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Von der Gutgläubigkeit zum Bleichmittel Clorox - wie wir den Totenkult endgültig hinter uns lassen

Wissenschaftler der ganzen Welt sehen die Menschheit jetzt hoffnungsvoller. Wir können diesem Wandel den Rücken stärken und eine neue Revolution aufbauen.

Von Michael Nagler

Als ich vor zwei Jahren den Präsidenten und seine Anhänger mit Jim Jones verglich Der Peoples Temple, Volkstempel, war eine von Jim Jones geführte neureligiöse Gruppe, die 1978 in Jonestown, Guyana, Massenselbsttötung verübte., dachte ich nicht, dass viele außer mir so weit gehen würden. Ich hoffte damals tatsächlich, dass die Ereignisse mich widerlegen würden. Unglücklicherweise ist der Vergleich unvermeidbar geworden und andere Autoren haben dieselbe Beobachtung gemacht. "Donald Trump ist der Jim Jones unter den amerikanischen Präsidenten", schreibt Chauncey DeVega .

Zum Beispiel war Trumps neue Empfehlung, die Leute sollten sich Desinfektionsmittel spritzen, wie viele erkannten, der reine Wahnsinn. Aber hinter diesem Wahnsinn steht eine teuflische Methode. Ein Arzt warnte: "Auf diese Weise töten sich die Menschen." Ein anderer Arzt, der Psychotherapeut John Gartner, schreibt in seinem Beitrag im Sachbuch The Dangerous Case of Donald TrumpUntertitel: 27 Psychiater und Experten für seelisch-geistige Gesundheit beurteilen einen Präsidenten. 31. Oktober 2017., das zum Bestseller wurde, rundheraus: "Die psychische Störung zwingt ihn unaufhaltsam, viele Menschen zu verwunden und zu töten, darunter auch seine eigenen Anhänger." Die Tode, die seine Untätigkeit (und fantastischen Lügen) angesichts der Pandemie verursacht hätten, seien kein einfacher Lateralschaden von Trumps Politik, sondern "die logische Folge seiner offensichtlichen psychischen Störungen."

Was können wir dagegen tun?

Sekten brauchen einen "charismatischen" Führer. Sie brauchen Anhänger, die fantastische Glaubensüberzeugungen schlucken und - wenn es sich um einen Selbstmord-Kult handelt - mit der perversen Anziehung des Bösen harmonieren. Gleichzeitig brauchen sie jedoch noch etwas anderes, wenn sie mehr als eine Verzierung werden sollen: Sie brauchen eine Kultur, in der alle Menschen die Heiligkeit des Lebens aus dem Blick verloren haben. Psychopathische "Führer" erstehen zweifellos von Zeit zu Zeit und ebenso einige Anhänger, die sich aus Enttäuschten zusammensetzen, aber in einer gesunden Kultur, in der die Menschen ein starkes Gefühl für die Bedeutung des Lebens entwickelt haben, fassen diese Samen keine Wurzeln. In einer gesunden Kultur werden sie keinen anziehen und ihre Anhänger werden nur für sich selbst eine Gefahr darstellen (es sei denn, sie greifen zur Gewalt). Und genau hier auf der kulturellen Ebene finden wir auch eine gewissen Einfluss, das Phänomen beherrschen zu lernen und hoffentlich sein Ende erleben.

Vor etwa einem halben Jahrhundert, am 4. April 1967, warnte Martin Luther King in seiner berühmten Rede in der Riverside Church: "Eine Nation, die Jahr für Jahr mehr Geld für die militärische Verteidigung als für soziale Programme ausgibt, nähert sich dem spirituellen Tod." Was haben wir seitdem erlebt?

  • Totenköpfe "schmücken" Autofenster, Motorräder, Kleidung und menschliche Körper.
  • Die Anzahl der Horrorfilme nimmt zu und in extrem vielen Filmen spielen Schauspieler tatsächlich "tote" Charaktere.
  • Halloween ist immer mehr von einem feierlichen Fest zur Ehre der Toten zu einer makabren Feier der Zwillings-Übel Geld und Tod verkommen. Es ist jetzt ein größerer nationaler Feiertag (und ein größeres Geschäft) als Weihnachten, das seinem Wesen nach das Fest des Lebens ist.
  • Der Präsident unterstützt stillschweigend oder offen Gouverneure, die wirklich und wahrhaftig behaupten, die Menschen sollten froh sein, dass sie ihr Leben für die Wirtschaft aufs Spiel setzen dürften. Einer hat jedenfalls gesagt, der Tod sei gut, denn er würde mit den Alten und Kranken "aufräumen". Kein Wunder, dass einige meinen, der Präsident "nazifiziere" die Republikanische Partei.
  • Der Präsident identifiziert sich begeistert mit den zerstörerischten Helden unserer sehr zerstörerischen Popkultur.

Wir haben versäumt, Kings Warnung vor dem spirituellen Tod zu beherzigen, und sie erweist sich heute als nur allzu berechtigt.

Und doch - obwohl die Kräfte des Todes schwer daran arbeiten, die Pandemie dafür auszunützen, die Demokratie weiter auszuhöhlen - erleben wir, wie sich Mut und Widerstandsfähigkeit in der Krise zu aller Staunen in Taten niederschlagen: Nachbarn achten auf Nachbarn und bringen ihnen Essen; der unglaubliche Mut derer, die an vorderster Front arbeiten, und der wichtigen Männer und Frauen, die Dienste verrichten, ganz zu schweigen von den 22.000 meist jungen Leuten, die freiwillig Impfstoffe an sich testen lassen und dabei ihr Leben riskieren; ein italienischer Priester, der sein Leben für einen jüngeren Menschen opfert und viele weitere ähnliche Fälle. Wir erleben Beispiele von Widerstandskraft, die als Samen für eine neue Zukunft dienen können, zum Beispiel die kleinen Gemeinden und die Menschen die backen oder Gartenbau betreiben. Gandhi nannte das "Brot-Arbeit", Tausch-Wirtschaften. Das kleine Dorf in Nordkalifornien, in dem ich lebe, hatte schon ein Radionetzwerk eingerichtet, das bei Feuer und anderen Katastrophen des Klimawandels eingesetzt wurde. Jetzt wurde das Netzwerk so ausgeweitet, dass jedes Gemeindemitglied, das Hilfe brauchen könnte, daran angeschlossen ist. Jeden Donnerstag bringe ich Erzeugnisse unseres Gartens zu der Essensausgabe, in der jetzt Hochbetrieb herrscht, und viele von denen, die das können, fabrizieren Masken.

Das ist die Natur des Menschen. Aber es entspricht nicht unserer gegenwärtigen Kultur. Ich zum Beispiel bin mit dem Roman Herr der Fliegen (1954 engl.) aufgewachsen. Er erzählt eine fiktive, äußerst entmutigende Geschichte über die angeblich dem Menschen innewohnende Grausamkeit. Noch meine Kinder mussten das Buch in der Schule lesen. Es wurde zu einem Bestseller und natürlich zu einem ebenso erfolgreichen Film. In der letzten Woche wurde im Guardian von einem Ereignis berichtet, dessen Ausgangsbedingungen denen im Roman sehr ähnlich waren - nur das Ergebnis hatte keine Ähnlichkeit mit dem unheilvollen Roman. 1965 wollten sechs australische Teenager der Langeweile in der Schule entfliehen und "liehen sich" ein kleines Boot, um zu einer nahe gelegenen Insel zu rudern. Aber ein Sturm erfasste ihr Boot und sie strandeten auf einer unbewohnten Insel, auf der sie 15 Monate lang bleiben mussten. Von Anfang an war ihnen klar, dass sie dort eine Weile festsitzen würden, und das erste, was sie nach der Landung taten, war das Aufstellen für Regeln für einen "Aussetzer", wenn es so aussehen würde, als ob sich ein Konflikt zusammenbraue. In diesen 15 Monaten regierten sie sich friedlich und demokratisch selbst. Das war natürlich kein Stoff für einen "aufregenden" Film, aber es ist ein Stoff des wirklichen Lebens.

Die Natur des Menschen kann unterdrückt werden - eben das tun wir aus einigen Gründen in unserer jetzt auch politischen Popkultur -, aber sie kann doch niemals ausgeschaltet werden. Etwas in uns wird immer das Leben dem Tod vorziehen, ganz gleich, wie laut Gewalt im kulturellen Nachhallraum dröhnt. Und dieses hoffnungsträchtige Element in uns kann als politische Kraft mobilisiert werden. Der Studentenführer des erfolgreichen serbischen Otpor!-Aufstandes im Jahr 2000 Srda Popovic erklärte, wie es kam, dass sie gewannen: "Sie waren auf der Seite des Todes, wir waren auf der Seite des Lebens."

Und jetzt geschieht es, dass es im morbiden kulturellen Nachhallraum heiser klingt. Rutger BregmanIm Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit. Aus dem Niederländischen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2020. Leseprobe: file:///C:/Users/Ingrid/AppData/Local/Temp/LP_978-3-498-00200-8.pdf., der das Buch über den wahren Herrn der Fliegen schrieb, bemerkt: "Seit Jahrhunderten wird die westliche Kultur von der Idee durchdrungen, dass Menschen selbstsüchtige Kreaturen seien. Dieses zynische Bild vom Menschen wurde in Filmen und Novellen, Geschichtsbüchern und wissenschaftlichen Untersuchungen verkündet. Aber in den letzten 20 Jahren ist etwas Außerordentliches geschehen: Forscher aus aller Welt haben zu einer hoffnungsvolleren Sicht auf die Menschheit umgeschaltet. Diese Entwicklung ist noch so jung, dass viele Forscher auf verschiedenen Gebieten noch nicht einmal voneinander wissen."

Wir können uns hinter diesen Wandel stellen und eine Revolution aufbauen. Das können wir, indem wir entschlossen das Leben dem Tod vorziehen, wo und wann immer das möglich ist. Wenn einer Biologieunterricht gibt, dann soll er seinen Schülern nicht beibringen, einen Frosch zu sezieren (d.h. ihn zu töten), um seine inneren Organe zu untersuchen - Computermodelle tun es auch. Denkt darüber nach, ob ihr nicht vielleicht Vegetarier werden solltet. Setzt euch nicht der entmutigenden Botschaft der populären Medien aus. Seid sorgsam in euerm Sprachgebrauch. Ich bin zusammengezuckt, als ein Freund kürzlich von einem Restaurant erzählte, das einen "Lachs, für den man sterben könnte", anbot. Abgesehen von der Tatsache, dass wir es lieber hätten, wenn der Lachs weiterleben würde, können wir uns neu für eine solche nachlässige Redeweise sensibilisieren, die unbewusst die verdrehten Prioritäten verstärkt, von denen Selbstmord-Kulte nur ein extremer Ausdruck sind. Auf diese einfache Art können wir auch andere wieder für die Schönheit des Lebens erwecken und das wird die Politik so verändern, dass sie unsere Sensibilität widerspiegelt: Umwandlung der Strafgerichtsbarkeit in wiederherstellende Gerechtigkeit, schrittweise Einführung der vielen gewaltfreien Ersatzhandlungen für Krieg und so weiter.

Und wir können Gewaltfreiheit studieren, tatsächlich müssen wir das. Auch wenn wir mit der Pandemie kämpfen, müssen wir uns für einen härteren Kampf bereit machen, den Kampf gegen die Tagesordnung derer, die schon damit begonnen haben, die Pandemie als "Schock-Lehre" zu missbrauchen, um die Zerstörung unserer am meisten wertgeschätzten demokratischen Institutionen fortzusetzen. Sie schüren bewusst oder unbewusst die Besessenheit vom Tod, um diese unheilvolle Tagesordnung zu fördern. Wie der Präsident neulich sagte, es sei etwas "Wunderschönes", zu sehen, wie die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sich auf ihre Toten stürzen. Eine Nation nähert sich dem spirituellen Tod, wenn sei vom Krieg besessen ist, wenn er zur einzigen Metapher für jede Herausforderung wird. Eben das ist der physische Tod und eben jetzt wird er euch durch Clorox, Hydroxychloroquin und anderem nahe gebracht. (Gartner vergaß zu erwähnen, dass die Führer des Todeskultes ihren eigenen Tod mit derselben Bereitwilligkeit annehmen). Der Tod der Politik ist die Diktatur, denn das der Demokratie zugrundliegende Prinzip ist schließlich die Heiligkeit jedes Menschen, eines jeden Lebens. Unser Widerstand wird aus eben diesem Prinzip schöpfen.

Allerdings ist eine Aussage wie "Wir waren auf der Seite des Lebens, sie waren auf der Seite des Todes" nicht ratsam. Sie stachelt die Gegenseite nur zu noch mehr Wut an und führt zu noch größerer Uneinigkeit. Das, was wir mit Worten und Taten aussagen, kann subtiler und wirkungsvoller sein. Wir können die Heiligkeit des Lebens dadurch stärken, dass wir die Vielfalt in der Natur und in der Menschheit wertschätzen. Wie Gandhi sagte: "Selbst Unterschiede erweisen sich als hilfreich, wenn Toleranz, Nächstenliebe und Wahrheit herrschen." Wir können die Bedeutsamkeit von Geld und Materialismus herunterspielen, Mitgefühl auch mit unseren Gegnern zeigen und vor allem die Wissenschaft und andere Aspekte des Paradigmenwechsels unterstützen, auf den Bregman hinweist.

Eine kulturelle Gesinnung wirkt unter der Oberfläche; darum hat es so lange gedauert zu erkennen, dass unsere Popkultur die treibende Kraft hinter den politischen und den damit verbundenen Katastrophen ist, denen wir jetzt ausgesetzt sind. Das heißt jedoch nicht, dass wir nicht die Absicht haben könnten, sie zu verändern. Die in einer Kultur vorherrschende Geschichte oder Gesinnung gründet sich auf die Gesinnung der Einzelnen, unter ihnen einflussreiche Leute, die viele andere beeinflussen können. Die politischen Entscheidungen einer Gesellschaft gründen sich, grob gesagt, auf die Entscheidungen ihrer einzelnen Mitglieder. Und wir befinden uns hier nicht in einem Vakuum. Gandhi weist darauf hin: "Die Tatsache, dass die Menschheit immer noch besteht, zeigt, dass die Kraft des Zusammenhalts größer als die Zerstörungskraft ist." Wir alle haben unsere jeweils eigene Einflusssphäre, in der wir die wichtige Entscheidung treffen können, ob wir Zusammenhalt der Zerstörung und Leben dem Tod vorziehen wollen. Wir entscheiden uns für das Leben.

Dieser Text wurde im Metta Center for Nonviolence verfasst.

Michael Nagler ist emeritierter Professor der klassischen und vergleichenden Literatur der University of California, Berkeley. Dort hat er das Friedens- und Konfliktforschungs-Programm mitbegründet. Außerdem ist er Gründer des Metta Center for Nonviolence und Autor des preisgekrönten Buches Search for a Nonviolent Future. Sein neuestes Buch: The Third Harmony: Nonviolence and the New Story of Human Nature.

Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler

Quelle: Waging Nonviolence . Originalartikel: From Kool-Aid to Clorox - how to leave the death cult behind us for good . Eine Vervielfältigung oder Verwendung des Textes in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist unter Berücksichtigung der Regeln von Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) möglich.

Fußnoten

Veröffentlicht am

08. Juni 2020

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