Zum Ukraine-KriegVon Clemens Ronnefeldt Wenn dieser Artikel erscheint, könnte er inhaltlich bereits überholt sein von den Ereignissen in der Ukraine. Dennoch möchte ich den Versuch wagen, grundsätzliche Deeskalationsleitlinien zu skizzieren. Der GrundkonfliktBeim OSZE-Gipfeltreffen im November 1999 in Istanbul unterzeichneten u.a. auch die USA, die Russische Föderation, Belarus, Georgien die Ukraine und Deutschland das Abschlussdokument. Darin heißt es: "Wir bekräftigen das jedem Teilnehmerstaat innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnisverträgen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern." Diesen Punkt betont vor allem die Nato und die Ukraine. Solange in Georgien und der Ukraine Gebietsteile von Russland annektiert sind, können diese beiden Staaten nach Nato-Statuten nicht in das westliche Militärbündnis aufgenommen werden. Es heißt aber auch in diesem OSZE-Dokument: "Jeder Teilnehmerstaat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen achten. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen". Diesen Punkt betont vor allem Russland. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 kamen durch die Nato-Osterweitung 14 weitere Nato-Mitgliedsstaaten mit insgesamt 945 Millionen Menschen und 25 Millionen Quadratkilometern Fläche hinzu, wodurch z.B. im Baltikum die Nato direkt an Russland grenzt. Fazit: Es geht um sehr viel mehr als die Ukraine: Es geht um eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa - mit Folgen weit darüber hinaus in einer zunehmend multipolaren Welt. Drei Schlüsselelemente für eine diplomatische Lösung:
Die Aufnahme der Nato ist in der Verfassung der Ukraine festgeschrieben worden. Die ukrainische Regierung kann schwerlich ohne Gesichtsverlust oder der Gefahr einer Abwahl Russland hier ein Mitspracherecht geben. Auch die Nato wird den Eindruck vermeiden, den russischen Forderungen nachgekommen zu sein. Es bräuchte daher eine Nato-Aufnahme-Moratoriums-Kompromissformel, die noch zu suchen ist - bei gleichzeitiger Bemühung um Sonderrechte der russischen Bevölkerung im Donbas. Zentral erscheint mir für eine Deeskalation die Umsetzung des Abkommens Minsk II vom Februar 2015 auf der Grundlage eines sofortigen Waffenstillstandes: Hier die Beschlüsse im Detail von 20215 - die nach wie vor aktuell sind: Schlüsselelement sind der Abzug der schweren Waffen aus einer Pufferzone. Die Regierungstruppen müssen sich hinter die aktuelle Frontlinie zurückziehen, die Separatisten hinter die vereinbarte Demarkationslinie. Die OSZE überwacht die Waffenruhe und den Abzug der Waffen. Nach dem Abzug der Waffen sollen Gespräche über Wahlen in Donezk und Lugansk sowie den künftigen Status der beiden Regionen beginnen. Grundlage ist ein Gesetz, mit dem Kiew den abtrünnigen Regionen vorübergehend mehr Selbstständigkeit zugestanden hatte. Die Regionen können darüber entscheiden, welche Sprache sie nutzen wollen. Eine gesetzliche Amnestieregelung soll alle Konfliktbeteiligten vor Strafverfolgung schützen. Vereinbart wurde die Freilassung aller Gefangenen und die Sicherstellung humanitärer Hilfsleistungen, ebenso die Wiederherstellung der Sozial- und Wirtschaftsbeziehungen. Die Ukraine soll die vollständige Kontrolle über die Grenze zu Russland übernehmen. Vereinbart wurde auch der Rückzug aller ausländischen Kämpfer, Söldner und Waffen unter Aufsicht der OSZE und die Entwaffnung aller illegalen Gruppen. Mit der Umsetzung dieses Planes könnte eine Deeskalation beginnen - und über die OSZE die in eine neue Phase gemeinsamer Sicherheit auf dem eurasischen Kontinent münden könnte. Alle diese Beschlüsse könnten in ein Abkommen Minsk III einfließen. Die Zeit drängt. Quelle: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig - 27.02.2022. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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