Ökopax? - Warum die jungen Klimaschützer auf dem rüstungspolitischen Auge blind sindVon Leo Ensel Dass der Kampf gegen die Klimakatastrophe und der Kampf gegen Krieg und Aufrüstung inhaltlich zusammengehören, müsste eigentlich jedem denkenden Menschen klar sein. Wie kommt es daher, dass Fridays for Future & Co. sich für Aufrüstung und Kriegsgefahr offenbar nicht interessieren? Werfen wir einmal, um die Gegenwart besser zu verstehen, einen Blick Jahrzehnte zurück in die Achtziger Jahre der alten Bundesrepublik. Vor genau 40 Jahren war dort die heiße Zeit der Massenproteste gegen die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen, die von bundesdeutschem Terrain aus den westlichen Teil der Sowjetunion in circa zehn Minuten erreicht und damit - "Raketen sind Magneten!" - uns selbst zur Zielscheibe eines sowjetischen Präventivschlages gemacht hätten. ÖkopaxWer damals gegen Atomraketen auf die Straße ging - und es waren Hunderttausende aus nahezu allen gesellschaftlichen Milieus -, demonstrierte auch gegen Atomkraftwerke, Wiederaufbereitungsanlagen, Endlager und andere mitweltzerstörende Mammutprojekte. Zwar wurden die Themen "Erderwärmung" und "Klimakatastrophe" noch nicht so virulent diskutiert wie heutzutage, aber die Studie "Global 2000" , 1977 vom damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegeben, hatte nicht nur Umweltkatastrophen für die Zukunft prognostiziert, sondern bereits für die Gegenwart deutliche Klimaveränderungen diagnostiziert. Das Ozonloch ließ jedenfalls schon grüßen. Und dass, Stichwort: "Nuklearer Winter" ( Paul Crutzen ), ein Atomkrieg zwischen den beiden Supermächten das Klima auf unabsehbare Zeit, möglicherweise endgültig ruinieren würde, war Allgemeingut. Kurz: Dass der Kampf gegen die kriegerische und der Kampf gegen die "friedliche" Zerstörung unseres Planeten untrennbar zusammengehören, war damals eine Binse. Entsprechend lautete das Zauberwort, unter dem sich alle vereinigen konnten: "Ökopax". Das hatte sich auch eine junge "Anti-Parteien-Partei" (Petra Kelly), die, gerade als verlängerter Arm der Friedens- und Umweltbewegung in den Bundestag eingezogen, die altbundesrepublikanische Parteienlandschaft gehörig aufmischte, auf ihre grünen Fahnen geschrieben. Publizistisch befördert wurde sie nicht zuletzt durch eine aufmüpfige, ebenfalls sehr junge Gazette mit einem bewusst neutral gewählten Namen. Tempi passati. Die Salti Mortali einer ehemaligen FriedensparteiHeute befindet sich die Welt nach einer vorübergehenden, in erster Linie Michail Gorbatschow zu verdankenden, Phase der realen Abrüstung inclusive Friedensdividende in einem zweiten noch gefährlicheren Kalten Krieg, in dem zugleich sage und schreibe 55 heiße militärische Konflikte , darunter ein Proxykrieg im Zentrum Europas toben. Und was den Widerstand gegen diese Entwicklung angeht, hat sich die Szenerie gehörig verändert. Mittels Totalverweigerung der Diplomatie, Waffenlieferungen, Ausbildung von Soldaten an schweren Kriegsgeräten und moralisch-publizistischer Unterstützung durch Politik und eine (freiwillig nahezu gleichgeschaltete) Medienlandschaft ist unser Land längst indirekter Akteur im Ukrainekrieg. Die einstmals pazifistischen GRÜNEN sind nach schwindelerregenden Salti Mortali nun an der Macht, mit einer smarten Außenministerin, die für die Menschenrechte über Leichen geht und einem Vizekanzler, der vor dem saudischen Kronprinz und mutmaßlichen Khashoggi-Schlächter den Bückling macht - und uns diesen Opportunismus auch noch als verantwortungsethisches Handeln verkaufen will! (Die zur Hauspostille der Regierungspartei avancierte taz assistiert brav, indem sie - vor 40 Jahren noch ein Privileg von Springer-Presse und FAZ - das Wort "Friedensdemonstration" jetzt mainstreamkompatibel in Anführungszeichen schreibt.) Und auf den wenigen Demonstrationen für eine diplomatische Beendigung von Kriegen und gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft dominiert erdrückend die ‚Generation 60 plus’. Die junge Generation dagegen hat sich so ausschließlich auf das Klimathema eingeschossen, dass sie offenbar unfähig ist zu erkennen, dass das Militär selbst zu Friedenszeiten einer der größten Klimakiller ist; geschweige denn, dass man bereits mit einem ‚atomaren Schlagabtausch’ das Klima am ‚Nachhaltigsten’ zerstören könnte. Niemals klafften der Kampf gegen die kriegerische und die "friedliche" Zerstörung unserer Erde weiter auseinander als heute! (Ja, es scheint hier sogar zu einer - sachlich unhaltbaren - Polarisierung zwischen den Generationen gekommen zu sein: Den Alten der Frieden, den Jungen das Klima …) Klimakiller MilitärDeshalb hier zur Erinnerung ein paar Fakten, die die jungen Klimaschützer interessieren müssten.
Die Daten ließen sich beliebig verlängern. Woher also das rüstungspolitische Desinteresse von Fridays for Future & Co.? Ursachen der rüstungspolitischen ApathieMir fallen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, folgende Thesen für die Apathie der jungen Klimaschützergeneration ein.
ICAN als Brücke?Noch einmal: Dass Klimaschutz und Friedenserhaltung sachlich untrennbar zusammengehören, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Praktisch allerdings ist es zu einer relevanten Kooperation zwischen beiden sozialen Bewegungen noch so gut wie nie gekommen. (Falls dies überhaupt je versucht wurde…) Das Thema ist durchaus heikel. Wird es nicht sensibel angegangen, könnte sich im Worst Case die beschriebene Generationenpolarität vielleicht sogar zu einem Generationenkonflikt auswachsen. (Jede Generation, das ist so alt wie die Welt, will sich von der vorangegangenen abgrenzen. Und wer möchte sich schon gerne von den Alten breitärschig belehren lassen?) Die Frage ist, wer hier vermitteln, d.h. die Klimaschützer an das Friedensthema heranführen und im optimalen Falle (die junge) Klima- und (die erheblich ältere) Friedensbewegung zu einer erfolgreichen Kooperation verleiten könnte. Immerhin gibt es eine Organisation, der das möglicherweise gelingen könnte: ICAN, die internationale Kampagne für ein Verbot von Atomwaffen, die - und das war zur Abwechslung mal eine gute Entscheidung - 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde! Diese Initiative hat es nicht nur geschafft, dass mittlerweile 91 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und 68 Staaten ihn ratifiziert haben - es arbeiten hier auch vergleichsweise viele, bestens informierte junge Menschen mit. ICAN könnte der ideale ‚Katalysator’ für ein zeitgemäßes ‚Ökopax’, sprich: für eine Annäherung von Klimaschutz- und Friedensbewegung sein. Sie sollten sich intensive Gedanken darüber machen! Quelle: Globalbridge vom 10.12.2023. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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