Bericht von der Lebenshaus-Tagung “We shall overcome” 2020aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 107, Dezember 2020 Der gesamte Rundbrief Nr. 107 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 575 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren In dieser Corona-Zeit ist Vieles, wie wir ja alle mehr oder weniger schmerzhaft erleben, keine Selbstverständlichkeit mehr. Für uns als Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie hat das unter anderem Auswirkungen auf unsere geplanten Veranstaltungen gehabt, von denen wir einige ausfallen lassen mussten. Umso mehr freut es uns, dass wir am 17. Oktober unsere 8. Tagung "’We shall overcome!’ Gewaltfrei für die Vision einer Welt ohne Gewalt und Unrecht" im evang. Gemeindehaus in Gammertingen durchführen konnten. Wir waren zwar bis zuletzt gespannt, wie viele Menschen sich anmelden und dann auch wirklich kommen würden. Aber schließlich waren wir bei der Tagung 31 Menschen. Und wir waren froh, dass wir an ihrer Durchführung festgehalten haben. Viele Teilnehmende meldeten zurück, dass sie die Tagung als sehr anregend, bewegend und ermutigend empfunden hätten. Abends gab es noch ein schönes Konzert mit Thomas Felder und am Sonntag für eine kleinere Gruppe eine Albwanderung. Schriftliche Zusammenfassung der Vorträge durch Axel Pfaff-SchneiderVon Axel Pfaff-Schneider Thomas Felder: "Von Wegen, die nicht amtlich ausgeschildert sind"Thomas Felder ist jemand, der fest in der Region und im Schwäbischen verwurzelt ist. Viele kennen ihn als aktiven Streiter und engagierten Künstler in der Friedensbewegung. Im Rahmen von Lebenshaus-Veranstaltungen hatte er auch schon einige Konzerte gegeben, z.B. zu mehreren unserer Vereinsjubiläen. Er selbst feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. So lag es nahe, ihn als Künstler und politisch bewegten Menschen endlich auch selbst zu unserer Tagung einzuladen, in der Gewissheit, dass er so manches erlebt hat und zu berichten weiß. In der ihm eigenen Art startete Thomas seinen Vortrag mit einer Vorbemerkung: Das Bild vom "Gutmenschen", vom engagierten Friedenskämpfer, der sich immer und überall einmischt, um den Globus zu retten, dieses Image passe nicht auf ihn und seine Biographie! Seine Lieblingsbeschäftigung war immer das künstlerische Spiel mit Formen und Farben, mit Musik und Wort, mit Stimme und Instrument. Tätigkeiten des Alltags, Wandern, gutes Essen und Trinken, Gespräche und Unternehmungen im Familien- und Freundeskreis liegen ihm näher als politische Auseinandersetzungen. Im Verlauf seines Beitrags schilderte er dann jedoch etliche politische Aktionen und Aktivitäten, und man konnte sich am Ende wundern, wie er da überall hineingeraten war und manches selbst initiiert hat, so als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Eigentlich wollte Thomas Lehrer werden und studierte Kunst und Anglistik in Stuttgart und London. Ein ganzes Schuljahr verbrachte er in der britischen Hauptstadt als Hilfslehrer an zwei Gymnasien. Zum Abschied gab er ein kleines Konzert, um sich anschließend von einem Schüler bestätigen zu lassen, was eigentlich schon länger klar war: "Mr. Felder, you are not a teacher, you are a singer!" Thomas kam 1953 als Nachkriegskind im evangelischen Pfarrhaus in Hundersingen (heute Münsingen) zur Welt. Sein Vater war schwerkriegsbeschädigt und hat - so berichtete Thomas - ihn nachhaltig durch Wort und Tat geprägt. Seine musikalische Begabung wurde von klein auf gefördert. So erwartete der Vater u.a. von ihm schon im Alter von sechs Jahren, wenigstens einen dreistimmigen Choral vom Blatt zu spielen, womit ihn Thomas jedoch enttäuschen musste und seitdem mit Noten auf Kriegsfuß steht. Was Thomas auch prägte, waren Erlebnisse und Eindrücke vom Münsinger Truppenübungsplatz mit Geschützdonner als alltäglicher Geräuschkulisse, und mit Platzpatronen übenden Soldaten überall in der Gegend. Unvergesslich für ihn waren auch die Volkstrauertage am Kriegerdenkmal und das Schluchzen der Witwen und Mütter um ihre verlorenen Männer und Söhne. Einen ganz besonderen Eindruck hinterließ jedoch ein Besuch in der psychiatrischen Anstalt Schloss Grafeneck. Dort lieferte sein Vater jedes Jahr an Erntedank die Altarspenden persönlich ab. Und bei einer dieser Fahrten war der kleine Thomas dabei. Nachdem sie ausgeladen hatten, zeigte ihm sein Vater unweit des Hauptgebäudes einen Schuppen und schilderte ihm lebhaft, wie dort nur wenige Jahre zuvor behinderte Menschen grausam getötet worden waren. Wie sehr das den Buben beeindruckt haben muss, war in Thomas´ sichtlich bewegtem Vortrag deutlich spürbar. 1966 wechselte Thomas in das kirchliche Internat Michelbach/Bilz bei Schwäbisch Hall. Anfang Februar 1968 wurde der damals 14-jährige zu seiner ersten Demonstration angestiftet. Ein älterer Mitschüler erklärte den jüngeren, es gäbe in Berlin eine aufständische, gewalttätige Studentenbewegung mit der Bezeichnung SDS, und deren Anführer Rudi Dutschke käme nun auch nach Schwäbisch Hall. In den folgenden Ausführungen von Thomas profitierten wir als Zuhörer*innen sehr von Thomas’ Wort-Kunst. Anschaulich und geradezu erheiternd ließ er die Szenerie auf dem Marktplatz von Schwäbisch Hall lebendig werden und machte so nachvollziehbar, wie er am Ende von Dutschkes Rede immer deutlicher merkte, dass er auf der falschen Seite stand. Dieses erste Erlebnis weckte Thomas’ politisches Interesse und mit der Zeit wurde er aktiver. Er und einige andere erkannten, wie weit sie noch von gelebter Demokratie entfernt waren, und wie sie sich beispielsweise als Schüler der Lehrer-Willkür ausgeliefert sahen. Sie wollten Mitverantwortung übernehmen und beteiligten sich an einem bundesweiten Schüler-Streik. Im Jahr 1970 hatte er das Glück, mit der ersten offiziellen deutschen Jugendgruppe nach Israel reisen zu dürfen. Der frischgebackene Staat Israel hatte zu einem künstlerischen Austausch mit Gleichaltrigen in Jerusalem eingeladen. Auf diesem "Art Camp" sang Thomas sein erstes eigenes Lied in einem Radiosender. Die ihm dort vermittelten Eindrücke ließen Thomas vorübergehend an seinem Entschluss zweifeln, den Kriegsdienst zu verweigern. Er berichtete sogar davon, dass er damals beeindruckt war von einem Kampfjet der Bundeswehr mit Namen Starfighter. Je mehr aber davon abstürzten, desto schneller zerbröckelten seine Überlegungen, ob er sich zum Wehrdienst verpflichten sollte. Bildberichte aus Vietnam dokumentierten die Sinnlosigkeit von Krieg auf das Schrecklichste. Ihm wurde bewusst, dass die Spirale des Horrors keine Naturkatastrophe ist, sondern von Menschen ausgedacht, befohlen und in die Tat umgesetzt wird. So verweigerte er den Kriegsdienst und wurde in erster Instanz anerkannt. Den Zivildienst musste er jedoch nicht antreten, weil er aus gesundheitlichen Gründen als nur "eingeschränkt tauglich" eingestuft worden war. Nach dem Abitur begann Thomas an der Stuttgarter Kunstakademie ein Studium für das Lehramt an Gymnasien. Mit dem Studium ließ er sich jedoch Zeit, weil er quasi nebenher Musik machte und seine eigenen Lieder auf Schallplatten veröffentlichte. Konzert mit Thomas Felder34 Zuhörende hatten sich trotz der coronabedingten Einschränkungen nicht davon abhalten lassen, Thomas Felder anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums zu erleben. Was er am Morgen in seinem Tagungsbeitrag inhaltlich hatte anklingen lassen, wurde nun lebendige Kunst. Er präsentierte raffinierte Wortspielereien, unterhielt mit dadaistischen Geschichten und seinen ausdrucksstark intonierten Liedern in breitestem Schwäbisch, wie zum Beispiel dem Lied vom "Butzlomba". In diesem Lied wird in witziger Weise politisches Handeln karikiert. Natürlich durfte der begleitet von der Drehleier gesungene "Strafbefehl" nicht fehlen, der 1983 das bemerkenswerte Zitat des Staatsanwalts hervorgebracht hatte: "Gerichtssprache ist deutsch und nicht gesungen". Einige andere seiner eher leisen, nachdenklichen Lieder sorgten für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Zum Abschluss sang Thomas Felder, aufmerksam belauscht von den drei anwesenden Kindern, das Lied vom Fuchs im Hühnerstall. 1979, im Jahr seines Staatsexamens, kam im Eigenverlag die dritte und meistverkaufte LP heraus: Lang braucht zom komma. Wegen der großen Nachfrage und der zahlreichen Konzerte, Rundfunk- und Fernsehsendungen beschränkte Thomas seinen Lehrerberuf auf einen Tag in der Woche, vormittags am Gymnasium und abends an der Pädagogischen Hochschule in Reutlingen. Diese Hochschule war ein lebendiger Ort mit politischer Diskussion und reger Kulturszene. So kam er dort auch in Kontakt mit Aktionsgruppen der Anti-Atom- und Friedensbewegung und beteiligte sich an einigen gewaltfreien Aktionen. Die neu gegründete Partei Die Grünen unterstützte er 1980 im Wahlkampf und war stolz darauf, mit seinen Liedern zum knappen Einzug in den Landtag Baden-Württembergs beigetragen zu haben. Anfang 1981 sprach sich in der Region immer mehr herum, dass ganz in der Nähe im Wald bei Großengstingen Atomwaffen lagerten. Zu der Zeit war Thomas gerade Vater von Zwillingen geworden und mit der jungen Familie in ein altes Bauernhaus gezogen. Dass vor seiner Haustüre bei Großengstingen ein Raketenartilleriebataillon stationiert war und im dazu gehörigen Sondermunitionslager Golf atomare Sprengköpfe lagerten, verdeutlichte ihm einmal mehr den Ernst der Lage. Die Schwäbische Alb drohte zum Kriegsschauplatz zu werden. Thomas ließ uns erneut mit bildhaften Worten die damalige Situation nacherleben. Die Idee einiger Aktivisten, die Versorgungsstraße zum Lager wenigstens eine Woche lang zu blockieren - rund um die Uhr - mit möglichst vielen Menschen - das wäre ein Signal! Thomas ließ uns nun teilhaben am Entstehen von "Bezugsgruppen", den Vorbereitungen zu der einwöchigen Blockadeaktion im Sommer 1982 und an einigen seiner Erlebnisse während der Blockade. Eine Aktion, die bundesweit für Aufsehen sorgte und zur Blaupause zahlreicher anderer, ähnlicher Blockadeaktionen wurde. Für den Musiker und Aktivisten Thomas ging es im Jahr 1983 vor dem Münsinger Amtsgericht weiter. Dort hatte sich der zuständige Richter Rainer angesichts hunderter Strafverfahren wegen "Nötigung" auf eine Art Fließbandverfahren eingerichtet, was uns nun Thomas voller Schalk detailliert schilderte. Und so kam es zu dem legendären Verlauf seines eigenen Verfahrens, in dem er den Text des Strafbefehls "Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Sie …" laut singend vortrug. Der Richter verließ sofort fluchtartig den Saal. Der Staatsanwalt blieb sitzen, folgte seinem Vortrag mit offenem Mund bis zum Schluss und belehrte danach alle Anwesenden "Gerichtssprache ist Deutsch und nicht gesungen!" Der Satz ging damals durch die Presse und wurde u.a. in der Frankfurter Rundschau als Überschrift zitiert. Für Thomas war und ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass eine ernsthafte Sache, wie z.B. der Widerstand gegen Atomraketen, auch menschlich und humorvoll gestaltet werden kann. In den Folgejahren zog der Tübinger Rechtsanwalt Jürgen Hemeyer ein Musterverfahren durch alle Instanzen bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dort wurde schließlich 1995 entschieden, dass gewaltfreie Aktionen wie in Großengstingen den Tatbestand der Nötigung nicht erfüllten. Es handele sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, welche inzwischen verjährt sei. Trotz dieses juristischen Erfolgs, so räumte Thomas ein, wollte er aber nicht sein ganzes Leben mit Gerichtsverfahren zubringen. 1983 waren die Atomraketen in Großengstingen weiter stationiert geblieben und so waren auch die Aktionen weitergegangen, vor allem in Form von Mahnwachen, Lesungen und Musik. Im Rahmen einer solchen Aktion im Mai 1989 wurde Thomas von einem sächsisch sprechenden Mann angesprochen, der sich als Pfarrer Wonneberger der Lukaskirche in Leipzig vorstellte, wo er regelmäßig Konzerte mit oppositionellen Liedermachern veranstalte. Ohne zu überlegen nahm Thomas eine Einladung an, ohne zu ahnen, dass sein Leipziger Gastspiel ein bescheidener Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung werden sollte. Anlass für die Einladung war der Kirchentag im Juli 1989, den die Ostkirche in Abstimmung mit den Staatsorganen veranstaltete. Kritische Töne waren dort nicht erlaubt. Deshalb organisierte Pfarrer Wonneberger parallel dazu in seiner Lukaskirche einen "statt-Kirchentag". Hier kamen die Oppositionsgruppen zu Wort, und die Gäste aus dem Westen waren Erhard Eppler und Thomas Felder mit dem Thema "nie wieder frieden kriegen". Im Folgenden berichtete Thomas, welche Veränderungen nach Mauerfall und Auflösung der Sowjetunion auch für die Schwäbische Alb sichtbar wurden. Als er am 9. November 1990 mit anderen zur Mahnwache am Atomwaffenlager nach Engstingen fuhr, konnten sie überrascht feststellen, dass der Stacheldraht größtenteils verschwunden war und die Bunker sperrangelweit offen standen. Sie traten in das leere Betongewölbe und fingen vor Freude an zu tanzen und zu singen. Wenige Wochen zuvor, so erfuhr Thomas später vom örtlichen Bürgermeister, waren die Atombomben unter strengster Geheimhaltung in Kisten verpackt und von US-Hubschraubern ausgeflogen worden. Auch die französische Armee beendete ihre Besatzung, räumte den Truppenübungsplatz in Münsingen und übergab ihn an die Bundeswehr. Im weiteren Vortrag führte Thomas nochmal genauer aus, welchen Stellenwert dieser Militärübungsplatz seit 1895 unter den jeweiligen politischen Systemen gehabt hatte, und welche Last und welches Leid er vor allem für die Menschen des von dort zwangsweise geräumten Dorfes Gruorn gebracht hatte. Thomas schilderte uns, wie er, wieder scheinbar ganz selbstverständlich, den damaligen Verteidigungsminister Scharping angeschrieben hatte und anfragte, ob er diesen Raubzug, dieses nationalsozialistische Unrecht, nun fortschreiben oder rückgängig machen wolle. Scharping hat nie geantwortet. Und so wurden Thomas und etliche andere wieder aktiv und begannen, auf dem Truppenübungsplatz das ehemalige Dorf Gruorn kulturell wieder zu beleben. Wenn Thomas aber ein Konzert anmeldete, wurde es regelmäßig verboten; und alle, die das Gelände dennoch mit ihm betraten, erhielten saftige Geldstrafen. So landete Thomas zum Absitzen einer Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis in Tübingen, wenn auch nur für einen Tag. Zum Schluss verwies Thomas noch auf einige andere Themen, wie sein Engagement wegen einem Denkmal für über 100 ältere jüdische Männer und Frauen, die von Nazis in Buttenhausen zwangsweise einquartiert und von dort in Vernichtungslager gebracht und ermordet wurden. Auch Stuttgart 21, Klima-, Flüchtlings- und Corona-Krise zählte er auf, konnte jedoch aus Zeitgründen nicht weiter darauf eingehen. Thomas: "All dies vergrößert die Not, verwirrt und spaltet die Menschenfamilie samt unserer Christenheit. Dabei haben wir eine klare Weihnachts- und Osterbotschaft, die lautet: Fürchtet euch nicht!" Renate Wanie: "Frieden ist eine Kunst. Kultur, Konflikt und Widerstand zugleich."Renate lebt in Heidelberg und ist dort und über die Region hinaus friedenspolitisch aktiv. Den Titel für ihren Beitrag hatte sie einer Tagung des Bundes für Soziale Verteidigung entlehnt und variiert. Mit dieser Überschrift verband sie die Idee, die dort genannten Schlüsselbegriffe auf ihr eigenes Engagement zu übertragen. Insofern war der Bericht weniger chronologisch gegliedert als vielmehr inhaltlich, bereichert jedoch durch zahlreiche Fotos zum jeweiligen Thema. Geboren wurde Renate im Frühjahr des Nachkriegsjahres 1948 in Bad Nauheim/Hessen; aufgewachsen und zur Schule gegangen ist sie in Frankfurt/M. Ihre Eltern haben sie humanistisch (der Vater) und christlich (die Mutter) geprägt. In den 70er Jahren haben feministische Theorien aus der Frauenbewegung und die Politik der undogmatischen Linken (z.B. Komitee für Grundrechte und Demokratie) Einfluss auf ihre politische Haltung genommen. Fragen zu Krieg und Frieden sowie die Atompolitik beschäftigten sie seit Beginn der 80er Jahre während der großen Proteste gegen die Atomraketen-Stationierung. In dieser Zeit lebte sie mit ihrer Familie auf dem Land in der Nähe von Gießen. Kunst spielte für sie und ihren damaligen Mann eine große Rolle. Sie hatten ein ehemaliges Gasthaus mit Tanzsaal gekauft, organisierten dort Kunstausstellungen, Kunsthandwerker*innen-Märkte, aber auch öffentliche Veranstaltungen, wie z.B. die Aufführung der "Dreigroschenoper" mit Schüler*innen eines Gymnasiums. Friedenspolitisch aktiv wurde Renate konkret mit der Gründung der Butzbacher Friedensinitiative. Die Initiative beteiligte sich an Ostermärschen und so manchen spektakulären Aktionen, z.B. an der Besteigung eines eingerüsteten Kirchturms mit einem Transparent zum Thema Abrüstung, vor allem aber gegen die Atomraketenstationierung - hier machte sie ihre ersten Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit Polizei und Behörden. Sie hielt ihre erste Rede mit dem Megafon, verfasste zusammen mit anderen Flugblätter und einiges mehr. Bei der Mitorganisierung eines regionalen Protestes gegen einen NPD-Parteitag seien die Reaktionen der Nachbarn im Dorf zurückhaltend gewesen, nicht wenige hätten die Rollläden heruntergelassen - durchaus im wörtlichen Sinn. Eine besonders prägende Erfahrung machte sie im Widerstand gegen die Atomraketenstationierung 1984, als sie mit einer Gruppe an einem mehrtägigen Friedenscamp im Fulda Gap (Nähe Alsfeld) teilnahm, um sich den Panzermanövern in den Weg zu stellen. Konkret hatte sie sich mit mehreren Protestierenden mitten in der Stadt vor einen anfahrenden Panzer gesetzt. Sie musste dann erleben, wie der empörte Kommandeur dem Fahrer den Befehl zur Weiterfahrt gab, was dieser jedoch nicht tat. Wieviel Mut und Überwindung dazu gehörte, sich in solcher Weise zu exponieren, konnten wir Zuhörer*innen in Renates spürbarer Aufregung nachempfinden. Während eines Aktionstrainings in dieser Zeit habe sie außerdem ihren späteren Lebensgefährten Uli Wohland kennengelernt. Mit ihm lebe sie bis heute zusammen. In dieser Phase entwickelte Renate Gewaltfreiheit zu einer grundlegenden Haltung ihres Lebens, aus der heraus sie Gewalt in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent ablehnt. Ihre erklärte Motivation sind die allgemeinen Menschenrechte und die Menschenwürde als ihre höchsten Werte. Und das möchte sie in ihrem persönlichen und politischen Verhalten zum Ausdruck bringen. Im Alltagshandeln, im politischen Engagement und in der gewaltfreien Aktion möchte sie vorwegnehmen, was sie anstrebt: eine gerechte, ökologische und idealerweise herrschaftsfreie Gesellschaft, in der Konflikte selbstverständlich ohne Gewalt ausgetragen werden. Aus dieser Grundüberzeugung heraus wurde ihr damals klar, dass sie nur in dieser Gesellschaft (über)leben kann, wenn sie etwas gegen Unrecht und Kriegslogik unternimmt. Ihr damaliges Motto war: "Ich mache dabei nicht mit!" Und das hat sich bis heute erhalten. Orientiert an der politischen Philosophin Hannah Arendt, hat sie - so ihre Worte - ihr eigenes Urteilsvermögen eingeschaltet. Wobei Urteilskraft zu entwickeln, für sie Selbstachtung und Autonomie bedeutet sowie die Auseinandersetzung mit der anderen Meinung. Auch die Philosophie der Gewaltfreiheit sei immer mit Anfragen und Kontroversen verbunden und lade zur Auseinandersetzung und weiterem Nachfragen ein, ohne gleich Antworten mitzuliefern. Auf dieser gedanklichen Basis entschied sich Renate damals, in gesellschaftlichen Bedrohungssituationen gewaltfreien Widerstand zu praktizieren. Eines ihrer Ziele ist es, zu einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit beizutragen. Wobei sie den Begriff Frieden, angelehnt an den Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung, als kontinuierlichen Prozess der Konfliktbearbeitung mit gewaltfreien, konstruktiven Mitteln versteht. Ein Weg, den Renate offensichtlich heute noch zielstrebig und konsequent verfolgt. So schilderte sie uns, wie sie 1987 das Glück hatte, in der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion als "hauptamtliche Friedensarbeiterin" und friedenspolitische Bildungsreferentin im Heidelberger Büro angestellt zu werden. Ihre Mitarbeit dort bestimmte seitdem maßgeblich die Form ihres friedenspolitischen Engagements bis hinein ins Alltagsleben, in dem Überstunden keineswegs ausgeblieben sind. Und selbst als Rentnerin ist sie heute weiter als freie Mitarbeiterin und Delegierte der Werkstatt in verschiedenen Gremien aktiv. Im Zentrum des ersten inhaltlichen Kapitels "Frieden ist eine Kunst" stand der Gedanke, dass Kunst das Potenzial zur Veränderung in sich trägt. Veränderung bedeutet, konstruktive Alternativen zu denken und zu gestalten. Eine Kunst, die Renate in über 25 Jahren hauptamtlicher Friedensarbeit praktiziert und vermittelt hat. Sie führte aus, wie sehr sie dabei von dem brasilianischen Theatermacher Augusto Boal inspiriert wurde: Jeder Mensch hat künstlerische Fähigkeiten, die er mit seiner Theaterarbeit freisetzen und entwickeln wolle. Mit Methoden aus dem "Theater der Unterdrückten" sollen Menschen zum konkreten Handeln befähigt werden. Renate setzt deshalb Boals Methoden seit vielen Jahren in ihren Zivilcourage-Trainings ein. Im zweiten Kapitel "Kultur des Friedens" beleuchtete Renate, wie verschiedene Formen von Workshops, Aktionstrainings, Aus- und Fortbildungen sowie öffentliche friedenspolitische Veranstaltungen zu ziviler, gewaltfreier Konfliktbearbeitung dazu beitragen, eine solche Kultur zu entwickeln. Zu einer solchen "Kulturarbeit" zählte sie auch ihre Mitarbeit in der Redaktion der friedenspolitischen Fachzeitschrift FriedensForum. Weiterhin benannte sie als Formen einer Kultur des Friedens auch Ausstellungen, Film- und Vortragsabende, die sie zu den verschiedensten Themen organisiert hat. Beispielhaft schilderte sie eine Ausstellung über den zivilen Widerstand in Dänemark gegen die Deportation der Juden durch die Nazis. Das Interesse an den Zivilcourage-Workshops war Mitte der 90er Jahre sehr groß und bestätigte ihr, was Boal formuliert hatte: "Es genügt nicht zu wissen, dass die Welt verändert werden muss; wichtig ist, sie tatsächlich zu verändern!" Im Rahmen solcher Workshops proben die Teilnehmenden anhand eigener Alltagserfahrungen, wie sie sich in kritischen Situationen verhalten können, z.B. im Bus angesichts einer Belästigung von Frauen mit Kopftuch. Im Rollenspiel experimentieren die Teilnehmenden und variieren verschiedene Handlungsmöglichkeiten, die sie danach analysieren, bewerten und reflektieren. Frieden schaffen will eben gelernt und geübt sein. Zur Kultur des Friedens zählte Renate allgemein auch die Zusammenarbeit in Initiativen und Organisationen. Sie selbst war 1989 an der Vorbereitung und Gründung des Bund für Soziale Verteidigung beteiligt. Seit 2013 ist sie dort Vorstandsmitglied und wirkt an verschiedenen Projekten mit. Im Kapitel "Frieden und Konflikt" beleuchtete Renate ihre Erfahrungen mit dem Konzept der zivilen Konfliktbearbeitung. Dabei war ihr der inzwischen verstorbene Andreas Buro über Jahrzehnte hinweg ein ganz wichtiger Impulsgeber, den sie auch persönlich kennen und schätzen gelernt hatte. Bedeutsam war für sie auch die Mitarbeit im Fachkollegium zur Qualifizierung von Friedensfachkräften für den Zivilen Friedensdienst. Zum Thema Konflikte mit der Polizei erzählte uns Renate von einer Veranstaltung der besonderen Art in einem Bildungszentrum der Polizei. Während eines 5-tägigen Seminars mit dem Titel "Demonstration und Protest. Eskalation und Deeskalation und die Rolle der Polizei" hielt sie einen Vortrag über "Ziviler Ungehorsam - eine Methode Gewaltfreier Aktion. Geschichte, Theorie, Praxis". Wobei der Kommentar eines teilnehmenden Polizisten besonders erhellend war: "Mit ihren Aktionstrainings für Zivilen Ungehorsam (Blockade) bereiten Sie die Teilnehmenden ja konkret auf eine Straftat vor!" Ihre friedenspolitische Arbeit führte Renate auch im Rahmen mehrerer Auslandsreisen in Kriegs- und Krisengebiete, z.B. nach Israel und Palästina. Der anhaltende, gewaltsame Konflikt zwischen Israel und Palästina beschäftigt sie seitdem immer wieder, indem sie sich positioniert und in verschiedener Weise engagiert, und dabei auch immer wieder die ungerechte israelische Regierungspolitik kritisiert. Das letzte Kapitel war dem Thema "… und Widerstand zugleich" gewidmet. Bei ihrer hauptamtlichen Arbeit bei der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion war - neben Ausbildungen und Workshops - einer der Schwerpunkte die Durchführung von Aktionstrainings. Dabei wird die Möglichkeit angeboten, konkrete Verhaltensweisen für eine geplante Aktion einzuüben, um auch in kritischen Momenten das Prinzip der Gewaltfreiheit aufrechterhalten zu können. Die Gruppe gibt emotionale Geborgenheit, dort kann Kraft und Stärke vermittelt und Vertrauen aufgebaut werden. Zuletzt hat Renate während der Aktionswochen der Kampagne Stopp Air Base Ramstein! (2017 bis 2019) und zur Vorbereitung von Aktionen am Fliegerhorst Büchel nach längerer Pause Aktionstrainings wiederbelebt. Wenn schließlich z.B. das Haupttor der Air Base Ramstein blockiert wird, Live-Musik und gute Stimmung aufkommt und sogar mit Konfetti jubelnd der Erfolg begrüßt wird, dann hat sich für sie das Training gelohnt. Renates aktueller Schwerpunkt sind Trainings gegen Rechtspopulismus. Hintergrund dafür ist das sich verändernde politische Klima in Deutschland, welches sie sehr beschäftigt. Konfrontierende und diskriminierende verbale Angriffe im Alltag nehmen zu. Besonders betroffen sind Aktive, die sich in Asyl- und Antirassismus-Initiativen, aber auch in kirchlichen Gemeinden für Geflüchtete engagieren sowie Lehrer*innen und Schüler*innen. In ihrem Workshop Parolen Paroli bieten! geht es darum, wie man darauf angemessen reagieren und den populistischen und menschenverachtenden Angriffen entgegentreten könnte. Zum Schluss ihres Vortrags bekräftigte Renate eine für sie sehr wichtige Idee: Frieden ist machbar! Gewaltbereitschaft ist nicht angeboren, Krieg ist kein Naturereignis. Kriege werden von Menschen gemacht, Frieden auch. Ihr Appell: Gewaltfreiheit ist ein fortwährendes Experiment, bei dem unser Einfallsreichtum gefragt ist. Wichtig ist der kontinuierliche Prozess! Nicht aufgeben, weitermachen! Mit Geduld, aber mit Unnachgiebigkeit! Hans-Hartwig Lützow: "Den Hirten im Wagenlenker finden - ein Leben im Rhythmus des Saturn"Hans-Hartwig war zusammen mit seiner Frau Anke vom Untermühlbachhof in St. Georgen-Peterzell angereist, wo er seit 35 Jahren als Biobauer lebt. Bereits im Vorfeld hatten sich die Tagungsteilnehmer*innen auf der Internetseite des Untermühlbachhofs über das Projekt informieren können, u.a. durch einen dort verfügbaren Film der ARD zum Gemeinschaftsleben auf dem Hof. Insofern standen Fragen der biodynamischen Landwirtschaft oder die konkreten Herausforderungen des Lebens in Gemeinschaft nicht im Mittelpunkt des Vortrags. Vielmehr lag der Fokus auf den geistigen Grundlagen und Ideen, die Hans-Hartwig auf seinen Weg geführt und sich dort weiter entwickelt hatten. Einleitend gab Hans-Hartwig seinem Beitrag noch eine weitere Überschrift: "Hoffnung trügt nicht". Womit er uns vermitteln wollte, dass seine Hoffnungen aus jungen Jahren tatsächlich nicht enttäuscht worden waren. Augenzwinkernd bezeichnete er sich auch als "Quotenbauer", eine Rolle, die ihm in der Friedensbewegung zugeschrieben worden war. Wobei auch immer wieder die Frage nach einer Verbindung zwischen Landwirtschaft und Friedensbewegung gestellt worden war. Um uns eine Antwort darauf näher zu bringen, bezog er sich auf Hannah Arendt, die ihn mit ihrem Ausdruck der "Banalität des Bösen" sehr beeindruckt hatte. Denn bei diesem Begriff spielt auf der Suche danach, wie das Böse in der Welt entstehen kann, die Vorstellung eine große Rolle, dass vieles in der Gesellschaft so läuft wie es läuft, weil viele Menschen einfach "mitlaufen". Nach seiner Einschätzung sind wir alle, auch er, Mitläufer, indem wir z.B. Auto fahren. Letztlich sind es nur kleine Bereiche, in denen der Einzelne eingreifen und etwas anders machen kann, z.B. in der Weise, in der man Landwirtschaft betreibt. Ein für ihn grundlegender Gedanke! Hans-Hartwig lud uns ein, ihm in ein Bild zu folgen, das er uns anschaulich ausmalte. Im Oktober 1983 war er gerade 30 Jahre alt, hatte Landwirtschaft studiert und war mit seiner Familie seit über einem Jahr auf der Suche nach einem passenden Hof. Ein verblasstes Foto des Untermühlbachhofes ließ diesen nicht besonders attraktiv erscheinen, mit Stromleitungen, die das Tal durchzogen… er hatte sich den Hof trotzdem angeschaut. Es war Herbst, die Blätter der Ahornbäume waren schon verfärbt und als er dem Hof näher kam, blieb er stehen und schaute genauer hin. Da stellte sich bei ihm spontan das Gefühl ein, "hier kann ich alt werden!" Es entspricht wohl seiner augenblicklichen Lebensphase, sich zu fragen, wie so etwas geschehen kann und was da zusammenspielt. Hans-Hartwig benannte mehrere Ebenen, auf denen Eindrücke wirksam sind: eine sinnliche Ebene (hören, sehen, …), die gefühlsmäßige Ebene und eine geistig-schöpferische Ebene (hier kannst Du was machen, etwas gestalten), verbunden mit der Erkenntnis, dass er selbst es ist, der hier schöpferisch wirken kann. Hans-Hartwig beschrieb hier einen Wechselprozess zwischen Person(en) und einem Objekt (Hof). In diesem Sinne leitet er auch seine Hofführungen für Gäste, um "Begegnung" zwischen dem Hof und den Menschen zu ermöglichen. Es war im Vortrag spürbar, wie wichtig ihm diese Art von Hinschauen, Hinspüren und Achtsamkeit ist. Wie er "auf diese Spur gesetzt wurde" erklärte er uns, indem er auf eine klassische Idee zurückgriff, nach der sich die Umlaufzeiten des Saturns um die Sonne mit den Lebensphasen von Menschen vergleichen lassen. Es sind jeweils 30 Jahre, bis der Saturn wieder seine Ausgangsposition erreicht hat, die er z.B. an Hans-Hartwigs Geburtstag innehatte. In seine erste Saturn-Phase fallen seine Geburt und seine Kindheit als Stadtkind in Freiburg. Im Internat in Königsfeld lernte er eine Form des Christentums kennen, die ihn, wie er sagte, "aus dem Christentum heraus katapultierte". Bereits mit 17 Jahren ging er für ein Jahr in die USA, wo er zunächst in einer Patenfamilie lebte, von der er jedoch - da extrem methodistisch - nach Chicago floh. Dort erfuhr er zum ersten Mal vom gewaltfreien Widerstand und begann, die Landarbeiter-Gewerkschaft von Cesar Chavez bei der Organisation eines Konsumentenboykotts zu unterstützen. In seiner nächsten Station beteiligte er sich an gewaltfreien Aktionen der Quäker gegen den Vietnamkrieg. Logischerweise verweigerte er nach seiner Rückkehr aus den USA den Kriegsdienst und wurde dabei durch Rechtsanwalt Ullrich Hahn beraten (Anmerkung: Ullrich Hahn war 2013 als Referent bei der ersten Tagung "We shall overcome" beteiligt). So lernte er den Versöhnungsbund kennen und das Lebenshaus in Trossingen. Auch wenn ihn diese Art der friedenspolitischen Aktivitäten faszinierte, so war doch für ihn klar: seine Basis ist die Landwirtschaft, in der er gleiche Grundlagen sieht, wie in der Friedensarbeit, z.B. die Idee der Nachhaltigkeit. In diesem Sinne betrachtet er seine Arbeit auf dem Hof auch als eine Form von Friedensarbeit. Genauso wie die Kontakte mit zahlreichen Besuchern und Gästen, die kürzere oder längere Zeit mit auf dem Hof leben. Um uns das Wesentliche seiner zweiten Saturn-Phase zu verdeutlichen, griff Hans-Hartwig das Bild Platons vom Wagenlenker auf. Der Wagenlenker ist derjenige, der eine Sache vorantreibt. Dabei ist sein Blick weit voraus vor die Pferde gerichtet, auf einen Punkt in der Zukunft, damit er sein Ziel erreichen kann. Kein Zweifel, dass diese Phase seines Lebens, nachdem der Hof gefunden war, dem Aufbau und der Organisation des Projekts gewidmet war. Für die dritte Phase, in der er sich inzwischen befindet, bezog sich Hans-Hartwig auf das archetypische Bild eines Hirten, der in seine Herde hineinsieht und -horcht, um je nach Situation angemessen wirken zu können. Seine aktuelle Rolle auf dem Hof beschrieb er als eine solche Geste des Betrachtens und des Begleitens. Grundlegend für solche umfassenden Überlegungen, so seine weiteren Ausführungen, war die Auseinandersetzung mit verschiedenen Autoren. Angefangen bei Karl Marx, der ihn lehrte, soziale Missstände wahrzunehmen. Von Franz Kafka lernte er, dass es im Leben sehr wohl Dinge gibt, die keine physischen Grundlagen haben. Und natürlich spielte Hannah Arendt eine große Rolle. Bei Dorothee Sölle, die er persönlich bei einer Tagung des Versöhnungsbundes kennen gelernt hatte, beeindruckte ihn das Buch "Mystik und Widerstand" und dort vor allem der Begriff der "Alltagsmystik", für die er auf einem Bauernhof ein breites Feld sieht. Ein ganz wesentlicher Impuls, mehr von der oben genannten Rolle des Hirten zu übernehmen, entsprang einer persönlichen Krise, einer Art Burnout. Er hatte damals das Gefühl, seine Rolle als Wagenlenker zwar auszufüllen, aber innerlich war es für ihn, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Es war dann seine Frau, die ihm eine Auszeit "verordnete". Die nutzte er für die Teilnahme an Kursen, Tagungen und Besuchen bei den bereits erwachsenen Kindern. So las er auch zum ersten Mal ein Buch von Rudolf Steiner über Landwirtschaft. Er fand dadurch zu einer Form des Wirtschaftens, die völlig anders war als das, was er zuvor gekannt hatte. Er setzte sich verstärkt mit diesen Ideen auseinander und erprobte sie in der landwirtschaftlichen Praxis, was schließlich zur Demeter-Zertifizierung des Hofes führte. Parallel dazu entwickelten sich in dieser Phase auch soziale Veränderungen auf dem Hof. Es wurde ihm und seiner Frau immer wichtiger, auf dem eigenen Hof handlungsfähig zu bleiben und sich nicht den Mechanismen der modernen Landwirtschaft unterordnen zu müssen. Zum Beispiel beschäftigte es ihn sehr, wie in Lateinamerika die Landwirtschaft immer mehr von Großgrundbesitzern beherrscht wird. Doch darauf konnten er und seine Frau nicht direkt einwirken, wohl aber im eigenen Bereich. Und so übertrugen sie schließlich, gewissermaßen als Geste, ihren bis dahin in Privateigentum geführten Hof an eine gemeinnützige Stiftung. Die Idee dabei war auch, unabhängig von den Plänen der eigenen Kinder, den Hof als Lebensraum für Familien zu erhalten. So kam es, dass seit vier Jahren eine junge Familie mit auf dem Hof lebt und sie den Hof, zusammen mit einem weiteren Hof, als Gemeinschaft bewirtschaften. Diesen Übergang gut zu begleiten sieht er heute als seine wesentliche Aufgabe und Rolle. Daneben wurde ihm immer wichtiger, zu schreiben und seine Gedanken z.B. auf verschiedenen Veranstaltungen zu teilen. Zum Abschluss trug uns Hans-Hartwig noch eine kurze Geschichte aus einem selbst verfassten Lesebändchen vor: "Der Mühlbach". Eine kurze Episode vom Leben auf dem Untermühlbachhof, die uns Zuhörer*innen noch einmal lebendig und spürbar werden ließ, was Hans-Hartwig bewegt und worauf es ihm ankommt. Lebenshaus Schwäbische Alb bittet um Spende zum JahresendeWir möchten unsere Arbeit 2021 so engagiert wie bisher fortsetzen können, auch wenn wir durch die Corona-Krise zusätzlich vor neue Herausforderungen gestellt sind. Trotzdem blicken wir mit Zuversicht in ein aktives neues Jahr. Bei unserem von Politik, Parteien und Industrie unabhängigen Engagement sind wir auf Ihre und Eure Unterstützung und Solidarität angewiesen. Wir freuen uns über jede Unterstützung, gerne mit einer Einzelspende oder gar einer regelmäßigen Spende oder Fördermitgliedschaft. Freuen würden wir uns auch über weitere zweckgebundene Spenden für den Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" (siehe dazu: Lebenshaus-Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" - Artikel von Axel Pfaff-Schneider und Interview mit Michael Schmid und das Rückmeldeformular zur Förderung des Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" ). Mit einem Vermächtnis oder einer Erbeinsetzung kann gezielt eine gemeinnützige Organisation wie Lebenshaus Schwäbische Alb unterstützt werden. In diesem Fall entfällt die Erbschaftssteuer und das Erbe kommt in vollem Umfang der Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Erhalt der Umwelt zugute. Siehe ebenfalls: Ihre/Deine finanzielle Unterstützung ermöglicht unser Engagement! Möglichkeiten der Unterstützung . Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Menschen, die die Arbeit des Lebenshauses möglich machen! Spendenkonto Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (aktueller Bescheid vom 25.10.2018). Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerabzugsfähig. Ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben). FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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