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Rüstung statt Rente!

Ein Kommentar zur aktuellen Debatte um höhere Militärausgaben und Kürzungen der Sozialetats

Von Jürgen Wagner

US-Präsident Donald Trump ist ein Glücksfall für die (deutsche) Rüstungsindustrie: Schon während seiner ersten Amtszeit 2016 bis 2021 konnte sich auf seine nassforschen Forderungen nach höheren Rüstungsausgaben mit dem Argument bezogen werden, nur so könne verhindert werden, dass die USA nicht von der NATO-Stange gingen (siehe IMI-Analyse 2017/28). Damals ging es "nur" um Militärausgaben im Umfang von 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die inzwischen durch massive Ausgabensteigerungen von fast allen NATO-Staaten auch erreicht werden. Für Deutschland bedeutete das nach NATO-Kriterien einen Anstieg der Militärausgaben von 34,7 Mrd. Euro oder 1,19% des BIP (2014) auf 90,6 Mrd. Euro oder 2,12% des BIP (2024). Was hier hinter vergleichsweise gering anmutenden BIP-Prozentzahlen bemäntelt wird, bedeutet de facto, dass die Militärausgaben schon im vergangenen Jahr – das Sondervermögen mit hineingerechnet – rund 18 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes betragen haben!

Kurz vor seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 haute Trump nun mit seiner Forderung nach Militärausgaben von 5% des BIP noch einmal so richtig auf den Putz. Die Reaktionen hierzulande ähnelten sich: An und für sich sei das alles ja recht unverschämt, aber im Kern werde man eben nicht um drastische Erhöhungen herumkommen, nur eben nicht in dem – ohnehin völlig unrealistischen – von Trump geforderten Ausmaß. Und auch wie das Geld aufgebracht werden soll, wissen einige – wie im Übrigen schon seit Jahren – wieder ganz genau: durch Sozialkürzungen. Typisch war etwa der Kommentar des ohnehin stets rüstungsfreundlichen Deutschlandfunk-Kommentators Marcus Pindur: "Allen Experten, einschließlich Verteidigungsminister Pistorius ist klar, dass wir schnell auf 3 oder 3,5% kommen müssen, um Putin und dessen neokoloniale Aggressionspolitik abzuschrecken. Das muss die erste politische Priorität der nächsten Bundesregierung sein. Doch solange dieses Land mit Verve darüber streitet, ob ein Karenztag bei der Krankmeldung zumutbar ist oder nicht, hat es die Prioritäten nicht richtig sortiert. In den kommenden Jahren kann es nicht mehr um neue soziale Wohltaten gehen, es geht um unsere Sicherheit, das sollte uns der Auftritt Trumps lehren."

Tatsächlich ist es keineswegs so, dass sich in diesen Fragen "alle" Experten einig wären: Im Wesentlichen basieren die Forderungen nach höheren Rüstungsausgaben auf drei weitgehend unhinterfragten, aber dennoch mehr als fragwürdigen Annahmen: Da wäre einmal die vielfach widerlegte These von der kaputtgesparten Bundeswehr, die schon allein angesichts der massiven Budgetsteigerungen der letzten Jahre jeder Grundlage entbehrt (siehe IMI-Studie 2023/2). Auch die Aussagen, die Bundeswehr stehe mal wahlweise "blank" ( Alfons Mais , Heeresinspekteur) oder gar "blanker als blank" ( André Wüstner , Chef des Bundeswehrverbandes) da, ist zweifelhaft, wie ein Vergleich mit den militärische Fähigkeiten Frankreichs und Großbritanniens ergab. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, wäre dies angesichts der massiven Ausgabensteigerungen der letzten Jahre wohl kaum ein Argument, noch mehr Geld in ein komplett dysfunktionales Beschaffungswesen zu kippen. Auf diesen Umstand zumindest wies der ein oder andere Kommentar, etwa in der in der Wirtschaftswoche oder in der Südwestpresse hin, in der es dazu hieß: "Was oben an Euros reingeschüttet wird, kommt unten noch lange nicht als schlagkräftige Armee heraus. Wer nicht gleichzeitig sagt, wie die Truppe und ihr Beschaffungswesen effizienter werden sollen, kann sich den Überbietungswettbewerb sparen." Und da wäre schließlich noch die nie irgendwelchen nachprüfbaren Quellen zugeordnete Behauptung, Russland habe in wenigen Jahren wahlweise die Fähigkeit oder gar die Absicht (noch einmal ein großer Unterschied), NATO-Gebiet anzugreifen. Wie dies angesichts der Tatsache plausibel sein soll, dass Russland den NATO-Staaten aktuell militärisch drastisch unterlegen ist, vermochte bislang ebenfalls noch niemand auch nur halbwegs schlüssig zu erklären. Dementsprechend hieß es in einer Greenpeace-Studie im November 2024: "Die Analyse der militärischen Kapazitäten der Nato und Russlands lässt keinen Zweifel an der allgemeinen militärischen Überlegenheit der Nato. […] Die Notwendigkeit, in Deutschland die Militärausgaben weiter und dauerhaft zu erhöhen und dabei – in logischer Konsequenz – andere essenzielle Bereich wie Soziales, Bildung oder ökologische Transformation nicht ausreichend zu finanzieren, lässt sich daraus nicht ableiten."

Das alles ist allein schon deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es hier eben um immense Summen geht – bei stern.de hieß es: "Der kommende US-Präsident verlangt von den Nato-Partnern gar fünf Prozent des BIP für die Verteidigung – für Deutschland wären das in etwa schwindelerregende 200 Milliarden Euro pro Jahr. In den fünf Jahren bis 2030 wären hier also eine Billion Euro für Verteidigung fällig. Das ist in dieser Höhe unrealistisch, klar – aber die Verteidigungsausgaben werden wohl stark steigen." Im anschließenden Überbietungswettbewerb setzte sich Grünen-Chef Robert Habeck inzwischen fast schon gewohnheitsmäßig mit seiner Forderung nach Militärausgaben von 3,5% des BIP an die Spitze – dies würde Ausgaben im Umfang von rund 140 Mrd. Euro bedeuten. Aber zum Beispiel auch CSU-Chef Markus Söder gab zum Besten , die Verteidigungsausgaben müssten künftig "deutlich über drei Prozent" des BIP liegen. Und auch Falko Droßmann, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, erklärte im Deutschlandfunk-Interview : "Es ist klar, dass wir mehr für Verteidigung ausgeben müssen. […] Das muss weitergehen. […] Natürlich muss der Verteidigungsetat strukturell erhöht werden, das ist ja überhaupt keine Frage. […] Ich glaube, dass es so ist, dass Donald Trump, wie er auch in der letzten Wahlperiode gezeigt hat, also er ist Kaufmann, er ist Händlermentalität, er fängt sehr hoch an und ich bin auch sehr sicher, dass wir auf dem nächsten NATO-Gipfel da was finden werden. Also ich finde durchaus, ja, dass die 2% erhöht werden müssen."

Bei so viel Einigkeit bleibt nur noch die Frage der Re-Finanzierung: Die wollen SPD und Grüne mehrheitlich über eine erneute (und gegebenenfalls generelle) Aussetzung der Schuldenbremse zugunsten höherer Militärausgaben erreichen. Das lehnen FDP und – deutlich entscheidender – die Union bislang strikt ab, sie wollen dies über den Haushalt stemmen – also durch drastische Kürzungsmaßnahmen bei anderen Budgets. Schützenhilfe erhalten sie seit einiger Zeit von arbeitgebernahen Wirtschaftsforschungsinstituten, insbesondere dem Institut für Weltwirtschaft Kiel und dem Ifo Institut für Wirtschaftsforschung München. Deren Chefs, Clemens Fuest (IfW) und Moritz Schularick (ifo), fordern recht ungeniert wortwörtlich "Kanonen statt Butter" (siehe IMI-Standpunkt 2024/14). Aktuell ist es Niklas Potrafke vom ifo Institut, der sich mit Forderungen nach Sozialkürzungen in der aktuellen Debatte bemerkbar macht : "Kernaufgabe der Politik ist es, Prioritäten zu setzen. Deutschland wird nicht nach Belieben konsumtive und investive Ausgaben erhöhen können. […] Verteidigung ist eine Kernaufgabe des Staates und gehört deshalb in den Kernhaushalt. […] Der größte Posten im Bundeshaushalt sind Zuschüsse in die Rentenversicherung – alsbald 130 Milliarden Euro im Jahr. Das ist eine klassische konsumtive Ausgabe. Wir haben es über Jahre verschlafen, wesentliche Strukturreformen anzugehen. Ein prominentes Beispiel ist der Umgang mit dem demographischen Wandel. Wir sollten nun dringend zusehen, durch entschlossenes Anpassen des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung die Zuschüsse in die Rentenversicherung zu reduzieren."

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2025/002.

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Veröffentlicht am

10. Januar 2025

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