UN-Generalsekretär: Sicherheitslage in Afghanistan nochmals verschlechtertVon Thomas Ruttig Am 12. März 2021 legte der UN-Generalsekretär dem Weltsicherheitsrat seinen periodischen Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vor. Grundlage sind Informationen, die die UN-Unterstützungsmission in Afghanistan (UNAMA) sammelt. Hier wichtige Eckdaten aus dem Bericht, in meine Übersetzung: Die Sicherheitslage verschlechterte sich im Jahr 2020, in dem die Vereinten Nationen 25.180 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichneten, ein Anstieg von 10 Prozent gegenüber den 22.832 im Jahr 2019. Dies ist der höchste Wert, seit die UNO diesen Wert erhebt – trotz des Beginns der Afghanistan-Friedensverhandlungen. Die Zahl der bewaffneten Zusammenstöße stieg von 13.155 im Jahr 2019 um 18,4 Prozent auf 15.581 im Jahr 2020. Darüber hinaus stieg die Zahl der durch improvisierte Sprengkörper (IEDs) verursachten Detonationen von 1.949 im Jahr 2019 um 32 Prozent auf 2.572 im Jahr 2020 und die Zahl der gezielten Mordanschläge um 27 Prozent von 782 im Jahr 2019 auf 993 im Jahr 2020. Die Vereinten Nationen verzeichneten zwischen dem 13. November und dem 11. Februar 7.138 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies entspricht einer Steigerung von 46,7 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2020 und steht im Gegensatz zu traditionell niedrigeren Zahlen während der Wintersaison. Die südlichen, gefolgt von den östlichen und nördlichen Regionen, verzeichneten die meisten Sicherheitsvorfälle. Auf diese Regionen entfielen zusammen 68,9 Prozent aller registrierten Vorfälle, wobei die dort gelegenen Provinzen Helmand, Kandahar, Nangarhar und Balch (mit Masar-e Scharif) die meisten Vorfälle verzeichneten. Zwischen dem 13. November und dem 11. Februar initiierten regierungsfeindliche Elemente (Taleban, Islamischer Staat) 85,7 Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, darunter 92,1 Prozent der bewaffneten Zusammenstöße. Hochprofilige (d.h. mit einer hohen Zahl an Opfern) Angriffe regierungsfeindlicher Elemente wurden landesweit fortgesetzt, insbesondere in der Stadt Kabul. Zwischen dem 13. November und dem 11. Februar wurden landesweit 35 Selbstmordattentate dokumentiert. 32 davon wurden mit Hilfe von Selbstmord-Autobomben ausgeführt und zielten hauptsächlich auf Stützpunkte und Kontrollposten der Regierungstruppen. Die Anzahl der von ISIL-K (ISKP – der afghanische Ableger des Islamischen Staates) beanspruchten bzw. zugeschriebenen Angriffe stieg im Berichtszeitraum auf 25, in der Vorperiode waren es 11. Während sich viele dieser Vorfälle in ländlichen Gebieten der Ostprovinzen Laghman, Kunar und Nangrahar viele ereigneten, greift die Gruppe weiterhin auch Zivilisten in städtischen Gebieten an. Etwa 18,4 Millionen Menschen oder fast die Hälfte der Bevölkerung, eine Rekordzahl, benötigen im Jahr 2021 humanitäre Hilfe, gegenüber 9,4 Millionen zu Beginn des Jahres 2020. 2020 verzeichnete mit 865.793 die höchste jährliche Zahl von Rückkehrern ohne Papiere nach Afghanistan. Die überwiegende Mehrheit (859.092) kam aus aus Iran, aufgrund des COVID19-Ausbruchs und der damit verbundenen Einschränkungen sowie wegen des dort eingeschränkten Zugangs zu Gesundheitsversorgung und der damit verbundenen Verschlechterung in der Wirtschaftssituation. Im Jahr 2020 wurden 400.593 Menschen in Afghanistan durch Konflikte intern vertrieben. Zwischen dem 15. November und dem 13. Februar wurden 24.000 Menschen durch Konflikte intern vertrieben. Am 13. Februar wurde bestätigt, dass sich über 55.000 Menschen in ganz Afghanistan mit COVID-19 angesteckt haben, aber die tatsächliche Zahl wird als viel höher geschätzt. Daten zeigten, dass Patienten keine grundlegenden Gesundheitsleistungen erhielten, weil das System überfordert war und viele Menschen sich aus Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, von Gesundheitseinrichtungen fernhielten. Polio hat sich inzwischen auf 14 Provinzen ausgebreitet, was auf eine nachlassende Immunität der Menschen hinweist. Afghanistan ist mit einer akuten Ernährungsunsicherheitskrise konfrontiert, die durch Armut und die COVID-19-Pandemie verursacht wird. Mit Stand März 2021 die Ernährungsunsicherheit von voraussichtlich 16,9 Millionen Menschen sich auf "Krisen-" bzw "Notfall"-Niveau bewegen – dem zweithöchsten der Welt. Fast eines von zwei Kindern unter 5 Jahren wird 2021 an akuter Unterernährung leiden. Die COVID-19-Pandemie stellt weiterhin eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit, den Lebensunterhalt und das Wohlergehen der afghanischen Bevölkerung dar, ungeachtet des jüngsten Rückgangs der gemeldeten Fallzahlen. Zusammenfassung des UN-Generalsekretärs: Die sich verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan ist äußerst besorgniserregend … Frauen und Kinder sind weiterhin extrem hoher Gewalt ausgesetzt. … Ich bin zutiefst beunruhigt über die Vorwürfe von Folter und Misshandlung in afghanischen Haftanstalten … Ich bin besorgt über die humanitäre Not in Afghanistan, die ein Rekordhoch erreicht hat. … Die COVID19-Pandemie stellt weiterhin eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit, den Lebensunterhalt und das Wohlergehen des afghanischen Volkes dar. Quelle: Afghanistan Zhaghdablai - 26.03.2021. Eine Verwendung des Textes ist unter Berücksichtigung der Bestimmungen von creative commons möglich. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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