75 Jahre Arbeit für den Frieden: pax christi JubiläumVon der Aussöhnung mit Frankreich bis zur Forderung nach Aufbau einer Struktur gewaltfreier ziviler Verteidigung in DeutschlandAuf 75 Jahre Arbeit für den Frieden hat pax christi Rottenburg-Stuttgart am vergangenen Wochenende (14.-16.07.2023) zurückgeblickt. Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine forderten die pax christi Mitglieder auf der Diözesanversammlung den Aufbau einer staatlichen Struktur gewaltfreier ziviler Verteidigung in Deutschland. Höhepunkt der Diözesanversammlung war ein Festgottesdienst mit Pfr. Dr. Wolfgang Gramer mit anschließendem Rückblick. Dazu gehörten die in den 70er Jahren begonnenen Kontakte zu Christ:innen nach Galiläa in Israel. Heute gibt es einen Freiwilligendienst. Zwei junge Frauen, die diesen Dienst für pax christi in Betlehem und im Projekt Oase des Friedens ausüben werden, wurden von der Versammlung ausgesandt. Weitere Bereiche der katholischen Friedensbewegung waren, als kleines Zeichen der Unterstützung der Ostpolitik, den Friedhof sowjetischer Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangener in Biberach zu pflegen und den Toten dort Namen zu geben, die Friedensdienste im Kosovo, das Friedensschiff auf dem Bodensee und das Gedenken zusammen mit pax christi Frankreich in Arras anlässlich des 100. Jahrestages des Endes des 1. Weltkrieges. Der Wechsel der ehrenamtlichen pax christi Geschäftsstelle von Biberach nach Stuttgart in den 80er Jahren festigte die Friedensarbeit in Württemberg. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart sorgte für die Anstellung eines hauptamtlichen Referenten für Friedensbildung, der gleichzeitig pax christi Geschäftsführer ist sowie für eine Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle. Im Hohenheimer Park erinnert seit Samstag eine Baumpatenschaft und die Plakette "Frieden muss wachsen" an den 75. Geburtstag von pax christi. "Den Frieden gewinnen!" war die politische Matinée überschrieben, mit der am Sonntagvormittag die Jubiläumsveranstaltung abschloss. In der Akademie der Diözese in Hohenheim diskutierten fünf renommierte Wissenschaftler:innen Fragen um Aufrüstung und den Ukraine-Krieg, um Atomkriegsgefahr und Gewaltprävention, die Friedensbemühungen des Papstes sowie um christliche Friedensethik und Pazifismus. Michael Schüßler, Professor für Praktische Theologie an der Universität Tübingen befürchtet, dass Gewalt und Renationalisierung zukünftig die deutsche und die europäische Politik bestimmen werden. Es gebe keine Fortschrittserzählung, dass es immer mehr Frieden gebe, sondern jede Epoche müsse immer neu das Zeugnis von Krieg und Frieden erzählen. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine können wir humanitäre Hilfe leisten, betonte die geschäftsführende Direktorin des Friedensinstituts in Freiburg, Karen Hinrichs. Die Umkehrung, der Ukraine helfen nur Waffen, sei zynisch und in der Logik der Militärs. Es gebe ein Genug an Zerstörung und Selbstzerstörung. Sie plädierte dafür, das UNESCO Anliegen aufzunehmen, überall eine Kultur des Friedens zu entwickeln. "Zeitenwende" bedeutet für den Philosophieprofessor Olaf Müller von der Humboldt Universität Berlin, dass viele Leute nun der Meinung sind, wir leben in einer Vorkriegszeit und nicht mehr in der Nachkriegszeit. Seiner Ansicht nach ist die Atomkriegsgefahr wieder näher gerückt. Durch Waffenlieferungen verlängere sich die Zeit der Atomkriegsgefahr. Am wahrscheinlichsten sei ein Atombombeneinsatz aus Versehen. Er befürchtet eine Gewöhnung an die Atomkriegsgefahr. Professorin Hanne-Margret Birckenbach, Friedens- und Konfliktforscherin, berichtete über die Forschung, die seit langem darauf hingewiesen habe, was sich zwischen Ost und West anbahnt. Doch Konfliktprävention sei vor allem vom Westen nicht gewollt gewesen, erläuterte die Göttinger Friedenspreisträgerin 2023. Sie erinnerte an die Weizäckerstudie aus den 80er Jahren, wonach ein Land nur durch absolute Zerstörung zu verteidigen sei. Dabei sei Gewaltfreiheit ein weltumspannendes Konzept, das die UNO verfolge. Für diese Präventionsarbeit müssten endlich Mittel bereitgestellt werden. Stattdessen werden wir "vorbereitet, uns auf einen ganz langen Krieg einzustellen", kritisierte Gregor Lang-Wojtasik, Pädagogikprofessor an der PH Weingarten. Warum zunächst Zerstörung nötig ist, um dann zu einem Frieden zu gelangen, war für den 55jährigen Pazifisten noch nie einsichtig. Er bezog sich ebenfalls auf die Friedensagenda der Vereinten Nationen, wie sie in den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen zum Ausdruck kommt. Mit einer Gedenkminute gedachte die Versammlung des am Sonntagmorgen verstorbenen Bischofs Luigi Bettazzi. Er gehörte zu den letzten lebenden Konzilsvätern, trat für eine bescheidene Kirche ein und war von 1978 bis 1985 Präsident von Pax Christi International. Bis vor wenigen Wochen hatte der 99jährige noch an Friedensdemonstrationen teilgenommen.
Quelle: pax christi Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart - Pressemitteilung vom 18.07.2023. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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