Gewaltfreie Blockadeaktion Großengstingen 1982: Gerd BüntzlyVom 1. bis 8. August 1982 fand bei Großengstingen auf der Schwäbischen Alb unter dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" eine einwöchige Blockadeaktion des Atomwaffenlagers statt. Rund 750 Menschen beteiligten sich an dieser gewaltfreien Aktion. Für viele Beteiligte hatte dies auch juristische Folgen. Seit dieser gewaltfreien Aktion sind nun 40 Jahre vergangen. Wir haben Menschen eingeladen, die damals bei dieser Aktion dabei waren, sich nach dieser langen Zeit zurück zu erinnern. Hier findet sich eine Übersicht über alle Beiträge: Einwöchige gewaltfreie Sitzblockade vor dem Atomwaffenlager bei Großengstingen Sommer 1982 - Beteiligte erinnern sich Nachfolgend ein Beitrag von Gerd Büntzly.
Es ist erstaunlich, dass ich gerade in den letzten Jahren wieder Kontakt zu Personen aufgenommen habe, mit denen ich vor 40 Jahren in Mainz und anderswo am Thema Antimilitarismus und Ziviler Ungehorsam gearbeitet habe. Dadurch und auch durch die wenigen Fotos, die ich wieder ausgegraben habe, beginnt mein Gedächtnis wieder zu arbeiten.
Ich hatte mich zusammen mit anderen schon länger mit Gandhi und dem Zivilen Ungehorsam beschäftigt, besonders durch die Lektüre von Theodor Ebert. Großengstingen war die erste Gelegenheit, das praktisch auszuführen.
Ich weiß von prächtigem Wetter und glaube, wir haben eine Woche Vorbereitung gemacht und eine Woche Aktion. Wir lernten die Einrichtung der Bezugsgruppen kennen und andere Kommunikationstechniken, die aus den USA kamen, wie etwa das "Blitzlicht". Ich war mit einer Gruppe aus Mainz angereist, hielt mich aber dann an eine Gruppe schwuler Aktivisten. Vor kurzem hat mich erst eine Teilnehmerin mit der Erinnerung verblüfft, ich hätte einen Workshop angeboten mit dem Titel "Wie entsteht Heterosexualität?" oder so ähnlich.
Ich bekam einen Strafbefehl, legte Widerspruch ein, und wir fuhren nach Münsingen zur Verhandlung. Aus irgendeinem Grund sind wir dort aber nie angekommen - haben wir uns verfahren, gab es einen Unfall? Ich weiß es nicht mehr. Anschließend wurde das Verfahren ohne Auflagen eingestellt, während diejenigen, die so frech gewesen waren, ihr Verfahren durchzuziehen, eine Geldstrafe bekamen.
Ich kaufte mir damals den "Ratgeber für politische Gefangene", herausgegeben vom Verlag Libertäre Assoziation (1981), weil ich damit rechnete, über kurz oder lang Gefängniserfahrung zu machen. Es dauerte aber noch ein paar Jahrzehnte, bis das wirklich der Fall war. Ich schloss mich zunächst als Sympathisant (da ich meinen Wehrdienst schon hinter mir hatte) der Gruppe der "Totalverweigerer" an, die nicht nur den Wehrdienst, sondern auch den Zivildienst verweigerten, und suchte sie nach Kräften zu unterstützen. Sie beauftragten mich, die sechste Auflage ihrer Dokumentation "Widerstand gegen die Wehrpflicht" herauszugeben. Nach dem Abflauen der Friedensbewegung war ich nicht in der Lage, einfach so weiterzumachen wie bisher. Ich zog mich ins Private zurück. Aktionen gegen den Golfkrieg 1991 und andere Kriege unterstützte ich aber weiterhin. Seit 2007 mache ich bei der Gruppe Lebenslaute mit, die klassische Musik mit Aktionen Zivilen Ungehorsams verbindet. In den vergangenen Jahren, nach meiner Verrentung, schien es mir aber, die Aktionen dieser Gruppe gingen zu oft zu harmlos aus, und ich müsste weitergehen, besonders in meinem Engagement gegen die Atomwaffen. Daher zwang ich den Staat wiederholt, mich zu verurteilen und war bisher viermal im Gefängnis (Ersatzfreiheitsstrafe oder Erzwingungshaft). Dieses Zeichen wurde in meiner Umgebung durchaus verstanden und geschätzt.
Aktionen Zivilen Ungehorsams sind heute wichtiger als je zuvor. Der Übermacht der Großkonzerne können wir nur etwas entgegensetzen, indem wir unsere eigene Person, unseren Körper einsetzen. Ich zitiere inzwischen oft Daniel Berrigan: "Es gibt keinen Frieden, weil es keine Friedensstifter gibt. Es gibt keine Friedensstifter, weil das Schaffen von Frieden mindestens so kostspielig ist wie das Schaffen von Krieg - mindestens so anstrengend, mindestens so störend, mindestens so anfällig für Schande, Gefängnis und Tod." Gerd Büntzly; Jahrgang 1949.
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