Mit Rechten redenVon Ullrich Hahn - Thesen für eine Arbeitsgruppe auf der Jahrestagung 2018 des Versöhnungsbundes 1. Niemand muss mit "Rechten" oder anderen ihr/ihm unsympathischen Menschen reden wollen. Das schützt aber nicht davor, von ihnen angesprochen zu werden. Dann sollten wir zumindest in der Lage sein, angemessen zu reagieren. Im Übrigen sind wir meistens schon in einem inneren Gespräch mit ihren Positionen. Manche Antworten hierauf liegen bereits in unserem Gedankenspeicher. 2. Weil wir Gewalt gegen Menschen ablehnen, andererseits aber unrechte, oftmals auch menschenverachtende Positionen nicht widerspruchslos hinnehmen wollen, sind das Wort und das Gespräch die wichtigsten Mittel, die uns zur Verfügung stehen (Joh 1,1: "Am Anfang war der Logos - das Wort, die Vernunft, das Gespräch …"). 3. Soll das Gespräch mehr sein als ein Protestschrei oder ein Zwischenruf, bedarf es hierfür der passenden Situation und der Bereitschaft des Gegenübers. Wo eine ganze Gruppe oder Menge hinter Fahnen und Transparenten marschiert, ist nicht der rechte Zeitpunkt und der richtige Ort, ebenso auch nicht die öffentliche Podiumsdiskussion oder das Internet. "Dialog mit Anhängerinnen der AfD und anderer rechter Kreise ist notwendig, dieser sollte aber in Settings stattfinden, wo er nicht zur Legitimation dieser rechten Positionen missbraucht werden kann."SCHWEITZER, Christine: Gegen Querfronten und Anbiederungen. In: Friedensforum(3/2018). https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/gegen-querfronten-und-anbiederungen . 4. Wenn noch nicht die Zeit für ein Gespräch gekommen ist, kann es notwendig sein, in anderer Weise einzugreifen, dazwischen zu treten oder sich auch nur abzuwenden. Wir können unserem Widerspruch körperlichen Ausdruck verleihen, wo Worte (noch) nicht am Platz sind. Die gewaltfreie Aktion bietet aber selten für sich eine Lösung, sondern kann bestenfalls das Gespräch vorbereiten. Deshalb sollten solche Aktionen auch so gestaltet sein, dass ein späteres Gespräch möglich bleibt: "Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen."KANT, Immanuel: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (Hg. von Rudolf Malter), Stuttgart: Reclam 1984. 5. Die intensivste und intimste Form des Gesprächs ist der Dialog zwischen zwei Personen auf Augenhöhe. Hier treten sich Ich und Du gegenüber; das Gespräch geschieht nicht über die andere Person, dem Es, sondern mit ihr. Im Dialog wird der andere Mensch als Einzelner wahrgenommen. Dies ist dann auch der erste Schritt ihn aus der Gruppe zu lösen. 6. Ziel des Gesprächs ist nicht ein Sieg, sondern zunächst ein beiderseitiges besseres Verstehen. Dabei können beide Seiten auch ihre Angst überwinden, sich überhaupt auf ein Gespräch über ihre gegensätzlichen Positionen einzulassen. Noch vor der Sachdiskussion über eine Reihe von Themen kann es im Gespräch darum gehen, Denk- und Wahrnehmungsstrukturen zu hinterfragen.Vgl. dazu WERNICK, Susanne: AI-Journal 04/05 (2018), S. 71. 7. Im Kennenlernen des einzelnen Menschen und seiner persönlichen Motive wird deutlich, dass die Nähe und die Distanz zum jeweiligen Parteiprogramm oder zu manchen Parolen durchaus verschieden sind. Für manche Aussagen schämen sich selbst eingeschriebene Mitglieder. "In jeder Partei ist einer, der durch sein gar zu gläubiges Aussprechen der Parteigrundsätze die übrigen zum Abfall reizt".NIETZSCHE, Friedrich: Menschliches, allzu Menschliches. Sechstes Hauptstück: Der Mensch im Verkehr Nr. 298 (online unter www.zeno.org ). 8. "Populismus macht mir Angst, natürlich. Aber wissen Sie, was meine zweitgrößte Sorge ist? Die antipopulistische Rhetorik. Weil diese Rhetorik den perfekten Feind konstruiert, um den Status quo zu legitimieren, in einem Moment, da der Status quo sich verändert und sich auch verändern sollte. Je mehr man diesen Leuten unterstellt, sie seien Faschisten, desto mehr werden sie es auch. Diese Leute haben keine Identität, sie haben keine gemeinsame politische Ideologie. Wie jeder Mensch sind sie voller Widersprüche. Sagt man ihnen immer wieder, wer sie sind, dann erschafft man damit eine Identität, die sie annehmen werden. Sie wissen nicht, wer sie sind, und werden zu dem, was die anderen schon immer von ihnen dachten."SPIEGEL-Gespräch: Nationalismus, Wut und Populismus - der bulgarische Politologe Ivan Krastev erklärt die Spaltung Europas am Beispiel Deutschlands. In: Spiegel Nr. 4/2018, S. 117. 9. Zur Vorbereitung des Gesprächs mit "Rechten" bedarf es keiner genauen Analyse der einzelnen Gruppierungen und ihrer Abgrenzung. Unsere Überlegungen gelten nicht anders auch für andere Parteien als der AfD. Sie gelten auch für das Gespräch mit religiösen Fundamentalisten, Verschwörungstheoretikern und anderen Leuten, die uns und anderen Menschen das Leben schwermachen wollen. 10. Vorbereitet sind wir für solche Gespräche, wenn wir selbst eine begründete Meinung zu den Themen haben, die von rechter Seite in die politische Auseinandersetzung eingebracht werden. Aus dem Wahlprogramm der AfD sind dies u.a. die Flüchtlinge, die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit, der Islam, die Vorstellungen von Heimat, Volk und deutscher Kultur, unsere Identität etc. Dafür bedarf es nicht notwendig der Kenntnis vieler Daten und einzelner Informationen. Es genügen oftmals einfache menschenrechtliche Grundhaltungen. Als Pazifisten haben wir einen roten Faden, der uns durch eine solche Auseinandersetzung führen kann. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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