Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Kein Waffenstillstand und keine Freilassung von Geiseln

Israel lehnt das von der Hamas gebilligte Waffenstillstandsabkommen ab

Die Hamas akzeptierte die von den USA angebotenen Bedingungen für einen Waffenstillstand, Israel jedoch nicht. Trotz des internationalen Drucks, der darin gipfelte, dass die USA einen Teil ihrer Waffenlieferungen an Israel einstellten, ist die israelische Regierung entschlossen, den Kampf gegen den Gazastreifen fortzusetzen, selbst um den Preis, dass die von der Hamas festgehaltenen israelischen Geiseln getötet werden. Die USA haben ihre Position geändert und rufen nun vergeblich zu einem Waffenstillstand auf, denn sie haben ihren Einfluss auf die israelische Regierung verloren. Netanjahu widersetzt sich offen der US-Regierung und sabotiert die Gespräche.

Die Ereignisse der letzten Woche waren ein besonderer Moment in Israels Krieg gegen Gaza. Die USA haben ihre politische Position geändert.  Während sie bisher Israel ermutigten, in Gaza weiter zu kämpfen und das Töten zu eskalieren, haben sie jetzt begonnen, den Druck auf Israel und die Hamas zu erhöhen, um ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Die USA reden jetzt nicht mehr einer "humanitären Pause" das Wort, die lediglich eine kurze Unterbrechung der Kämpfe bedeutet hätte, auf die eine Wiederaufnahme der Bombardierung und der Invasion gefolgt wäre. Sie sprechen inzwischen offen von einem "Waffenstillstand", also einer längeren Unterbrechung der Kämpfe. Um den Druck auch auf die Hamas zu erhöhen, haben die USA Katar, das die Hamas-Delegation beherbergt, mitgeteilt, dass Katar die Hamas-Delegation ausweisen und die Verhandlungen beenden sollte, falls die Hamas das aktuelle Angebot nicht annehmen würde.

Der Politikwechsel der USA führte zu einer Intensivierung der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, was zu einem Vorschlag führte, den die USA als "großzügig" bezeichneten. Die Hamas hat dem Abkommen zugestimmt. Es sieht eine schrittweise Freilassung der israelischen Geiseln im Gegenzug zu einer teilweisen Freilassung der palästinensischen Gefangenen und einem verlängerten Waffenstillstand vor. Die Hamas ist sich bewusst, dass die Freilassung aller Geiseln Israel die Möglichkeit gibt, den Waffenstillstand zu brechen. In Israel ist der Öffentlichkeit bekannt, dass die Hamas zu Beginn des Krieges bereit war, alle israelischen Geiseln gegen alle palästinensischen Gefangenen auszutauschen. Diese Forderung lehnte Israel jedoch ab, weil Netanjahu erklärte, Israels Ziel sei es, die Hamas zu vernichten, und dass der Krieg erst nach einem "vollständigen Sieg" beendet werde. Das jetzt ausgehandelte Abkommen ist für beide Seiten viel schlechter als das Angebot der Hamas vor sechs Monaten. Die verbleibenden Geiseln, die den Krieg bis jetzt überlebt haben, nachdem viele bei israelischen Bombardierungen und fehlgeschlagenen Rettungsaktionen getötet worden waren, sind größtenteils krank, traumatisiert und sogar dauerhaft behindert. Inzwischen hat die Zahl der palästinensischen Todesopfer in Gaza 34.000 überschritten, die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. Tausende sind unter den Trümmern eingeschlossen und gelten als tot, bis zu 80.000 sind verletzt, die übrige Bevölkerung leidet an Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung, die Mehrheit der Menschen im Gazastreifen hat ihre Häuser verloren. Die Hamas bleibt jedoch stark und verfügt offenbar über genügend Soldaten und Munition, um weiter zu kämpfen. Der israelische General im Ruhestand Yitzhak Brick warnte Israel vor einem Einmarsch in Rafah -  nicht aus moralischen oder politischen Gründen, sondern weil die israelische Armee in einen Hinterhalt geraten und schwere Verluste erleiden würde.

Obwohl die Hamas das Abkommen akzeptiert hat, hat Israel dies nicht getan. Teile der Regierung erklärten den Medien umgehend, dass das Abkommen für Israel inakzeptabel sei. Kolonisierungsministerin ("Ministerin für die Siedlungen") Orit Strook sagte, dass "eine Regierung, die ihre Kriegsziele wegen 22 oder 33 Menschen aufgibt, kein Recht hat zu bestehen". Netanjahu erklärte, das Problem mit dem Abkommen sei, dass "die Hamas darauf bestehe, den Krieg zu beenden".  Der israelische Außenminister Israel Katz stellte klar, dass Israel den Krieg fortsetzen wird.

US-Beamte haben durchsickern lassen, dass die USA Waffenlieferungen an Israel verzögern, weil Israels Aggression die von der US-Regierung Biden gesetzten Grenzen überschreitet. Als die Warnungen keine Wirkung zeigten, gaben die USA eine offizielle Erklärung ab, wonach sie erwägen, die Waffenlieferungen an Israel zu blockieren, insbesondere die schweren Bomben, mit denen Israel wahllos dicht besiedelte palästinensische Stadtviertel bombardiert. Schließlich sagte Außenminister Blinken deutlich, dass die Waffenlieferungen gestoppt werden, wenn Israel in Rafah einmarschieren wird. Er sagte dies jedoch, nachdem Israel bereits in den südlichen Teil von Rafah eingedrungen war und die Kontrolle über den als "Philadelphi-Achse" bekannten Durchgang zwischen Gaza und Ägypten übernommen hatte. Israel nutzte die Kontrolle über den Durchgang, um Hilfslieferungen nach Gaza zu blockieren, ein Versuch, die Bevölkerung des Gazastreifens auszuhungern, was nicht den Einsatz von Waffen erfordert.

In Israel wächst die Frustration über die Weigerung der Regierung, ein Abkommen zu unterzeichnen, die Geiseln zurückzubringen und den Krieg zu beenden. Der ehemalige Generalstabschef, Generalmajor Aviv Kochavi, sagte, es gebe keine andere Möglichkeit, die Geiseln nach Hause zu bringen, als den Krieg zu beenden. Netanjahu wird beschuldigt, die Gespräche zu sabotieren, um den Ausnahmezustand aufrechtzuerhalten, weil er es ihm ermöglicht, an der Macht zu bleiben, obwohl er keine öffentliche Unterstützung mehr hat. Viele werfen Netanjahu auch vor, den Ruf Israels zu ruinieren und die Beziehungen Israels zu all seinen Verbündeten zu sabotieren, sogar zu den USA, die nun Waffen zurückhalten (obwohl Deutschland Israel nach wie vor unterstützt). Nichtsdestotrotz reisten die Delegationen Israels und der Hamas am 9. Mai von Kairo ab, ohne ein Abkommen zu unterzeichnen. Die Verhandlungen sind offenbar beendet, was die Hoffnung von Millionen Palästinensern auf einen baldigen Waffenstillstand zunichte macht.

Quelle:  BIP e.V. - BIP-Aktuell #304 (hier ist der Artikel mit zahlreichen Quellenhinweisen verlinkt).

Veröffentlicht am

14. Mai 2024

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von