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“Gandhi als Glaubender”

Ein Werk des indischen Jesuiten George Pattery als Neuerscheinung der edition pace – übersetzt durch Ingrid von Heiseler

George Pattery, bis 2020 Präsident der Süd-Asiatischen Jesuitenprovinzen, schreibt über seine jetzt auch in deutscher Sprache vorliegende Studie "Gandhi als Glaubender": "Sehr oft wird die religiöse Dimension Gandhis für selbstverständlich gehalten oder ausgeklammert. Wir behaupten in diesem Buch, dass der Schlüssel zum Verständnis Gandhis gerade in seiner Religiosität liegt."

Mahatma Gandhi war der Erste, der aktive Gewaltfreiheit als Handlungsprinzip für das politische und gesellschaftliche Feld erschlossen hat. Er hat damit u.a. Martin Luther King und Nelson Mandela inspiriert. Er hat Christ*innen auf die politischen Implikationen ihres Glaubens aufmerksam gemacht und neue Zugänge zur Bergpredigt Jesu und zur Kreuzestheologie eröffnet.

Die Rezeption bzw. die Auseinandersetzung mit den Ideen und Erfahrungen Gandhis ist in Europa insgesamt nicht sehr stark; innerhalb der Kirchen Europas ist sie fast nicht nachzuweisen; im europäisch theologischen Kontext wird seit den Reiseplänen von Dietrich Bonhoeffer Anfang der 1930er Jahre kaum noch theologisch nach Indien geschaut.

Mit diesem Buch liegt erstmals in deutscher Übersetzung eine relevante katholisch-theologische Stimme aus dem indischen Diskurs über Gandhi vor, die seine Praxis der aktiven Gewaltfreiheit in ihren religiösen und philosophischen Hintergründen aufschlüsselt.

Das Werk des indischen Theologen ist geschrieben zunächst für Menschen in Indien. Aber wir in Deutschland können dabei sein, lesend aufhorchen und lernen. Denn es geht George Pattery SJ mitnichten ausschließlich um eine indisch christliche Perspektive; es geht ihm um eine handlungsleitende wie auch theologische Perspektive, die entscheidend für den Weg der christlichen Kirchen im 21. Jahrhundert weltweit ist. Papst Franziskus hat bekanntlich 2017 alle Katholik*innen und Menschen guten Willens dazu aufgefordert: Machen wir die aktive Gewaltfreiheit zu unserem Lebensstil. – Von wem sollte man solche Handlungsperspektive besser lernen können als von Mahatma Gandhi?

Über den Autor George Pattery

(Aus dem Vorwort von Klaus Hagedorn und Thomas Nauerth)

George Pattery stammt aus einer christlichen Familie im katholischen Kernland Kerala in Südindien. 1950 geboren, studierte er Philosophie und Theologie in Pune/Indien und lernte dabei den Jesuitenorden und seine Spiritualität kennen. Nach der Priesterweihe in Kerala arbeitete er zunächst in einer Gemeinde seiner Diözese, danach war er Dozent am Priesterseminar in Kalkutta. Im Jahre 1985 trat er in den Jesuitenorden ein. 1990 schloss er sein Promotionsstudium an der Gregoriana in Rom mit einer Arbeit über Gandhi ab. Er gehörte als Dozent sieben Jahre dem Lehrkörper der Central Government University of Visva-Bharati in Santiniketan/Kalkutta an (von Rabindranath Tagore gegründet), wirkte danach als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen, zuletzt als Assoziierter Professor am Vidyajyoti-College in Neu Dehli und übernahm ab 1994 ordensinterne Aufgaben als Oberer der Jesuitenkommunität in Santiniketan, sodann als Provinzial in Kalkutta und schließlich als Präsident der Süd-Asiatischen Jesuitenprovinzen mit der Zuständigkeit für die Jesuiten in Indien, Sri Lanka, Nepal, Bangladesch, Bhutan, Pakistan und Afghanistan. Seit Sommer 2021 lebt George Pattery im St. Xavier’s College in Calcutta, seiner Jesuitenprovinz.

Als Jesuit ist George Pattery geleitet von der Überzeugung, dass der Gott Jesu in der Welt und in allem Leben präsent ist und dass wir Menschen eingeladen sind, ihn zu entdecken und zu finden in allem, was in uns, um uns herum und mit uns geschieht und da ist. Unterscheidung der Geister (also Klugheit), Wachstum und Reifung (das ignatianische magis, also das Mehr) sowie konkrete Schritte der Liebe sind entscheidend. Gott in allem suchen und finden - der Grundimpuls des Ignatius von Loyola: damit ist buchstäblich alles gemeint im Reden, im Denken, im Beobachten und Sehen, im Hören und Analysieren, im Arbeiten, im Schweigen und Stillwerden, im Kämpfen, im Beten. Mit solcher Grundhaltung kann der Mensch Kontemplation in Aktion leben. Hier sieht Pattery eine Schnittfläche zur Spiritualität des Hindu Gandhi, weshalb er seinem Buch auch den Titel gab: Gandhi – the Believer.

Pattery vertraut darauf, dass die uralte Weisheit in den verschiedenen Religionen Wege auch für die Zukunft zu weisen vermag. Deshalb stellt er die im Hinduismus verankerte Spiritualität von Mahatma Gandhi ausführlich dar und beschreibt seine Vision des friedlichen Zusammenlebens der Völker – allen ethnischen, religiösen und traditionellen Unterschieden zum Trotz. Pattery sieht die Menschheit in einem Transformationsprozess stehend hin zu einem Verständnis, dass alle aufeinander angewiesen und miteinander verbunden sind, dass alles mit allem zusammenhängt, wir also weltweit die Solidarität mit allen Suchenden und Fragenden auszubilden haben unabhängig von Religion, Kultur, Nation, Volkszugehörigkeit, Hautfarbe und Tradition. Die Menschheit bewohnt ein gemeinsames Haus, unseren Planeten Erde, den es zu schützen und zu bewahren gilt und wo niemand berechtigt ist, auszuplündern, zu töten und zu verwüsten. Von daher ist sein Buch auch ein Beitrag zum interreligiösen Dialog – hier zwischen Hinduismus und Christentum. Die Auseinandersetzung mit und der Austausch zwischen Religionen und Weltanschauungen sind für Pattery fruchtbare Wege, um gemeinsames Urteilsvermögen zu stärken und Recht, Gerechtigkeit und Versöhnungsprozesse zu befördern in Zeiten, in denen weltweit sich die Welt immer stärker polarisiert und spaltet und immer gewalttätiger zu werden scheint.

George Pattery hat die Beschäftigung mit Mahatma Gandhi als Jesuit gesucht. Damit verbunden ist eine besondere Perspektive, die Dinge anzuschauen. Mit Bezug auf Teilhard de Chardin SJ leitet ihn die Grundüberzeugung, dass nichts auf der Welt profan ist und dass alle Realität mit den Augen Gottes anzuschauen ist. Das wiederum führt ihn zu einem Verständnis, sich als Weggenosse unter vielen Weggenoss*innen auf einem gemeinsamen Weg auf dieser Erde, in dieser Welt zu sehen, auf einem Weg mit Blick auf die gesamte Menschheit, auf alle Schöpfung und das Universum. Er leitet daraus für sich die Berufung ab, für Verständigung und Versöhnung zu arbeiten. Das bedeutet für ihn zum einen, Prozesse zu initiieren, die Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen- und in Dialog bringen. Zum anderen beinhaltet es die Offenheit für Kooperationen mit all denen, die ebenfalls solche Prozesse in den Blick nehmen – über alle nationalen, kulturellen, religiösen Grenzen hinweg. Er ist überzeugt, dass die Erfahrung, mit verschiedenen Kulturen, Traditionen und Religionen zusammenzuleben, einen neuen Blickwinkel schenkt, die aktuellen Herausforderungen mit einer viel weiterführenden universellen Perspektive zu betrachten, ohne sich sofort bedroht zu fühlen.

George Pattery sieht in solcher Arbeit einen Grundauftrag der Kirche, den das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) in seiner Pastoralkonstitution Gaudium et spes so formuliert hat: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. (Nr. 1).

George Pattery S.J.: Gandhi als Glaubender. Eine indisch-christliche Sichtweise. Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler. Herausgegeben von Klaus Hagedorn & Thomas Nauerth. ISBN-13: 9783755700562 (Paperback, 240 Seiten; Preis 9,90 Euro). Norderstedt: Books on Demand 2021. – edition pace.

Leseprobe (Förderer, Inhalt, Vorwort) und Bestellmöglichkeit:
https://www.bod.de/buchshop/gandhi-als-glaubender-george-pattery-s-j-9783755700562

Veröffentlicht am

05. Dezember 2021

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