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Die Arbeit der WRI für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung

Von Andreas Speck

Als War Resisters’ International nehmen wir für uns das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch, und wir erkennen nicht an, das Staaten das Recht haben sollen, uns zum Kriegsdienst zu zwingen. Gleichzeitig arbeiten wir auf der internationalen Ebene, um die allgemeine Anerkennung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung durchzusetzen.

Ein Menschenrecht auf KDV

Als die War Resisters’ International 1921 gegründet wurde, erkannten nur vier Staaten das Recht auf Kriegsdienstverweigerung an - heute, 85 Jahre später, sind es mehr als 30. 30 von ca. 90 Staaten mit allgemeiner Wehrpflicht, 30 von fast 200 Staaten mit einer Armee - eine immer noch recht geringe Zahl.

Neben der staatlichen Anerkennung gibt es jedoch die internationale Anerkennung im Menschenrechtssystem. 1953 fasste der damalige WRI-Generalsekretär Harold Bing die Situation im Menschenrechtsbereich so zusammen: "Keine der internationalen Vereinbarungen, die derzeit existieren, bietet eine zufriedenstellende Grundlage für die Anerkennung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, und derzeit gibt es keine Regelung, die es Individuen oder privaten Vereinen erlaubt, effektive Beschwerden gegen die Verletzung von Rechten, die offiziell anerkannt sind, vorzubringen.“ Die WRI forderte zu der Zeit die Aufnahme des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung in den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte, der gerade diskutiert wurde. 1968 startete die WRI einen "Weltweiten Aufruf für die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht", für den mehr als 40.000 Unterschriften gesammelt wurden, die am 30. Januar 1970 den Vereinten Nationen übergeben wurden.

Obwohl das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht Teil des Internationalen Zivilpaktes oder eines der Zusatzprotokolle ist, so gab es doch Fortschritte. Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen hat wiederholt Resolutionen zur Kriegsdienstverweigerung verabschiedet, in denen KDV als Menschenrecht, abgeleitet aus Artikel 18 des Zivilpaktes (Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Gedankenfreiheit). Die letzte Resolution stammt aus dem Jahr 2004. Wichtige, in diesen Resolutionen formulierte, Standards sind:

  • die Anerkennung, dass eine Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung zu jeder Zeit möglich ist, d.h. vor, während, und nach einem eventuellen Militärdienst. Damit verbietet sich die Einschränkung des Rechtes auf eine bestimmte Zeit vor der Einberufung;
  • Informationen zum Recht auf KDV müssen für jede/n, die/der von Militärdienst betroffen ist, zugänglich sein - d.h. diese Informationen müssen von staatlichen Institutionen ohne Aufforderungen gegeben werden.
  • Das Verbot der Diskriminierung von KriegsdienstverweigererInnen bezüglich der Länge und Bedingungen des Dienstes, oder in jeglicher wirtschaftlicher, sozialer, kultureller, oder politischer Art.

Doch die War Resisters’ International steht den Menschenrechtsstandards nicht unkritisch gegenüber. So hat die WRI z.B. Probleme mit der "Bestimmung, ob in einem individuellen Fall eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst ernsthaft besteht". Die WRI glaubt nicht, dass irgendeine Institution - wie unparteiisch sie auch immer sein mag - eine Gewissensentscheidung beurteilen kann. Dabei handelt es sich immer um eine persönliche Entscheidung, oder jeder Versuch, diese zu beurteilen, stellt eine Form der Inquisition dar.

Die War Resisters’ International akzeptiert auch nicht, dass sogenannter ziviler Ersatzdienst eine Lösung des von KriegsdienstverweigererInnen aufgeworfenen Problems darstellt: er ist immer noch eine anderer Form der Erfüllung von aus der Wehrpflicht resultierenden Pflichten - letztendlich also militärischen Pflichten.

Arbeit mit und gegen Institutionen

Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss auf verschiedenen Ebenen durchgesetzt werden, letztlich maßgeblich ist die staatliche Ebene, denn der/die einzelne KDVerIn sieht sich in der Regel den Behörden seines/ihres Staates gegenüber. Die verschiedenen Instrumente des Menschenrechtssystems können dabei genutzt werden, und die War Resisters’ International arbeitet dabei mit ihren Mitgliedsorganisationen in verschiedenen Ländern, aber auch mit dem Quaker United Nations Office und anderen Institutionen zusammen. Einige Beispiele aus jüngerer Vergangenheit:

  • Die wiederholte Inhaftierung des türkischen Kriegsdienstverweigerers Osman Murat Ülke wurde von der Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung der Vereinten Nationen in einer Entscheidung von 1999 als "willkürlich" beurteilt. Die WRI und andere Organisationen legten daher die wiederholte Inhaftierung israelischer KDVerInnen erneut der Arbeitsgruppe vor; die auch erneut deutlich entschied, dass "wiederholte Strafen für die Weigerung, im Militär zu dienen, wäre gleichbedeutend damit, jemanden zu zwingen sein/ihr Denken zu ändern, aus Angst vor Freiheitsentzug, wenn nicht lebenslang, dann doch mindestens bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Wehrdienstpflicht endet." Derzeit ist der Fall des türkischen KDVers Mehmet Tarhan ebenfalls bei der Arbeitsgruppe anhängig.
  • Die War Resisters’ International bemüht sich, das Thema KDV bei der Beratung von regelmäßigen Länderberichten durch das UN-Menschenrechtskomitee auf die Tagesordnung zu setzen. Hierzu erstellt die WRI spezielle Länderberichte, in den letzten Jahren z.B, zu Israel, Russland, Griechenland, Finnland - um nur einige zu nennen. Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen hat z.B. 2004 die Länge des zivilen Ersatzdienstes in Finnland verurteilt, und Finnland aufgefordert, dies zu ändern. Hierbei ist jedoch ein taktisches Vorgehen wichtig, wie der Fall Paraguay zeigt. Zwar hat Paraguay zwar kein KDV-Gesetz, aber ein verfassungsmäßig garantiertes Recht, und eine Umsetzungsregelung, die ohne zivilen Ersatzdienst auskommt. Das Menschenrechtskomitee verlangt aber aus formalen Gründen ein Gesetz, welches in diesem Fall nur zu einer Verschlechterung der Situation für KDVerInnen führen könnte.
  • Derzeit sind zwei KDV-Fälle aus Südkorea als Individualbeschwerden beim Menschenrechtskomitee anhängig. Die Entscheidung dieser Beschwerden kann auch Auswirkungen auf andere Länder haben.

Von Individualbeschwerden abgesehen, sind jedoch Entscheidungen des UN-Menschenrechtssystem in der Regel nicht bindend. Die WRI sieht es als ihre Aufgabe, KDV-Gruppen in verschiedenen Ländern auf wichtige Entscheidungen aufmerksam zu machen, so dass diese die Entscheidungen in ihren eigenen Kampagnen oder in der juristischen Argumentation vor Gericht verwenden können.

Grenzen des Menschenrechtsansatzes

Für die WRI ist das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung nicht Selbstzweck oder Ziel - Kriegsdienstverweigerung wird es mit oder ohne Menschenrecht geben, und der Status von KDV als Menschenrecht mag zwar helfen, dieses Recht auch praktisch in Staaten durchzusetzen, die es bisher nicht anerkennen, doch damit ist wenig zur Demilitarisierung unserer Gesellschaften beigetragen. Für die War Resisters’ International liegt die Herausforderung darin, auf der einen Seite Kriegsdienstverweigerung zum integralen Bestandteil eines breiteren Widerstandes gegen Krieg zu machen, und Allianzen mit anderen Antikriegsgruppen zu bilden - denn darum geht es letztlich bei Kriegsdienstverweigerung - und auf der anderen Seite mit Menschenrechtsorganisationen für die Anerkennung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung zu arbeiten. Als War Resisters’ International, als KriegsdienstverweigererInnen, müssen wir die richtige Balance zweier unterschiedlicher Ansätze finden - dem Menschenrechtsansatz, und dem antimilitaristischen Ansatz, dem Ansatz des Widerstandes gegen Krieg. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es im Kern bei KDV nicht um Menschenrechte geht, sondern um eine radikale Veränderung unserer Gesellschaften in Richtung auf Kooperation und Gewaltfreiheit, und gegen militärische Macht. Das ist in Zeiten, in denen sich ein großer Teil der Welt im "Krieg gegen Terrorismus" befindet, und in denen auch die Europäische Union sowie andere Regionalmächte gerne mehr militärisch mitmischen wollen, umso notwendiger. 

Andreas Speck war Pressesprecher von Action AWE während des Burghfield Disarmament Camp. Seit Mitte September lebt er in Sevilla und engagiert sich im Red Antimilitarista y Noviolenta de Andalucia (RANA). mail@andreasspeck.info, http://andreasspeck.info

Quelle: FriedensForum 2/2006.

Veröffentlicht am

05. Mai 2006

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