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Gegen Rechts aber für Aufrüstung?

Von Benedikt Kern

Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung Ende Februar 2024 in Augsburg haben die katholischen Bischöfe Deutschlands zum Thema Demokratie und Frieden Stellung bezogen. Sie veröffentlichten eine Erklärung mit dem Titel: "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" . Damit haben sich die Bischöfe tatsächlich weiter aus dem Fenster gelehnt, als wir es in den letzten Jahren gewohnt waren. Sie haben die Vielzahl der Krisen benannt, völkischen Nationalismus klar und deutlich verurteilt und sie haben die Notwendigkeit einer Gemeinwohlorientierung unterstrichen. Das sind alles Perspektiven, die bei den deutschen Bischöfen in den letzten Jahren nicht im Vordergrund standen.

Zugleich bleibt das Statement – ganz ohne damit zu überraschen – auf regierungsnaher Linie: Es identifiziert vor allem die AfD als gesellschaftliches Hauptproblem. Doch es ist es ja nicht nur die AfD, die an beunruhigender Relevanz gewonnen hat. Auch in den sogenannten etablierten Parteien haben sich problematische Positionen stark gemacht. Die CDU will mit ihrem Grundsatzprogramm massive Grundrechtseinschränkungen für Geflüchtete einführen, wie beispielsweise Asylverfahren in Drittstaaten, was eine massive Entrechtung zur Folge hätte. Bundeskanzler Scholz hat in Der Spiegel ebenfalls sehr deutlich gesagt: "Wir müssen mehr abschieben." Das sind Positionen, für die gar nicht die AfD notwendig ist. Die gegenwärtige Entrechtungspolitik wird bereits jetzt in Gesetze gegossen. So wurde vor kurzem erst noch das Rückführungsverbesserungsgesetz mit einer massiven Aushebelung von Grundrechten für Geflüchtete eingeführt – und das eben nicht von einer AfD-Regierung. In einer notwendigen Analyse dieser Probleme greift dieses Bischofsspapier zu kurz, wenn es sich im Wesentlichen auf die AfD bezieht.

Es müsste die tiefer liegende Frage dazu gestellt werden, in was für einer Situation von Verunsicherung und auch katastrophistischer Selbstbeschreibung – die ja offensichtlich diese Gesellschaft prägt – stecken wir eigentlich und was wären ganz andere Antworten darauf aus unserer christlich-jüdischen Tradition heraus? Die Perspektive eines Lebens in Fülle für alle, ist doch eine fundamental andere als das, was von den Parteien vielerlei Couleur und rechten Akteuren derzeit vorangetrieben wird.

In ihrem Papier beziehen sich die Bischöfe auch positiv auf die Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Prinzipiell ist auch dies überraschend, da es nicht so oft vorkommt, dass ein Papier in der Bischofskonferenz sich positiv auf Bewegungen auf der Straße bezieht. Gleichzeitig wird auch hier nicht deutlich gemacht, dass zwar gegen den das Erstarken rechter Positionen demonstriert wird, aber dabei nicht thematisiert wird, dass der vermeintliche Rechtsruck schon längst stattfindet. Er ist nicht nur imaginär, in dem Sinne, dass er wirkmächtig würde, wenn die AfD an die Macht käme bei einer nächsten Wahl, sondern viele Forderungen, die die AfD für die Zukunft stellt, sind jetzt schon Regierungshandeln . Diese Position kommt auf den Demonstrationen sehr wenig zur Sprache und das Bischofspapier hat es im Grunde genommen verpasst, genau das auch zumindest kritisch in Frage zu stellen.

Ebenfalls aus Anlass er Vollversammlung haben die deutschen Bischöfe ihr neues Friedenspapier Friede diesem Haus veröffentlicht. Darin zeigt sich ebenfalls, dass eine Kritik des Regierungshandelns von den Bischöfen nicht formuliert werden soll. So wird eine weitere Aufrüstung zur Abschreckung, kriegerische Involvierung in diversen Kriegen weltweit, Waffenlieferungen, ein Ausbau der Rüstungsindustrie nicht eindeutig problematisiert. Die Bischöfe schwanken zwischen christlichem Pazifismus und der Perspektive eines ,gerechten Krieges` bzw. des Rechts auf Selbstverteidigung. Hier wird versucht, letztlich eine Vermittlung von zwei theologischen Positionen zu unternehmen, die nicht wirklich vermittelt werden können. Durch dieses unklare Sowohl-als-auch wird letztlich für die Legitimation von staatlichen Kriegen votiert. Interessant ist, dass in dem Dokument ,Friede diesem Haus` der Begriff des christlichen Realismus geprägt wird. Bei der Vollversammlung der Bischöfe wurde das auch dadurch deutlich, dass man den Oberbefehlshaber der Bundeswehr zu einem Gespräch eingeladen hat. Nirgendwo aber war davon die Rede, dass auch VertreterInnen der Friedensbewegung mit eingeladen worden wären. Es gibt bei den Bischöfen also offensichtlich ein sehr klares Verständnis von diesem christlichen Realismus, was nahtlos an die Politik der Bundesregierung anschließt.

Im Gegensatz dazu stehen die Texte von Papst Franziskus, der sehr deutlich von einem "Dritten Weltkrieg auf Raten" spricht und der eine entschiedene Kritik der Rüstungsproduktion weltweit und der damit verbundenen Profitinteressen vornimmt.

In einer Zeit, in der sich die globalen Konflikte zuspitzen, wo die geostrategischen Auseinandersetzungen immer mehr Dynamik gewinnen, kann es für ChristInnen nicht darum gehen zu sagen, wir stehen auf der einen oder auf der anderen Seite zweier Kriegsparteien – also unterstützen wir Russland oder die Ukraine, Israel oder Palästina, Saudi-Arabien, Jemen oder den Iran? Vielmehr muss es um eine dritte Position gehen: Um global diese Konflikte in den Griff kriegen zu können, braucht es eine konsequente Abrüstung, Gespräche und es braucht Auseinandersetzungen auf einer anderen Ebene als der mit Waffen.

Der von den Bischöfen verwendete Begriff der Sicherheit ist schließlich kein jüdisch-christlicher, sondern ganz im Gegenteil. Christliche Nachfolge heißt immer, ein Wagnis eines Lebens in Freiheit und Gleichheit einzugehen.

Quelle: Institut für Theologie und Politik (ITP) .

Veröffentlicht am

06. März 2024

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