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In Erinnerung an Rev. Richard Deats, der ein Leben lang Führer der Friedensbewegung und einflussreicher Lehrer der Gewaltfreiheit war

Als produktiver Autor und Redner stärkte Rev. Richard Deats die Basisbewegungen, indem er in Konfliktzonen in aller Welt Trainings in gewaltfreier Aktion durchführte.

Von Ethan Vesely-Flad und John Dear

Rev. Richard Deats war sein Leben lang einer der Führer der globalen Friedensbewegung und einer der einflussreichsten Lehrer der Philosophie und Praxis der gewaltfreien Aktion in den Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Er starb am 7. April in Nyack, New York, an einer mit Komplikationen verbundenen Lungenentzündung, wie sein Sohn Mark Deats mitteilte. Er wurde 89 Jahre alt.

"Als langjähriger Führer der globalen Friedensorganisation Fellowship of Reconciliation (dt. Versöhnungsbund) und Herausgeber der Zeitschrift Fellowship war Richard Deats einer der am meisten geachteten, bestvernetzten und einflussreichsten Führer der Friedensbewegung in den Vereinigten Staaten und in der Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts", sagte sein enger Freund und ehemalige Geschäftsführer des Fellowship of Reconciliation, kurz FOR, Rev. John Dear.

"Deats arbeitete mit den Friedensführern in aller Welt zusammen, unter ihnen Martin Luther King, Coretta Scott King, Rev. Jim Lawson und andere Führer der Bürgerrechtsbewegung, einige Erben Gandhis, Thich Nhat Hanh und einige buddhistische Führer, Rev. Daniel Berrigan und Erzbischof Desmond Tutu", sagte Dear. Deats begleitete Frau King ins Weiße Haus, als Ronald Reagan ein Gesetz unterzeichnete, das einen nationalen Feiertag zu Ehren Martin Luther Kings einsetzte.

In den frühen 1980er Jahren half Deats bei der Organisation und Durchführung von Hunderten von Workshops über Gewaltfreiheit, an denen auf den Philippinen Zehntausende teilnahmen und den Grundstein für "People Power" legten, die 1986 den Diktator Ferdinand Marcos gewaltfrei stürzte. Außerdem leitete er in den 1980er Jahren 13 Friedensdelegationen in die Sowjetunion, die  dazu beitrugen, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges Spannungen ab- und Beziehungen aufzubauen.

Deats wurde am 8. Februar 1932 in Big Spring, Texas, geboren. In den frühen 1950er Jahren besuchte er das McMurry College in Abilene, Texas. Dort wurde er in der methodistischen Studentenbewegung aktiv. Eines Tages im Jahre 1951 änderte sich sein Leben, als er als Bachelorstudent die britische Pazifistenführerin Muriel Lester über Gandhi und Gewaltfreiheit sprechen hörte.

Lester war für den Internationalen Versöhnungsbund auf Welttournee, um Reden zu halten. Sie war eng mit Mahatma Gandhi befreundet, der während der Round-Table-Konferenz 1931 drei Monate bei ihr in London gewohnt hatte. Lester überzeugte Deats davon, dass Gandhis Methode des gewaltfreien Wandels besser funktionierte als Gewalt, und dass auch das Christentum in Gewaltfreiheit verwurzelt war. 

Deats wurde bald Mitglied im US-Zweig des Versöhnungsbundes und arbeitete im darauf folgenden Sommer als Freiwilliger in einem Flüchtlingslager in Deutschland. Deats veröffentlichte später eine Anthologie von Lesters Schriften mit dem Titel: Ambassador of Reconciliation: A Muriel Lester Reader (Botschafterin der Versöhnung: ein Muriel-Lester-Lesebuch).

Deats schrieb sich bei der Perkins School of Theology an der Southern Methodist University ein und wurde zum Vorsitzenden der Studentenschaft und zum Vorsitzenden der Texas-Methodisten-Studentenbewegung gewählt. Dort schloss er enge Freundschaft mit Walter Wink, der später eine Reihe bahnbrechender Bücher über christliche Gewaltfreiheit schreiben sollte.

1956 heiratete Richard Janice Baggett und sie zogen nach Boston, um an der Boston University School of Theology in Sozialethik zu promovieren, wo Rev. Howard Thurman, ein bekannter afro-amerikanischer Theologe und Prediger (und engagiertes FOR-Mitglied) Fakultätsmitglied und Dekan von Marsh Chapel war, und wo ein junger Martin Luther King gerade promoviert hatte.

1958 fuhren Deats und ein paar andere Studenten in den Weihnachtsferien in den Süden. Deats hatte King zuvor geschrieben, dass er und andere Seminaristen der Boston University vorhatten, an seinem Sonntagmorgen-Gottesdienst teilzunehmen, wenn sie durch Montgomery kämen. Während des Gottesdienstes an diesem Morgen bat King die jungen Seminaristen aus Boston aufzustehen, und die Gemeinde begrüßte sie mit Applaus. Nach dem Gottesdienst schüttelten sie Kings Hand, dankten ihm für seine Arbeit mit dem Busboykott und seine Predigt an diesem Morgen und wollten aufbrechen.

"Wohin geht ihr?", fragte King. "Frau King kocht zu euren Ehren ein Festessen." Also verbrachten Richard und seine Freunde den Nachmittag mit den Kings. Sie sprachen über Theologie, die heiligen Schriften und über Gewaltfreiheit. Sie blieben ihr Leben lang Freunde.

Deats arbeitete später in der Kommission mit, die sich für einen bundesweiten Martin Luther King-Feiertag einsetzte, was Frau King veranlasste, ihn im November 1983 als ihren Gast zur Unterzeichnungszeremonie von Präsident Reagan im Rose Garden einzuladen.

Im Vorwort ihres Buches Martin Luther King, Jr.: Spirit-Led Prophet nannte Coretta Scott King Deats "einen der kenntnisreichsten und engagiertesten Verfechter der Gewaltfreiheit in Amerika … einen Aktivisten, der nicht nur über Gewaltfreiheit geschrieben hat, sondern der auch bei zahlreichen gewaltfreien Aktionen ‚den Weg gegangen ist’."

1959 nahm Deats den Auftrag des Methodist Board of Mission an, als Pfarrer der Knox Methodist Church in der Hauptstadt der Philippinen Manila zu arbeiten. Diese ist eine der größten englischsprachigen Kirchen Asiens. Dort lebte und arbeitete er bis zum Ende des Jahrzehnts. Außerdem unterrichtete er im Union Theological Seminary in Palapala, Cavite, Philippinen.

In jenen Jahren organisierte Deats aus Protest gegen den wachsenden US-Krieg in Vietnam das Committee of Americans for Peace in Indochina (Komitee der Amerikaner für Frieden in Indochina) und leitete regelmäßige Mahnwachen vor der US-Botschaft in Manila. 1967 veröffentlichte die Southern Methodist University Press Deats Buch Nationalism and Christianity in the Philippines.

In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Versöhnungsbund half er, die erste Vortragsreise des jungen vietnamesischen buddhistischen Mönchs, Thich Nhat Hanh, zu organisieren. Dieser wurde später ein weltbekannter Autor und Lehrer der buddhistischen Achtsamkeit und von King für den Friedensnobelpreis nominiert. 1965 wohnte Thich Nhat Hanh bei Deats und seiner Familie in Manila und sie blieben Jahrzehnte lang Kollegen.

1972 nahm Deats eine Stelle im nationalen Büro des Versöhnungsbundes in Nyack, New York, an, wo er für den Rest seines Lebens leben und arbeiten sollte.

In den folgenden drei Jahrzehnten reiste er durch die Welt und förderte Frieden, Gewaltfreiheit und Versöhnung durch den Versöhnungsbund, ähnlich wie es Muriel Lester in den 1950er Jahren getan hatte. Er schrieb zahlreiche Artikel, hielt Reden und leitete unzählige Trainings in aktiver Gewaltfreiheit als einer Methode für Basisbewegungen und gesellschaftlichen Wandel.

Er hielt Workshops und Reden auf so gut wie jedem Kontinent, vor allem in Konfliktgebieten, vom Südafrika der Apartheid bis zum Europa des Kalten Krieg, dazu in Diktaturen in Asien, den Pazifikstaaten und Südamerika, im von Konflikten zerrissenen Nahen Osten und im verarmten Haiti.

In den 1970er Jahren reiste er während der Diktatur Park Chung-Hees nach Südkorea. "Zwar folgte mir der koreanische CIA die meiste Zeit meines Besuchs, doch gelang es meinem Gastgeber, Trainings in Gewaltfreiheit zu arrangieren, die nicht angekündigt worden waren, und vor unterschiedlichen Zuhörern Reden zu halten. Auf dieser Reise traf ich auch den koreanischen Gandhi, den Quäker Ham Sok-Hon kennen."

Deats nutzte die Erfahrung, "unangekündigte" Workshops in Korea zu halten, während der nächsten 25 Jahre auch in anderen unterdrückten Ländern. Am bedeutsamsten war, dass er in den frühen 1980er Jahren begann, an der Universität der Philippinen Workshops in Gewaltfreiheit anzubieten.

Stefan Merken, ein guter Freund und Leiter der Jewish Peace Fellowship, begleitete Deats auf einer dreiwöchigen Lehrreise. "Der Jesuitenpriester und Führer der Friedensbewegung Rev. Jose Blanco (der zuvor inhaftiert und der Verschwörung zum Sturz des Marcos-Regimes angeklagt war) hatte Deats eingeladen, an der Universität der Philippinen zu lehren", sagte Merken. "Überall, wo wir kamen, sahen die Leute Richard an, als wäre er Gandhi. Menschenmassen warteten darauf, ihn zu sehen. Er genoss große Wertschätzung."

Deats wurde Teil des Trainingsprogramms des Internationalen Versöhnungsbundes, der in den Jahren 1985 und 86 überall auf den Philippinen Workshops über die Methode der Gewaltfreiheit anbot, die den Weg zu der friedlichen "People Power" -Revolution ebneten. Im Februar 1986 gingen mehr als eine Million Menschen zu gewaltfreien Demonstrationen auf die Straße und zwangen Marcos zur Flucht. Das führte zur Ernennung Corazon "Cory" Aquinos zur 11. Präsidentin der Philippinen.

In den 1980er Jahren koordinierte Deats auch die Bemühungen von FOR, eine Versöhnung zwischen den Vereinigten Staaten und der UDSSR zu fördern. Er leitete 13 Friedensdelegationen in die Sowjetunion. "Die Furcht auf diesen frühen Reisen," erinnerte sich Deats später, "wandelte sich zunehmend in Vorfreude, als die Basisdiplomatie eine fast unwiderstehliche Welle der Freundschaft zwischen Ost und West entstehen ließ."

Auf diesen Reisen koordiniert Deats Workshops in Gewaltfreiheit in Moskau, Taschkent und Leningrad. Dafür benutzte er Kings "Sechs Prinzipien der Gewaltfreiheit", die ins Russische übersetzt worden waren, so Liliane Kshensky Baxter, eine der Teilnehmerinnen und damals Vorsitzende des Trainings in Gewaltfreiheit am King Center. Kopien dieser Handzettel klebten Mitglieder der russischen Friedensorganisation Golubka in der Zeit kurz vor dem Ende der Sowjetunion in den Straßen Moskaus an die Mauern.

1987 leiteten Deats und sein Freund Walter Wink Workshops in aktiver Gewaltfreiheit in Lesotho für Anti-Apartheid-Befreiungsaktivisten. Der südafrikanische Rat der Kirchen hatte sie eingeladen, überall in Südafrika Gewaltfreiheit zu lehren, aber das Apartheidregime verwehrte ihnen die Einreise.

Anfang der 1990er Jahre war Deats an der Koordination einer interreligiösen Friedensbemühung im Irak beteiligt und begegnete in Tunis Yasser Arafat und der PLO, um Frieden und Versöhnung zu fördern. Außerdem reiste er nach Burma, wo er sich mit pro-demokratischen Gruppen traf und für Gewaltfreiheit warb, sowie mit indigenen Führern in Ecuador. Im Laufe der Jahre hielt er Reden über Gewaltfreiheit und leitete weitere Friedensdelegationen nach Indien, Bangladesch, in den Iran, nach Japan, Thailand, Haiti, Kenia, Litauen, Kolumbien, Palästina und Israel.

Deats war in den 1980er Jahren von FOR zum interreligiösen Kontaktmann ernannt worden und begann, religiöse Führer aus unterschiedlichen Religionen zu erreichen und für die King’sche Gewaltfreiheit zu werben. Deats erinnerte sich später: "In meiner Arbeit mit Juden, Buddhisten, Hindus, Muslimen, Bahai, Jains, indigenen Völkern und Angehörigen verschiedener christlicher Bekenntnisse wurde ich durch ihre unterschiedlichen Traditionen von Mitgefühl, Liebe und Frömmigkeit sehr bereichert." Der Internationale Versöhnungsbund war zu Beginn des Ersten Weltkriegs von protestantischen Christen gegründet worden. Obwohl seit Mitte des 20. Jahrhunderts Katholiken und Juden beigetreten waren, galt Deats engagierter Einsatz weiterhin dem Gedeihen der interreligiösen Absichten.

In den 1990er Jahren wurde er Herausgeber der FOR-Zeitschrift Fellowship und er veröffentlichte eine Reihe von Büchern. Neben denen über Muriel Lester und King schrieb er Biografien über Mahatma Gandhi und Hildegard Goss-Mayr, die österreichische Leiterin des Versöhnungsbundes. Außerdem schrieb er Stories of Courage, Hope, and Compassion und die Witzsammlung How to Keep Laughing - Even Though You’ve Considered All the Facts. Über dieses Buch schrieb Erzbischof Tutu: "Oft hätten wir weinen müssen, wenn wir nicht gelacht hätten. Gott sei Dank gibt es Richard Deats!"

Deats’ 1996 geschriebener Artikel The Global Spread of Active Nonviolence (Die weltweite Ausbreitung der aktiven Gewaltfreiheit) wurde in Zeitschriften in der ganzen Welt veröffentlicht und war einer der ersten, der die weltweite Macht engagierter Gewaltfreiheit als eine Methode zum Erreichen eines Gesellschaftswandels aufzeigte, die wirksamer funktioniert als gewaltsamer Protest oder gewaltsame Rebellion.

Was wäre gewesen, wenn 1980 irgendjemand vorhergesagt hätte, unbewaffnete Filipinos würden in einem viertägigen Aufstand die Marcos-Diktatur stürzen?", schrieb er. "Dass in Lateinamerika die Militärregime durch die unnachgiebige Beharrlichkeit ihrer unbewaffneten Gegner gestürzt würden? Dass die Apartheid friedlich beendet würde und dass in einer friedlichen Volksabstimmung die Angehörigen aller Völker Südafrikas Nelson Mandela zum Präsidenten wählen würden? Dass die Berliner Mauer gewaltfrei zum Einsturz gebracht werden würde? Wer das alles vorhergesagt hätte, wäre wahrscheinlich für lächerlich naiv erklärt und kurzerhand abgetan worden. Und doch ist das alles geschehen!

Deats zog daraus den Schluss, dass aktive Gewaltfreiheit zu einer mächtigen, zentralen Kraft in den weltweiten Befreiungsbewegungen geworden sei. Während einige das 20. Jahrhundert als das gewalttätigste Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit bezeichnet haben, sprach Deats hoffnungsvoll über das wachsende Bewusstsein für die Lehren von Gandhi und King und argumentierte überzeugend, dass ihr Einfluss nachhaltige Auswirkungen auf unsere gemeinsame Zukunft haben wird.

"Wenn weltweit eine demokratische Zivilisation entstehen und Bestand haben soll, besteht unsere Herausforderung darin, weiterhin gewaltfreie Alternativen zu Krieg und allen Formen der Unterdrückung zu entwickeln", fügte er hinzu. "Wir müssen weiterhin die uralte Annahme über die Notwendigkeit von Gewalt infrage stellen, wenn es darum geht, Ungerechtigkeit zu überwinden, Unterdrückung zu widerstehen und soziales Wohlergehen zu schaffen."

Deats hinterlässt seine Frau Jan in Nyack, New York, seine vier Kinder Mark in River Vale, New Jersey, Stephen in Brooklyn, New York, Katherine in New York City und Lisa in Jerusalem, sowie 15 Enkelkinder und acht Urenkel..

Ethan Vesely-Flad ist Vorsitzender des Versöhnungsbundes in den USA (FOR-USA). Er verbindet und unterstützt FOR-Mitglieder und -Ortsgruppen, baut Kampagnen auf und stärkt sie und leitet die Kommunikationsstrategie des Versöhnungsbundes. Davor war er Herausgeber von The Witness, GraceOnline und der Zeitschrift Fellowship und seine Schriften erschienen in Colorlines, The Source, der Huffington Post, Episcopal Life und in anderen Medien. Er wurde in Harlem geboren, wuchs in Poughkeepsie auf und erhielt seine Erziehung in Oakland. Ethan wohnt jetzt mit seiner Familie in den schönen Blue Ridge Bergen von Asheville, North Carolina.

Rev. John Dear ist ein langjähriger Friedensaktivist, Organisator und Autor von 35 Büchern über Frieden und Gewaltfreiheit, darunter zuletzt "Praise Be Peace: The Psalms of Peace and Creation in a Time of War and Climate Change." Er ist Geschäftsführer des Beatitudes Center for the Nonviolent Jesus , wo er regelmäßig Zoom-Workshops anbietet. Er wurde von Erzbischof Desmond Tutu für den Friedensnobelpreis nominiert. Siehe auch seine Website: www.johndear.org

Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler

Quelle: Waging Nonviolence . Originalartikel: Remembering Rev. Richard Deats, a life-long peace movement leader and influential teacher of nonviolence . Eine Vervielfältigung oder Verwendung des Textes in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist unter Berücksichtigung der Regeln von Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) möglich.

Veröffentlicht am

28. Mai 2021

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