Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Der Friedensmahner Johann von Bloch (1836-1902)

Eröffnung des Editionsprojekts "Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien"

Von Peter Bürger

Unter Mitträgerschaft des Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. entsteht ab diesem Sommer das fortlaufende Editionsprojekt "Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien" - im Rahmen der friedensbewegten Publikationsreihe "edition pace". An dieser Stelle wird der erste, bereits im Juni 2024 erschienene Band, vorgestellt.

Johann von Bloch: Die wahrscheinlichen politischen und wirtschaftlichen Folgen eines Krieges zwischen Großmächten. Neuedition der Übersetzung von 1901 mit Begleittexten von B. Friedberg, Manfred Sapper und Jürgen Scheffran.
(= edition pace | Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien 1). Herausgegeben von Peter Bürger. Norderstedt: BoD 2024.
(ISBN: 978-3-7597-2313-0; Paperback; 126 Seiten; 9,90 Euro)

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe auf der Verlagsplattform (überall im nahen Buchhandel bestellbar):
https://buchshop.bod.de/die-wahrscheinlichen-politischen-und-wirtschaftlichen-folgen-eines-krieges-zwischen-grossmaechten-johann-von-bloch-9783759723130

Der russische ‚Eisenbahnbaron’ und autodidaktische Friedensforscher Johann von Bloch (1836-1902), aufgewachsen in Polen als Sohn einer ärmlichen jüdischen Handwerkerfamilie, war aufgrund der äußeren Zeitumstände zum Christentum konvertiert. Gleichwohl zitierte die jüdische Monatsschrift ‚Ost und West’ vom Februar 1902 einen Nachruf von N. Sokolow mit folgenden Passagen: "Der Friedensapostel … Johann Gottlieb von Bloch ist mehr als ein Haute-Finanzier und Großindustrieller gewesen. Ein Stück Judengeschichte sinkt mit ihm ins Grab, eine der Figuren verschwindet, die nicht weniger kennzeichnend für eine Epoche sind als jene Allergrößten, die neue Pforten der Entwickelung erschließen […] Ein jüdischer Streber in den [18]50er Jahren, ein internationaler Friedenspionier am Ende seiner Laufbahn […] Unwillkürlich empfängt man hier den Eindruck, als ob ein alter, jüdischer Volksgedanke, eine Jesaiah’sche Idee im Herzen eines Sohnes unseres Stammes wieder aufgelebt hat. […] Bloch war trotz seiner Assimilation einer der besten Halbjuden: ein heller jüdischer Geist, ein warmes, jüdisches Herz, ein praktisches Genie und ein Dichter."

Im gleichen Periodikum schreibt Dr. B. Friedberg dann im Jahr 1919: Die Anstifter des Weltkrieges "werden sie sich nicht damit entschuldigen können, sie wären nicht gewarnt worden; denn Gott wird zu ihnen sprechen: Habe ich nicht Propheten zu euch geschickt, die euch zur Umkehr und zum Frieden mahnten … Es war etwas ganz Neues, bis dahin Unerhörtes, als im Jahr 1899 aus den Reihen der Wirklichkeitsmenschen, der Führer und Organisatoren des europäischen Wirtschaftslebens dem Völkerfrieden ein mächtiger Fürsprecher, dem Kriege ein heftiger und unerbittlicher Gegner erstand, nämlich Johann von Bloch, der wirkliche Urheber der Haager Friedenskonferenzen." B. Friedberg schreibt Bloch im gleichen Aufsatz noch folgendes testamentarisches Bekenntnis zu: "Ich war Zeit meines Lebens ein Jude und sterbe als Jude!"

Johann von Bloch (Ivan Blioch / Jan Bloch) hat schon 1898 in sechs Bänden sein anschließend in mehrere Sprachen übersetztes monumentales Werk über den modernen Krieg im Industriezeitalter vorgelegt. In diesen Studien, so Jürgen Scheffran, "wollte Bloch nicht nur beschreiben, er wollte den Gang der Geschichte auch beeinflussen. Geradezu ambivalent ist sein Unterfangen, die destruktiven Möglichkeiten des Krieges rational und empirisch aufzuzeigen, zugleich aber seine Sinnlosigkeit zu belegen und ihn politisch unmöglich zu machen … Die Analysen Blochs wurden mit geradezu unerbittlicher Präzision im Ersten Weltkrieg bestätigt. Viele Überlegungen zum Krieg wie zum Frieden bleiben bis heute aktuell. Die Vernichtungswirkung der Waffentechnik wurde gegenüber dem Ersten Weltkrieg ins Unermessliche gesteigert und führte zum Totalen Krieg, der ganze Gesellschaften erfasste … Damit Krieg unmöglich wird, gilt es …, die zum Kriege drängenden Sachzwänge zu vermeiden und alternative Entscheidungsspielräume zu schaffen. Hierzu gehört, den Bedingungen für einen neuen großen Krieg entgegen zu wirken …".

"Blochs größtes Verdienst", so urteilt auch Manfred Sapper (Zeitschrift "Osteuropa", 2008), "sind seine Initiativen, den Krieg zu überwinden. Er gab den Anstoß zur Haager Friedenskonferenz. In seinem fundamentalen Werk ‚Der Zukunftskrieg’ prognostizierte er die totale Vernichtung durch die industrialisierte Kriegführung. Er forderte den Abschied von Clausewitz und plädierte für Rüstungskontrolle sowie für die Schaffung eines internationalen Gerichtshofs. Diesem Werk gebührt der Platz eines Klassikers in der historischen Friedensforschung".

Johann von Blochs ökonomisch ausgerichtete Schrift "Folgen eines Krieges zwischen Großmächten" von 1901, die wir jetzt als Neuedition vorlegen, ist keine Zusammenfassung des sechsbändigen Werkes zum ‚Zukunftskrieg’, sondern ‚nur’ eine ergänzende Wortmeldung - in welcher allerdings die friedensbewegten Grundanliegen des Verfassers zur Sprache kommen. Am ‚Vorabend’ seines Todes plagte Bloch, den wissenschaftlichen Aufklärer, größte Skepsis hinsichtlich der Lernbereitschaft verantwortlicher Politiker. Mehr als 120 Jahre, zwei Weltkriege mit 17 und 70 Millionen Toten, das nukleare Damokles-Schwert sowie neue totalitäre Potenzen einer Kriegsführung mithilfe sogenannter ‚Künstlicher Intelligenz’ liegen zwischen seiner Sorge und uns Heutigen. Können wir gegenwärtig sagen, dass die Regierenden - wie Bloch forderte - die möglichen Folgen ihrer Handlungen zuerst gründlich studieren?

Die digitale Erstausgabe der hier vorgestellten Edition ist ursprünglich als Sonderband der Tolstoi-Friedensbibliothek erschienen.

Veröffentlicht am

20. August 2024

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