“In Gaza wäre ein UN-mandatiertes Protektorat die beste Lösung”Eine eigene Verwaltung könnte Palästina erst in fernerer Zukunft wählen. Das meint Nahost-Spezialist Andreas Zumach.Das Protektorat ist ein Gemeinwesen, das nur teilweise souverän ist. Ein völkerrechtlicher Vertrag würde dessen Territorium dem UN-Sicherheitsrat unterstellen. Damit sich die maßgeblichen Länder auf eine solche Lösung für den Gazastreifen einigen könnten, bräuchte es laut Andreas Zumach folgende Voraussetzungen:
Das Territorium eines palästinensischen Staates müssten die 22 Prozent des Landes umfassen, von denen beide Parteien an der Osloer Friedenskonferenz im Jahr 1993 ausgegangen waren. Beide Seiten müssten von "unakzeptablen territorialen Ansprüchen" Abstand nehmen: Die Palästinenser auf die 42 Prozent des Territoriums, die ihnen 1947 versprochen wurden; und Israel auf Gebiete, welche Siedler seit 1993 im Westjordanland besetzten. Die Stolpersteine sind groß. Zumach rechnet damit, dass sich etwa 20 Prozent radikale Siedler trotz Wohnangeboten in Israel weigern würden, zurückzukehren. Das israelische Militär müsste sie zwingen. Andere Lösungen noch weniger realistischDoch andere Lösungen für die Zukunft des Gazastreifens seien noch schwieriger zu realisieren oder noch weniger realistisch, meinte Andreas Zumach am 3. Juni in seinem Vortrag an der Volkshochschule der Universität Zürich. Folgende zwei andere Vorschläge werden diskutiert:
Saudi-Arabien war nahe daran, unter Mitwirken der USA mit Israel ein Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen zu vereinbaren wie dasjenige, das die Emirate und Bahrein im Jahr 2020 mit Israel abschlossen. Falls der Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober zum Ziel gehabt habe, ein solches Abkommen zu torpedieren, dann habe die Hamas dieses Ziel erreicht. Neue AusgangslageDer Terroranschlag der Hamas und der Krieg Israels im Gazastreifen haben nach Zumachs Einschätzung die Ausgangslage im Nahen Osten grundlegend verändert. Es sei offenkundig, dass es nicht so weitergehen könne wie in den letzten 60 Jahren, in denen das Grundproblem eines palästinensischen Staates nicht gelöst wurde. Erschüttert sei seit dem 7. Oktober auch das jahrzehntelange Versprechen Benjamin Netanyahus "Ich bin der Garant Eurer Sicherheit". Präsident Jo Biden könnte die Wiederwahl verlieren, wenn Hunderttausende seiner Wählerinnen und Wähler wegen seiner Israel-Politik der Urne fernbleiben. Über die Zukunft entscheide wesentlich auch die Weltordnung der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre. Der "Worst Case" sei eine bipolare Konfrontation zwischen den USA und China. Dies würde den UN-Sicherheitsrat wegen des Vetorechts der Mitglieder und andere UN-Organisationen blockieren. Die optimistischere Variante sei eine multipolare Weltordnung, in der ein paar maßgebliche Akteure gemeinsame Interessen vorfolgen. Sie lösen regionale Konflikte und beschließen Maßnahmen, um die Klimakrise zu bewältigen. Zu den maßgeblichen Akteuren könnten die USA, China, die EU, Indien, Brasilien, Russland und eventuell Südafrika gehören.Andreas Zumach hofft, dass eine bipolare Konfrontation vermieden werden kann. Andreas Zumach, geboren 1954 in Köln, Journalist und Buchautor, war von 1988 bis 2020 Korrespondent am UNO-Sitz in Genf. Er arbeitete für die Berliner Tageszeitung taz, andere Printmedien, Radio- und Fernsehanstalten in Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern. Heute schreibt er für Infosperber und die WOZ und ist als Experte für internationale Beziehungen und Konflikte tätig. Im April 2021 erschien sein Buch "Reform oder Blockade" - welche Zukunft hat die UNO?" im Rotpunkt-Verlag Zürich. Quelle: Infosperber.ch - 15.06.2024. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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