So bleiben bisher Infizierte unerkannt" ) - werden natürlich deutlich mehr Infektionen entdeckt. Deswegen haben sich aber nicht mehr Personen als vorher angesteckt, sondern die erhöhte absolute Anzahl an gefundenen Infektionen spiegelt nur die Ausweitung der Tests wider.

Deswegen ist es absolut irreführend, wenn das RKI hier von einem "gestiegenen R" spricht. In Wirklichkeit spiegelt das gestiegene R nur die Ausweitung der Tests wider.

Frappierender Weise ist das dem RKI durchaus bewusst. So schreiben die Autoren des Fachartikels zum Nowcasting-Modell vom RKI, auf dem die Schätzung des R beruht, in ihrem Fachartikel im Epidemiologischen Bulletin ( "Schätzung der aktuellen Entwicklung der SARS-CoV-2-Epidemie in Deutschland" ):

"Ein weiterer Aspekt ist aber auch, dass in Deutschland die Testkapazitäten deutlich erhöht worden sind und durch stärkeres Testen ein insgesamt größerer Teil der Infektionen sichtbar wird. Dieser strukturelle Effekt und der dadurch bedingte Anstieg der Meldezahlen, kann dazu führen, dass der aktuelle R-Wert das reale Geschehen etwas überschätzt." (Das Wort "etwas" ist hier allerdings etwas untertrieben!).

Es ist ein echter Skandal, dass das RKI nach wie vor bei der Schätzung der Reproduktionszahl R den Faktor der Testanzahl nicht berücksichtigt. Denn dann würde man nicht nur sehen, dass das R in Wirklichkeit im März kaum gestiegen ist, sondern auch, dass das R aktuell in Wirklichkeit weiter sinkt.

Meiner Meinung nach müsste man diese Punkte so breit wie möglich und sobald wie möglich in die Öffentlichkeit tragen. Deswegen wäre meine Bitte an Sie, dass Sie all Ihre Kontakte nutzen, um das in den Medien richtigzustellen. Ich habe bereits all meinen Medienkontakten entsprechend geschrieben.

Herzliche Grüße
Christof Kuhbandner

Prof. Christof Kuhbandner, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie VI. der Uni Regensburg

Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 13.05.2020.

Veröffentlicht am

13. Mai 2020

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