Aufruf zur solidarischen Weitergabe der Energiepreispauschale, z.B. an Geflüchtete im Beqaa-Tal, LibanonSyrische Geflüchtete im Libanon sitzen im KaltenVon Julia Kramer, Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Haddak (zu deutsch: "Ich bin an Deiner Seite") organisiert direkte solidarische Unterstützung von Mensch zu Mensch. Libanon hat gemessen an der Einwohnerzahl weltweit am meisten flüchtende Menschen aufgenommen. Das kleine Land am Mittelmeer beherbergt u.a. neben palästinensischen Geflüchteten, teils in zweiter und dritter Generation, mindestens eine Million syrische Geflüchtete. Der Winter im libanesischen Bergland ist hart, mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Oftmals schneit es. Der nahende Winter ist, angesichts der Wirtschafts- und Energiekrise, für die Bewohner*innen des Beqaa-Tals, ein Alptraum. Kürzlich sprach ich mit zwei der drei Initiator*innen von Haddak, einer direkten Solidaritäts-Initiative einer Libanesin und eines palästinensischen Libanesen, die im Beqaa-Tal leben, und einer Deutschen. Hier das Interview: Wie kam es, dass Haddak gegründet wurde, und was macht ihr? Haddak: Da wir die Strukturen und die Menschen vor Ort gut kennen, haben wir gemerkt, dass die internationalen Organisationen, sowohl staatliche als auch nichtstaatliche, sich hauptsächlich um die Menschen in den Flüchtlingslagern kümmern. Es gibt aber zahlreiche Geflüchtete, die in einfachen Unterkünften außerhalb der Lager leben. Zum Beispiel fühlen sich Witwen oder geschiedene Frauen in den Camps oft nicht sicher und haben sich deshalb Unterkünfte außerhalb der Lager gesucht. Inzwischen haben die Lager einen Zugangs-Stopp, sie können sich dort also - selbst wenn sie wollten - nicht mehr melden und den Ort wechseln. Gleichzeitig können nur Menschen mit einer "Settlement Card" rationiertes Heizöl bekommen. Die Menschen außerhalb der Camps leben in sehr einfachen Verhältnissen, zum Beispiel eine Familie von neun Personen in einem Raum von ca. 20m², bei dem die Decke undicht ist. Andere leben in Zelten. Die meisten ohne Badezimmer oder Wasseranschluss etc. Wir organisieren direkte humanitäre sowie Selbsthilfe-Unterstützung mit dem Fokus auf die Verletzlichsten dieser von den Hilfsstrukturen vergessenen Menschen vor Ort - also Familien, die am meisten von Armut betroffen sind, und zusätzlich z.B. alleinerziehend, von gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen, Familien mit kleinen Kindern, alte Menschen… Wie sieht das konkret aus? Haddak: Mit in Deutschland gesammelten Unterstützungsgeldern und Patenschaften schaffen wir es im Moment, monatlich zwölf Familien mit Grundversorgung an Nahrungsmitteln etc zu unterstützen, sowie weitere 40 bis 50 dieser am meisten betroffenen Familien mit Öl zum Heizen und Kochen. Außerdem machen wir Sonderaktionen, wie zum Beispiel medizinische Unterstützung, die medizinisch begleitete Verteilung einer Brillen-Großspende, das zur Verfügungstellen von Nähmaschinen an alleinstehende Frauen, um Einkommen generieren zu können, oder besondere Mahlzeiten während des Ramadan und Kleider oder andere Geschenke für Kinder an Feiertagen. Wie hat sich die Lage in der aktuellen Wirtschafts- und Energiekrise verändert? Haddak: Ein Beispiel in Zahlen: Ein einfaches Einkommen vor Ort beläuft sich auf etwa 70 bis 100 $ im Monat. Allein die Stromkosten sind inzwischen für eine Familie auf 50 bis 70 $ im Monat gestiegen - damit ist noch weder Essen, noch Heizöl oder Gas zum Kochen gekauft, geschweige denn Kleidung oder Medizin. In der kältesten Jahreszeit braucht man 80 Liter Heizöl für 7 bis 10 Tage. Diese Menge kostete letztes Jahr 30 $, im Moment aber schon 50 $. Der Preis der Füllung einer Gasflasche ist sogar 50 Mal so teuer wie vor einem Jahr. Zahlreiche Familien, in denen bislang zum Beispiel eine Person ein Einkommen hatte, haben durch die gestiegene Arbeitslosigkeit jetzt kein Einkommen mehr - das bedeutet, dass inzwischen auch palästinensische und syrische Familien in extremer Armut leben und nicht mehr wissen, womit sie Brot oder Heizung bezahlen können. Früher halfen sich die Menschen vor Ort auch gegenseitig, aber das fällt jetzt auch weg, weil die etwas Wohlhabenderen nun selbst zu arm sind. Die Menschen haben keine Chance, sich selbst zu versorgen und sind im Moment mehr denn je auf Unterstützung angewiesen. Der korrupte Staat hilft nicht, die Währung ist extrem instabil. Gleichzeitig sind die Spenden aus Deutschland weniger geworden - das bedeutet, dass wir im Moment nicht wissen, wie wir auch nur die nötigsten Bedarfe im Winter decken können. Aber Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen können nicht nur mit Decken über den Winter kommen. Wenn sie nicht heizen, müssen sie später Geld für teure Medikamente ausgeben. Wie sehen die Menschen ihre Perspektive? Haddak: Es herrscht große Perspektivlosigkeit, weil die Lage einfach immer schlimmer wird. Manche protestieren und blockieren die Straßen, werden dann für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt, aber nichts verändert sich. Die politische Krise, die Energiekrise u.a. durch den Ukraine-Krieg, und die Arbeitslosigkeit machen die Lage aussichtslos. Die Ankunft des Winters ist für die Menschen ein Alptraum. Es geht mehr und mehr ums Überleben… Ein Mann aus einer der Familien hat zum Beispiel eine Herzkrankheit und müßte zweimal täglich Medizin nehmen. Nun verlor er seinen Job und kann sich die Medizin nur noch alle paar Tage leisten. Gleichzeitig gibt es aber auch Gutes vor Ort, wie zum Beispiel die junge Künstlerin Fatma. Oder zwei ältere Schwestern mit Körperbehinderungen, die die herzlichsten Menschen sind, die ich kenne… Vielen Dank für das Gespräch und Eure Arbeit!
SPENDEN AN HADDAK (nicht steuerlich absetzbar da noch ohne Gemeinnützigkeitsbescheinigung):
https://www.betterplace.me/haddak-ich-bin-an-deiner-seite
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