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NATO startet Atomkriegsmanöver “Steadfast Noon”

Demonstration gegen NATO-Manöver am 22. Oktober in Nörvenich

Von Martin Singe

Am heutigen Montag (17.10.) startet die NATO erneut die Atomkriegsübung "Steadfast Noon", die alljährlich Mitte Oktober stattfindet. Diesmal soll sie zwei Wochen lang bis zum 30. Oktober durchgeführt werden. Die USA üben zusammen mit den europäischen nuklearen Teilhabestaaten den Einsatz von Atomwaffen, angeblich um das Bündnisgebiet zu verteidigen. Wie das Schlachtfeld Europa nach einem Atomkrieg aussähe, wird dabei nicht dargestellt.

Deshalb rufen Gruppen aus der Friedensbewegung zu einer Demonstration am 22. Oktober in Nörvenich auf. Hier sind aktuell die Tornados stationiert, die sich zum Teil an dem Manöver beteiligen werden. Die Demo startet mit der Kundgebung um 12 Uhr am Schlossplatz, dann geht es zum Kriegsflugplatz zu einer Abschlussaktion. Zwischen Düren und Nörvenich ist ein Shuttle eingerichtet (Abfahrt 11.30h in Düren). Die Friedensbewegung kritisiert scharf, dass ein Atomkriegsmanöver der NATO in diesen Kriegszeiten ein hochgefährliches Signal ist und auch zu Irritationen bis hin zu einem "Atomkrieg aus Versehen" führen kann. Gefordert werden die Absage des Manövers, keine Beteiligung der Bundeswehr, Abzug der Atombomben aus Büchel und das Ende der völkerrechtswidrigen nuklearen Teilhabe. Stattdessen soll Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten (Link zum Demo-Aufruf siehe unten).

Die USA fliegen für die Übung eigens B-52-Langstreckenbomber ein. Hauptübungsgebiet soll in diesem Jahr der Raum um Belgien, Großbritannien und die Nordsee sein. Belgien, Niederlande, Italien und Deutschland gehören zu den nuklearen Teilhabestaaten.

Außer den nuklearen Teilhabestaaten sind auch die sogenannten SNOWCAT-Staaten (Support of Nuclear Operations With Conventional Air Tactics) teil. Deren Flugzeuge geben den Atombombern Geleitschutz, dienen der Unterdrückung gegnerischer Luftverteidigung oder fliegen als Tankflugzeuge mit. Hierzu gehören u.a. Griechenland, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Rumänien". Insgesamt sind 14 Staaten am Manöver beteiligt.

Die Bundeswehr wird sich mit Tornado-Flugzeugen beteiligen. Diese sind derzeit von Büchel nach Nörvenich ausgelagert, da Büchel aufwändig renoviert wird. Für die geplanten neuen Atombomber F-35 und die neuen hochgerüsteten B61-12 Atombomben müssen neue Start- und Landebahnen sowie neue Hangars errichtet werden. Außerdem wurde der Sicherheitszaun um das Gelände massiv verstärkt. Im vorletzten Jahr wurde auch erstmals die Verteidigung des Atomwaffenstandorts Büchel (ca. 20 US-Atombomben) mit Patriot-Systemen geübt.

Die Teilhabestaaten - also auch Deutschland - werden entgegen des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) im Ernstfall mit dem Abwurf der US-Atomwaffen betraut. Der NVV verbietet die "unmittelbare und mittelbare Annahme" von Atomwaffen. Dies geschieht jedoch durch die Lagerung der Atombomben in Büchel und deren geplante Verwendung durch die Bundeswehr im sog. Ernstfall. Die PilotInnen der Bundeswehr üben während des Atomkriegsmanövers, wie die Atombomben aus den unterirdischen Lagerstätten zu den Tornados gebracht und anmontiert werden. Im Manöver wird dann der Abwurf der Bomben mit Attrappen geübt.

Laut Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 1996 ist der Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen generell verboten, weil dies dem humanitären Völkerrecht widerspricht. Die Taschenkarten der Bundeswehr enthielten u.a. 2006 und 2008 noch ein ausdrückliches Verbot des Einsatzes von Atomwaffen für BundeswehrsoldatInnen. Da hatte auf der Hardthöhe das humanitäre Völkerrechtsreferat mal eine helle Stunde. Allerdings wurden die Taschenkarten danach wieder aus dem Verkehr gezogen. Nun "dürfen" Bundeswehroffiziere wieder völkerrechtswidrige Befehle erteilen und SoldatInnen "dürfen" diese befolgen - wenn sie sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Und dies ist ihr Recht bzw. ihre Pflicht. Ein Aufruf aus der Friedensbewegung an die PilotInnen der Tornados, sich atomaren Einsatzbefehlen zu widersetzen, hatte leider bislang noch keinen öffentlich sichtbaren Erfolg.

Immer wieder haben FriedensaktivstInnen in Büchel und Nörvenich gegen die atomare Bedrohung demonstriert, viele Personen haben an Aktionen Zivilen Ungehorsams teilgenommen. Allerdings gehen die Gerichte nicht auf die völkerrechtlichen Argumente der Ungehorsamen ein, sondern verurteilen serienweise u.a. wegen Hausfriedensbruchs (bei Go-Ins) oder Sachbeschädigung (Zaunbeschädigungen).  Dass das Völkerrecht generell vorrangig zu einfachgesetzlichen Regeln anzuwenden ist (Artikel 25 Grundgesetz), scheint die Gerichte nicht zu interessieren. Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht sind bislang allesamt nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Martin Singe ist Sprecher der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt" und Redakteur der Zeitschrift FriedensForum.

Veröffentlicht am

18. Oktober 2022

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