Machtwechsel in Syrien: “Syrien ist nicht sicher”Von Gesa von Leesen (Interview) Er warnt vor al-Jolani, dem neuen starken Mann in Syrien, und fordert den Westen auf, keine Waffen an die Türkei zu liefern. Der Politologe und Islamwissenschaftler Monzer Haider floh vor elf Jahren aus Syrien, ist Vorstandsmitglied im Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und angeekelt von der deutschen Abschiebedebatte. Herr Haider, wie geht es Ihnen zur Zeit? Es ist nicht einfach, aus der Ferne die Nachrichten zu verfolgen, vor allem, wenn man Kontakte zu Menschen in Syrien hat und nicht weiß, wie es weitergeht. Da ist Freude und gleichzeitig Angst, weil die Zukunft so unsicher ist. Das sind gemischte Gefühle. Die Sorgen um die Familie, um die Zukunft des Landes und natürlich auch die Freude, dass Assad weg ist. Ich weiß nicht, wie man das in Worten fassen kann. Mit wem haben Sie Kontakt in Syrien? Und wo sind Ihre Leute? Ich habe Verwandte, sie sind gerade in Afrin, im Nordwesten von Syrien. Und ich habe Freunde in Aleppo, wo ich studiert habe. Aber gerade ist die Kommunikation nicht einfach, weil das Internet nicht stabil ist. Wie schätzen Sie denn die Lage vor Ort ein? Haben die Menschen Angst oder überwiegt die Freude? Wenn man sich mit der syrischen Geschichte auseinandersetzt, gerade mit der modernen Geschichte, kann man nur eine Meinung haben, nämlich dass man sehr froh ist, dass das Assad-Regime weg ist. Eine Familie, die Syrien seit 54 Jahren mit Gewalt, Militär und Repressionen regiert und das Menschsein in Syrien mit Füßen getreten hat. Gerade für Minderheiten war es schlimm. Zum Beispiel für die Kurden, deren Identität, Sprache, Tradition und Kleidung unterdrückt wurden. Dann die Gewalt, die die Menschen dort über Jahrzehnte erlebt haben. Ich kann mich selbst erinnern, dass es sehr schwierig war, über Assad zu reden – sogar über das Tier. Al Assad heißt ja Löwe. Und man hatte Angst, das Wort Löwe in einem falschen Kontext zu benutzen. So wurde man in Assads Syrien sozialisiert. Also sind die allermeisten Menschen jetzt sehr froh – sowohl in der Diaspora als auch in Syrien. Genau das verbindet viele Syrer:innen gerade. Aber es gibt viele andere Fragen, auf die es keine Antwort gibt, und das bereitet vielen Sorge, besonders bei den Minderheiten. Wer kommt jetzt an die Macht? Quelle: KONTEXT:Wochenzeitung - 18.12.2024. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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