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Kriegsverbrechen im Jemen: Trägt Europas Rüstungsindustrie Mitschuld?

Europäische Unternehmen müssen für Rüstungsexporte an Kriegsparteien zur Rechenschaft gezogen werden

Am 26. März 2022, jährt sich zum siebten Mal der Start der Operation "Decisive Storm", einer massiven Luftoffensive der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) angeführten Militärkoalition im Jemen. Die Operation war eine direkte Reaktion auf die gewaltsame Einnahme der Stadt Sanaa 2014 durch die Huthis und Militäreinheiten des früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh.

Seit Beginn des Konflikts und der Eskalation 2015 dokumentierte die jemenitische Menschenrechtsorganisation Mwatana for Human Rights mindestens 800 Luft- und 700 Bodenangriffe, in deren Folge über 3.000 Zivilisten starben und mindestens 4.000 weitere verletzt wurden. Viele dieser Luftschläge wären ohne europäische Rüstungsgüter nicht möglich gewesen. Bis heute unterstützen europäische Staaten und Unternehmen die Militärkoalition durch den Export von Bomben, Waffen- und Ersatzteilen sowie Wartung und Training. Damit befähigen sie die Kriegsparteien bei der Aufrechterhaltung ihrer Luftoffensive. Es besteht der Verdacht, dass diese Rüstungsgüter bei möglichen Kriegsverbrechen zum Einsatz kommen.

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Amnesty International , die Campaign Against Arms Trade , Centre Delàs for Peace Studies , Mwatana for Human Rights und Rete Italiana Pace e Disarmo reichten deshalb im Dezember 2019 eine Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ein. Auf über 350 Seiten wurden darin 26 einzelne Luftangriffe der Militärkoalition rekonstruiert, die als Kriegsverbrechen zu bewerten sind. Verantwortliche in Europa, die vom Konflikt in Jemen profitieren oder ihn anheizen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Unter anderem bezieht sich die Anzeige auf Rüstungsgüter von RWM Italia, Airbus Defence and Space und BAE Systems. Es gilt sowohl die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensführungen als auch die Praktiken und Verantwortlichkeit der Regierungen Italiens, Spaniens, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens zu prüfen.

Laut den Vereinten Nationen sind über 20 Millionen Menschen im Jemen in Folge des Konflikts auf humanitäre Hilfe angewiesen - Millionen sind von Hunger, Vertreibung und Tod bedroht. Die internationale Gemeinschaft unternimmt bis heute nichts, um den Angriffen auf die Zivilbevölkerung Einhalt zu gebieten. Trotz der offensichtlichen und dokumentierten menschenrechtlichen Verstöße stimmte der UN-Menschenrechtsrat im Oktober 2021 dagegen, das Mandat der Gruppe Außerordentlicher Experten für den Jemen, die mit der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen betraut war, zu verlängern. Doch der Straflosigkeit von Angriffen auf die Zivilbevölkerung muss ein Ende gesetzt werden, deswegen ist eine Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortung wirtschaftlicher und staatlicher Akteure durch den IStGH und die nationalen Ermittlungsbehörden notwendig. Die Firmenstrukturen der europäischen Rüstungsindustrie verlangen grenzüberschreitende Ermittlungen und Kooperation, um Verantwortlichkeiten und Abläufe lückenlos nachzuvollziehen. Der IStGH könnte mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens und der Einbindung der nationalen Strafverfolgungsbehörden neue Maßstäbe bei der kooperativen Aufarbeitung internationaler Verbrechen setzen.

Wir begrüßen das entschlossene Handeln des IStGH zur Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen, die von den russischen Streitkräften und anderen Parteien in der Ukraine begangen werden. Kriegsverbrechen müssen in allen Konflikten mit ähnlichem Fokus und ähnlicher Dringlichkeit aufgearbeitet werden, egal wo sie begangen werden. Der Krieg im Jemen dauert nun schon über sieben Jahre, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Der IStGH und nationale Strafverfolgungsbehörden spielen eine entscheidende Rolle bei der Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen und für Gerechtigkeit für die Menschen im Jemen.

Quelle: European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) - Pressemitteilung vom 25.03.2022.

Veröffentlicht am

25. März 2022

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