AKW Fessenheim vom NetzIPPNW begrüßt Abschaltung des ältesten französischen AtomreaktorsDie Ärzteorganisation IPPNW begrüßt die endgültige Abschaltung des ältesten französischen Atomreaktors Fessenheim 2 in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2020. Das Atomkraftwerk, das in unmittelbarer Nähe zur deutschen und schweizerischen Grenze steht, wurde 1978 ans Netz angeschlossen und ist somit über 42 Jahre gelaufen. Die umliegenden Städte Freiburg (D), Strasbourg (F) und Basel (CH) hatten sich über viele Jahre für eine frühzeitigere Abschaltung eingesetzt. In Fessenheim ereigneten sich weit mehr als 200 meldepflichtige Vorfälle. Ein externer Stresstest zeigte zuletzt substantielle Sicherheitsdefizite auf. So stellt die Lage der sicherheitstechnischen Systeme unterhalb des Niveaus der Rheinkanals ein Überflutungsrisiko dar. Gerade durch den mehrfachen Super-GAU in Fukushima war deutlich geworden, was für eine wichtige Rolle der Positionierung der Sicherheitssysteme im Fall einer Naturkatastrophe zukommt. Auch wurde die Erdbebensicherheit des Kraftwerks bemängelt, die geringer ist als bei allen deutschen Atomkraftwerken. Hinzu kommt, dass in Fessenheim die Notkühlung bei Störfällen von einem einzelnen Vorratsbehälter abhängig ist und die Kapazität der Notstrombatterien für den Fall eines allgemeinen Stromausfalls gerade mal eine Stunde beträgt. Ursprünglich war die Abschaltung des Reaktors bereits vor vier Jahren vorgesehen, doch immer wieder vertagt worden. Der Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW, Dr. Alex Rosen, dazu: "Die Abschaltung des AKW Fessenheim war längst überfällig. Trotz erheblicher Sicherheitsmängel und der mehr als 200 Störfälle überwogen bei den Betreibern offenbar immer wieder kurzfristige wirtschaftliche Interessen gegenüber dem Wohl, der Gesundheit und der Sicherheit der Bevölkerung. 2,5 Millionen Menschen leben im Umkreis des Pannenmeilers Fessenheim. Mehr als 15 Städte, Gemeinden und Kantone hatten die Betreiber nach Fukushima gedrängt, das Kraftwerk frühzeitig abzuschalten. Jetzt, neun Jahre nach dem Super-GAU in Japan, wurden im Elsass endlich die Konsequenzen gezogen. Es ist Zeit, dass die restlichen Atomkraftwerke in Europa ebenfalls schnell stillgelegt werden. Deutschland könnte hier mit gutem Beispiel vorangehen und nicht erst bis Ende 2022 warten, um den letzten Reaktor vom Netz zu nehmen." In Deutschland sind weiterhin sechs Atomkraftwerke am Netz: Brokdorf (Schleswig-Holtstein), Grohnde (Niedersachsen), Gundremmingen C (Bayern), Isar 2 (Bayern), Emsland (Niedersachsen) und Neckarwestheim (Baden-Württemberg). Die ersten drei sollen Ende 2021 abgeschaltet werden, die anderen dann Ende 2022. Mit dem Abschalten eines Atomkraftwerks ist die Gefahr eines Super-GAUs allerdings noch nicht gebannt. Die radioaktiven und stark wärmeproduzierenden Brennelemente müssen langfristig in sogenannten Abklingbecken gekühlt und gegen externe Einflüsse wie Anschläge, Naturkatastrophen oder Hackerangriffe geschützt werden, bevor sie dann, voraussichtlich gegen Ende des Jahrhunderts, in ein langfristiges unterirdisches Lager überführt werden können. In dieser Zeit stellen sie weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, denn ein Stromausfall, ein Verlust von Kühlflüssigkeit oder ein anderer technischer Defekt kann, wie im Abklingbecken des AKW Fukushima Dai-ichi 4 geschehen, zu einer unkontrollierbaren Situation mit starker Hitzeentwicklungen, Explosions- und Brandgefahr und dem Austreten großer Mengen Radioaktivität führen. Die Abklingbecken und Zwischenlager befinden sich in Deutschland meist am Standort der Atomkraftwerke selber und sind somit über fast die ganze Republik verteilt. Auch die mittel- und schwachradioaktiven Stoffe stellen eine Gefahr dar und müssen aufwändig aus dem Kraftwerk entfernt und gesondert in Zwischenlager gesichert werden, bevor sie dann in ein unterirdisches Lager überführt werden können. Gering radioaktive Materialien des Kraftwerks sollen nach Wunsch des Gesetzgebers aufwändig abgetrennt und entweder auf normale Mülldeponien befördert oder ins Wertstoffrecycling überführt werden. Die IPPNW warnt seit vielen Jahren vor den unüberschaubaren Risiken für die öffentliche Gesundheit durch diesen Prozess des "Freimessens". Der Kinderarzt Dr. Rosen erinnert anlässlich der Abschaltung des AKW Fessenheim an die Gefahr von Radioaktivität besonders für Kinder: "Radioaktivität ist für jeden Menschen eine Gefahr und kann zahlreiche Erkrankungen, vor allem Krebsleiden, auslösen. Als Gesellschaft müssen wir uns jedoch vor allem auf den Schutz der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen konzentrieren und das sind Schwangere, bzw. das ungeborene Leben, Säuglinge und Kleinkinder und die vielen, vielen Menschen, die aufgrund anderer Erkrankungen kein funktionierendes Abwehrsystem haben, um sich gegen krebserregende Stoffe zu schützen. Von Fukushima und Tschernobyl wissen wir, dass Strahlung nicht an Grenzen haltmacht. Solange in Europa Atomkraftwerke betrieben werden, bleibt das Risiko eines Super-GAU bestehen. Daher ist es wichtig, dass Deutschland den Atomausstieg wirklich ernst nimmt und neben den Reaktoren auch die Urananreicherung in Gronau und die Brennstäbefertigung in Lingen einstellt. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland Atomkraftwerke abschalten und gleichzeitig an belgische oder französische Pannenmeiler weiter Brennstäbe liefern und somit helfen, deren Laufzeiten noch zu verlängern." Quelle: IPPNW - Pressemitteilung vom 30.06.2020. 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