Die Vorschläge für ein Krisensonderplanungsrecht gehen am Ziel vorbeiVon Hans-Josef Fell Auf Grund der Energiekrise infolge des Krieges in der Ukraine fordert die Union ein Krisensonderplanungsrecht – auch, um schnell unabhängig von den russischen Energielieferungen zu werden. Im Prinzip ist das ein richtiges Ziel – wenn es auch die richtigen Maßnahmen beinhalten würde. Allerdings versucht die Union mit diesem Vorschlag auch viele Projekte durchzudrücken, die höchst umwelt- und klimaschädlich sind – ja die teilweise nicht einmal etwas zur ebendieser Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen beitragen können. Neben dem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien, der in der Tat das alles entscheidende Element für eine schnelle Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen ist und, wo eine Verkürzung der Planungs- und Genehmigungsdauer dringend erforderlich ist, fordert die Union auch beschleunigte Genehmigungen für LNG-Terminals, Straßen und andere große Infrastrukturinvestitionen. Was neue Straßen mit einer Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen zu tun haben sollen, bleibt das Rätsel der Union. Das Gegenteil ist der Fall: Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Ausbau von neuen Straßen auch immer neuen Individualverkehr geschaffen und so den Mineralölverbrauch sogar ständig erhöht hat. Auch der beschleunigte Ausbau von LNG-Terminals kann und wird in diesem und nächsten Jahr keinen Beitrag zur Unabhängigkeit von Russlands Energielieferungen leisten, da selbst bei einem beschleunigten Planungsrecht die Inbetriebnahme nicht vor 2025 erwartet wird. Zudem ist fraglich, ob die USA oder Katar überhaupt in großem Stil neues LNG werden liefern können. Bisher wird das Flüssiggas vor allem nach Asien verschifft, bspw. nach Japan oder China sowie in andere Länder, die dafür hohe Preise zahlen. Wenn die USA oder Katar diese Länder weniger beliefern wollen, um Europa von russischem Erdgas unabhängiger zu machen, wird das die Lieferungen nach Fernost schmälern. Das wird nur funktionieren, wenn die Europäer*innen dafür höhere Preise zahlen, was wiederum die Energiekosten weiter nach oben treiben und die Energiepreiskrise noch weiter verschärfen wird. Ein Ausweg aus der Energiepreiskrise ist LNG daher nicht, auch wenn es derzeit im Zentrum der politischen Debatte steht. Zu allem Überfluss hat das gefrackte US-Erdgas negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. So hat eine Harvard-Studie kürzlich aufgezeigt, dass es in der Umgebung von unkonventioneller Erdgas- und Erdölförderung sehr viele verfrühte Todesfälle gibt. Grund ist die hohe Luft- und Gewässerverschmutzung, die durch das Fracking verursacht wird. Dass durch die Förderung von Fracking-Gas somit auch vorzeitige Tode in den USA und anderen Förderregionen in Kauf genommen werden, sollte wenigstens in der öffentlichen Debatte um LNG diskutiert werden. Zudem ist Fracking-Gas, verschifft als Flüssiggas eine der schädlichsten Energieformen, die weltweit existieren. Eine Studie der Energy Watch Group entlarvt das noch immer weit verbreitete Bild von Erdgas als klimaschonender Brückentechnologie. Die EWG-Erdgas-Studie zeigt, dass Erdgas mit seinen alarmierenden Methan-Emissionen die höchst negative Klimawirkung von Kohle und Erdöl sogar noch deutlich übertrifft. So sind die Treibhausgasemissionen aus einem Erdgaskraftwerk mit LNG bis zu 30 % höher als aus einem Kohlekraftwerk. Der Bau von LNG-Terminals im Speziellen und klimaschutzmissachtende Energieeinkäufe im Allgemeinen sind daher auch in Anbetracht des Schreckens in der Ukraine nicht zu verantworten. Denn – was nutzt der Menschheit ein Ende des Krieges in der Ukraine, wenn sie dafür den Übertritt in die Heißzeit der Erde mit Beendigung der menschlichen Zivilisation in Kauf nimmt? Abgesehen von einem großflächigen Atomkrieg ist nach einem Krieg – bei all dem unermesslichen Leid, den er mit sich bringt – zumindest ein Wiederaufbau möglich. Anders verhält es sich mit dem Planeten nach dem Eintritt in eine unbeherrschbare Heißzeit. Ein Zurück wird dann nicht mehr möglich sein. Eine menschliche Zivilisation, so wie wir sie heute kennen, wird es dann nicht mehr geben. Es verbleibt die Notwendigkeit des beschleunigten Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Hierfür braucht es in der Tat – wie auch von der Union vorgeschlagen – schnelle Genehmigungen für Windparks, Solarparks, Solar-Dachanlagen, Biogas- Geothermie- und Wasserkraftanlagen. Begleitet werden muss dieser von einem beschleunigten Ausbau der entsprechenden Fabriken, die diese Technologien herstellen: Fabriken für Solarzellen, Batterien, Wärmepumpen, E-Mobile usw. Erneuerbare Energien bestechen durch ihre Multiproblemlösungskompetenz. Nur durch den massiven Ausbau der Erneuerbaren kann es uns gelingen, die derzeitigen existenziellen globalen Krisen konzertiert zu lösen, statt sie gegeneinander auszuspielen. Ein Krisensonderplanungsrecht muss sich daher unbedingt auf die Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren nachhaltiger, klimafreundlicher und zukunftsweisender Projekte konzentrieren. Quelle: Hans-Josef Fell - 31.03.2022. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
|