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Gestriger Bundestagsbeschluss weckt Hoffnungen für russische Deserteure, die nicht erfüllt werden

Die derzeitige restriktive Anerkennungspraxis deutscher Behörden für Deserteure verhindert, dass diese hier Schutz erhalten. Damit der gestrige Bundestagsbeschluss wirksam wird, müssen das Bundesinnenministerium und das BAMF jetzt umgehend ihre Praxis ändern, fordern PRO ASYL und Connection e.V.

In dem gestrigen Beschluss zur umfassenden Unterstützung der Ukraine findet sich unter Punkt 31 auch der Appell an russische Soldaten, die Waffen niederzulegen. Zugleich verweist der Bundestag darauf, dass ihnen der Weg ins deutsche und europäische Asylverfahren offen stünde. Das Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. und PRO ASYL warnen, dass nach derzeitiger Praxis russische Soldaten und Soldatinnen, die sich auf diesen Beschluss verlassen, mit großer Wahrscheinlichkeit in den Asylverfahren abgelehnt werden. "Der Bundestag erweckt hier Hoffnungen", so Rudi Friedrich von Connection e.V., "die aufgrund der bisherigen repressiven Praxis nicht erfüllt werden. Der Bundestag fordert zur Desertion auf, garantiert aber keinen Schutz und gefährdet damit die Deserteure."

Günter Burkhardt fordert: "Das Bundesministerium des Innern und das Bundesamt für Migration müssen umgehend ihre Entscheidungspraxis ändern, so dass der Beschluss des Bundestags praktisch wirksam wird. Der Zugang zum Schutz ist so zugemauert worden, dass die Hürden kaum überwunden werden können. Der Beschluss des Bundestages droht ins Leere zu laufen."

Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg. Und deshalb gilt für russische Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Artikel 9 der Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union: Denjenigen Menschen wird flüchtlingsrechtlicher Schutz zugesagt, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen Bestrafung fürchten müssen (Artikel 9 Abs. 2e).

Doch die Erfahrung sieht anders aus: Bisherige Asylverfahren, die sich auf Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie bezogen, haben gezeigt, dass deutsche Behörden und Gerichte sehr hohe Beweisanforderungen stellen, die viele der Betroffenen nicht erfüllen können. So fordern deutsche Behörden und Gerichte von den betroffenen Personen unter anderem den Nachweis der Einberufung und Einsatzbefehle, die den Einsatz im Kriegsgebiet oder anstehende völkerrechtswidrige Handlungen belegen – was in der Praxis aber schier unmöglich ist. Zudem wird von den Behörden und Gerichten verlangt, dass betroffene Personen bereits in Russland einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt haben. Damit verliert die vom Bundestag versprochene Schutzzusage ihre Essenz. Kaum einer der Antragsteller bzw. Antragstellerinnen wird in der Lage sein, die notwendigen Nachweise zu erbringen. In der Konsequenz würden sie also asylrechtlich schutzlos gestellt.

PRO ASYL, Connection e.V. und weitere 40 Organisationen forderten bereits Ende März in einem Appell an den Deutschen Bundestag, sowohl russischen und belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren. Deutschland und alle anderen EU-Länder müssen diese Menschen, die vor dem Kriegseinsatz fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen – und auch dafür sorgen, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt wird.

Gemeinsam machten heute Rudi Friedrich und Günter Burkhardt zudem deutlich: "Der Bundestagsbeschluss hat weitreichende Konsequenzen für alle Politikbereiche und erhöht die Gefahr, dass Deutschland immer weiter in das Kriegsgeschehen involviert ist und in eine militärische Eskalationsspirale hineinschlittert. Es fehlen realistische Impulse gesetzt, wie dieser Krieg gestoppt werden und weiteres unsägliches Leid und der Grund für die Flucht von Millionen Menschen beendet werden kann."

Weitere Informationen unter https://de.connection-ev.org/legal.advice.asylum

Quelle: Connection e.V. und PRO ASYL - Pressemitteilung vom 29.04.2022.

Veröffentlicht am

29. April 2022

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