Gefährlicher VertrauensverlustAngesichts der Reaktionen auf den Gazakrieg verliert die feministische Außen- und Entwicklungspolitik der Bundesregierung massiv an Glaubwürdigkeit.Von Lydia Both Wer sich vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Israel und der Hamas und im Angesicht der humanitären Katastrophe in Gaza zwischen unterschiedlichen Realitäten und ihren Diskursen bewegt, bleibt oft sprachlos zurück. In Deutschland rückten Politik und Medien die Sicherheit und das Selbstverteidigungsrecht Israels nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober ins Zentrum der Debatte. Gleichzeitig wächst in der arabischsprachigen Welt und darüber hinaus die Wut und die Trauer angesichts des schier unfassbaren Leids, das die israelische Armee derzeit in Gaza anrichtet. Das Einzige, was diese beiden unterschiedlichen Positionen vereint, ist das Fehlen jeglicher Empathie für die jeweils andere Seite. Die Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Realitäten und Wahrnehmungen, der Israelis, wie auch der Palästinenser, muss erkannt und ausgehalten, und darf nicht a priori delegitimiert werden. Dabei helfen könnten die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbarte feministische Außenpolitik und die feministische Strategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die nicht nur Handlungsanweisungen, sondern auch eine Sprache bereithalten, die unterschiedslos für alle außenpolitischen Krisen gelten sollte und der wir uns bedienen könnten, um auf den Krieg im Gazastreifen zu reagieren. Doch an welcher Stelle wurden diese Leitlinien seit dem 7. Oktober angewandt? Sicher nicht, als die deutsche Zusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten und mit der dortigen Zivilgesellschaft automatisch unter Terrorverdacht und damit auf den Prüfstand gestellt wurde. Wie feministisch war es, in einem zweiten (weitaus weniger hörbaren) Atemzug nachzuschieben, dass die Unterstützung von Frauen und Kindern prioritär sei und daher schnell überprüft werde? Sie galten auch nicht, als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in der EU geradezu reflexhaft, aber wenig feministisch, gegen einen humanitären Waffenstillstand in Gaza stimmte, um gar nicht erst in Verdacht zu geraten, das Selbstverteidigungsrecht Israels, das davon nicht betroffen wäre, in Frage zu stellen. Lydia Both ist Leiterin des Regionalprojekts Politischer Feminismus und Gender der Friedrich-Ebert-Stiftung in Beirut. Quelle: IPG-Journal - 23.11.2023. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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