Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Sorgen im Alltag Geflüchteter

Von Katrin Warnatzsch - Soziale Friedensarbeit (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 115, Dez. 2022 Der gesamte Rundbrief Nr. 115 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 627 KB. Den gedruckten Rundbrief schicken wir Ihnen/Dir gerne kostenlos zu. Bitte einfach per Mail abonnieren )

Das Thema Nähe und Distanz spielt sich schon immer in den Gesprächen mit geflüchteten Menschen eine wichtige Rolle. Diese Menschen sind physisch, mit ihrer Lebensgeschichte in der Seele und oftmals körperlichen bleibenden Spuren, auf die Flucht aus gewohnter Umgebung gegangen, meist ohne Familie. Psychisch leben einige auch noch nach Jahren eine Art Doppelleben: Einerseits müssen sie sich im Alltag in der deutschen Umgebung zurechtfinden, andererseits sind sie mithilfe ihres Telefons ständig ansprechbar von weit entfernt lebenden Familienangehörigen. Sie machen sich Sorgen umeinander, fühlen sich hilflos, leben erzwungenermaßen in weiter Entfernung nebeneinander her und können sich einander manchmal kaum erklären. Trotzdem gibt es auch frohe Momente und Erfolge bei der Arbeit. Oder das erfreuliche Miteinander im Hier und Jetzt hilft, den Mut nicht zu verlieren. Fremdbestimmt fühlt sich allerdings, wer auf den erhofften Familiennachzug seit langer Zeit warten muss.

Einige Angehörige der hier lebenden Afghanen sind inzwischen aus ihrem Herkunftsland z.B. in den Iran geflüchtet und dort, wo sie ohne Aufenthaltsrechte leben, in eine akute Notlage geraten. Die Ereignisse werden mir so geschildert, als wäre das Ganze vor mir auf der Straße passiert: Eine junge Frau wird von einem Auto in Teheran angefahren und erleidet schwere Verletzungen am Bein. Es existiert für im Schatten lebende Afghanen im Iran nur ein marginaler Zugang zur Gesundheitsversorgung, der Zugang zu teuer zu bezahlenden Ärzten ist schwer. Im Notfallkrankenhaus ist die tägliche Versorgung nur mithilfe von Angehörigen möglich. Beim hier in Deutschland lebenden Ehemann der jungen Frau entsteht reflexartig der Drang, sofort nach Teheran eilen zu müssen. Auch wenn wir ihn finanziell unterstützen können, dauert es wenigstens zwei Wochen, bis alles organisiert ist. In dieser Zeit muss die schwerverletzte Frau alleine klarkommen, mehr oder weniger ohne Hilfe. Inzwischen, Monate später, ist sie nun wieder gesund, aber jetzt ohne Arbeit und in der verzweifelten Erwartung, endlich zu ihrem Ehemann ausreisen zu können. Ihr Bruder ist nun zu ihrem Schutz aus Afghanistan nach Teheran gekommen. Ein Antrag der Eheleute zum Familiennachzug beim deutschen Konsulat ist jedoch erneut gescheitert, mit der Begründung, der deutsche Aufenthaltstitel des Ehemannes würde diesen Antrag nicht zulassen. Dabei erfüllt er alle sonstigen, sehr anspruchsvollen Voraussetzungen: Sprache, ausreichend große Wohnung, Arbeit, ausreichendes Einkommen für zwei Personen, sämtliche Dokumente, seit 2016 in Deutschland. Nun ist ihm klar, dass der Kampf um die Einreise seiner Frau nach Deutschland in eine weitere Runde gehen muss.

Mehrere der afghanischen Männer aus Gammertingen warten verzweifelt auf ihre Ehefrauen, manche noch immer auf den Nachzug der ganzen Familie. Wenn Kinder dann in der jahrelangen Wartezeit volljährig werden, besteht die Gefahr, dass ihnen Deutschland keine Einreise mit der Mutter und den Geschwistern zugesteht. Sie sind dann, möglicherweise auch schon im Iran lebend, ganz auf sich gestellt. Was dies für Frauen bedeuten kann, ist kaum vorstellbar. Viele Hunderttausende Afghanen sind auch nach dem Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan in den Iran geflüchtet und verbringen dort im Schatten ein Leben ohne Perspektive.

Ein anderer Geflüchteter aus Afghanistan schildert mir den schweren Arbeitsunfall seines Bruders beim Schweißen an seinem Arbeitsplatz in Teheran. Er sei gerade noch mit dem Leben davon gekommen. Er hat neben schweren Verbrennungen auch ein Augenlicht verloren, das andere Auge droht, ebenfalls unterzugehen. Er benötigt innerhalb eines sehr kurzen Zeitfensters eine Operation, was nur in einer Klinik möglich ist, die sehr teuer ist. Der junge Mann sitzt vor mir und breitet mir seinen Plan zur finanziellen Unterstützung seines Bruders aus: er wird sofort seinen Ausbildungsvertrag im Pflegeberuf stornieren, dafür im Handwerksbetrieb, in dem er bisher arbeitet, eine Ausbildung starten, Überstunden machen, umziehen in eine billigere Wohnung, sein Auto verkaufen. Sein überaus verständnisvoller Arbeitgeber unterstützt ihn dabei. Alle seine Zukunftspläne, die er sich hier wirklich mühsam erarbeitet hatte, will er verschieben oder aufgeben, wenn er nur dazu beitragen kann, dass er seinem Bruder die Operation ermöglichen kann. Er sieht ganz klar, dass sein Bruder nur mit einer Wiederherstellung seiner Augen in Zukunft seine Familie ernähren wird können. Auch für ihn konnten wir einen machbaren Rückzahlungsmodus für ein Darlehen finden. Er hat selbst sein Möglichstes zur Hilfe für seinen Bruder beigetragen.

In unserm Land können die Zuzahlungsgebühren für einen langen Krankenhausaufenthalt ebenfalls zu einem bedrückenden Problem werden. Nach einer weiteren, schweren Hüftoperation hat ein junger Afghane auch einen Reha-Aufenthalt benötigt. Da er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten konnte, ist er aus der Wohnung gekündigt worden, die an die Arbeitsstelle gebunden war. In einer Notunterkunft muss er nun unter schlechten Bedingungen versuchen, wieder mobil zu werden. Die ausstehenden Zahlungen an das Krankenhaus und andere Schulden bedrücken ihn und behindern seine Heilung. Wir haben ihm bereits Unterstützung zukommen lassen, die aber noch nicht ausreicht, um ihn wirksam zu entlasten und einen Neuanfang in Aussicht zu stellen. Auch für ihn würde das ein langsames Auftauchen aus dem Schattendasein bedeuten.

Am Jahresende ziehen viele Erlebnisse mit Menschen unterschiedlichster Befindlichkeiten nochmals in unser Bewusstsein. Schön ist es, dass wir in intensiven Gesprächen hier im Lebenshaus mit einigen sehr interessierten Mitgliedern eine Perspektivgruppe und ein Team der Mitarbeitenden bilden konnten, die in konstruktiver Art und Weise mit uns an einer Perspektive für die Arbeit weiterdenken. Das gibt uns Hoffnung und Schwung, im neuen Jahr manches neu anzupacken und zusätzliche neue Schwerpunkte zu setzen. Der Bedarf für Unterstützung von Menschen in Not wird bleiben und wir werden weiterhin das Mitmenschliche im Fokus unserer Arbeit behalten. Für alle Unterstützung danke ich Euch und Ihnen und wünsche einen guten Jahresausklang.

Lebenshaus Schwäbische Alb bittet um Spende zum Jahresende

Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit per Rundbrief, Websites und Newsletter, Aktionen wie Mahnwachen gegen den Ukrainekrieg und am Hiroshima-/Nagasaki-Gedenktag, Veranstaltungen wie z.B. unsere jährlichen Tagungen im Herbst oder Veranstaltungen, die aktive Mitarbeit wie z.B. in der Kampagne „Soziale Verteidigung voranbringen“, die solidarische Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, sowie möglichst Abbau von Verbindlichkeiten für das Gebäude erfordern erhebliche Finanzmittel. Zudem müssen die Personalkosten aufgebracht werden für eine 30-Prozent-Teilzeitstelle (Michael Schmid), Minijob (Katrin Warnatzsch) und einen zweiten Minijob (Julia Kramer), der im kommenden Jahr zu einer umfangreicheren Stelle ausgebaut werden soll. Leider sind wir auch von der allgemeinen Teuerungsrate betroffen, so dass in verschiedenen Bereichen die Kosten nach oben gingen. Jedenfalls drohen dieses Jahr die Ausgaben die Einnahmen deutlich zu übersteigen.

Wir möchten unsere Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie 2023 so engagiert wie bisher fortsetzen können bzw. weiter ausbauen. Damit uns das gelingt, bitten wir um Unterstützung unseres politisch unabhängigen Engagements durch eine Spende oder Fördermitgliedschaft.

Herzlich bedanken wollen wir uns bei allen, die unsere Arbeit unterstützen!

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"Über uns"

Über uns: Lebenshaus Schwäbische Alb

Bei “Transparenz TV” aus Berlin: Das Lebenshaus Schwäbische Alb - Video aus der Sendereihe "Friedensfragen mit Clemens Ronnefeldt"

"Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten"

"Brief vom Herbst 2022" (PDF)

Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" und

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Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt (aktueller Bescheid vom 22.07.2021). Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerabzugsfähig. Ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben).

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Um Info-Materialien anzufordern bzw. für den Antrag auf Fördermitgliedschaft, für die Ausstellung einer Einzugsermächtigung und Weiteres kann die PDF-Dateii Rückantwort-Formular ausgedruckt und ausgefüllt an uns zurückgesandt werden. Wer speziell den Solidarfonds "Grundeinkommen Friedensarbeit" fördern möchte, kann dieses Formular verwenden Antwortformular Solidarfonds (PDF-Datei)

Fußnoten

Veröffentlicht am

13. Dezember 2022

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