Kein AKW in Wyhl! 50 Jahre nach der BauplatzbesetzungVon Axel Mayer Am 18. Februar 1975, vor fast genau 50 Jahren, wurde im Wyhler Wald Geschichte geschrieben. Es war der Tag des Baubeginns für die geplanten Atomkraftwerke der Badenwerk-AG in Wyhl. Männer und Frauen stellten sich mit ihren Kindern vor die Baumaschinen und brachten diese zum Stillstand. Ein Fenster der Möglichkeiten hatte sich am Oberrhein geöffnet und beherzte Menschen ergriffen die Chancen, die ein solches geschichtliches "window of opportunity“ bietet. Wenige Tage zuvor hatten die badisch-elsässischen Umweltaktiven erfahren, dass die illegale Bauplatzbesetzung gegen ein extrem umweltvergiftendes Bleiwerk im benachbarten elsässischen Marckolsheim von Erfolg gekrönt war. Nach der ersten Bauplatzbesetzung in Wyhl folgten die Räumung durch die Polizei, die Wiederbesetzung und ein langer rechtlicher und politischer Streit nach der Beendigung der Besetzung. Erst 1994, acht Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, wurden die Baupläne für die Atomkraftwerke in Wyhl endgültig beendet und seit dem 20. Februar 1998 ist der Wyhler Wald Naturschutzgebiet. Die frühen ökologischen Wyhl-Proteste waren nicht nur das erfolgreiche "NAI HÄMMER GSAIT" zur Atomkraft und der Beginn einer politischeren Umweltbewegung. Es war mit den Sonnentagen in Sasbach auch das "JA" und ein Startschuss für die erfolgreichen zukunftsfähigen Energien, ein "JA" für ein grenzenloses Europa der Menschen und ein Höhepunkt grenzüberschreitend-alemannischer Regionalkultur . Auf dem besetzten Platz entstand mit der Volkshochschule Wyhler Wald eine neue Form alternativer Bildungsarbeit. Das Erfolgskonzept der Proteste war die intensive Beteiligung der Kulturschaffenden und die heute unvorstellbare gesellschaftliche Breite und Vielfalt der Bewegung. Da waren Kaiserstühler Winzerinnen und Freiburger Freaks, wertkonservative Landfrauen und dörfliche Honoratioren. Linke Studierende debattierten mit evangelischen Pfarrern. Das war nicht immer harmonisch. Nach Wyhler Vorbild folgten die erfolgreichen Bauplatzbesetzungen in Kaiseraugst(CH) und Gerstheim(F) . Es begann der große, erfolgreiche Streit einer politischeren Umweltbewegung gegen die damals übliche, heute in dieser Form nicht mehr vorstellbare Vergiftung und Belastung von Wasser und Luft. Mit den erfolgreichen AKW-Bauplatzbesetzungen und der Verhinderung des extrem luftverschmutzenden Bleiwerks in Marckolsheim, mit den Kämpfen für eine saubere Wutach in Neustadt, für einen reinen Rhein und mit Demos und Aktionen gegen das Waldsterben 1.0 begann nicht nur am Oberrhein der Niedergang der "guten, alten, offenen, sichtbaren Umweltverschmutzung". Luft- und Wasserreinigungsanlagen wurden gebaut, Kraftwerke entstickt und entschwefelt, Autos bekamen Katalysatoren, FCKW und Asbest wurden verboten und die zukunftsfähigen Energien begannen ihren langsamen Aufschwung. Heute, 50 Jahre nach der Bauplatzbesetzung, nach Tschernobyl und Fukushima, sind die letzten deutschen Atomkraftwerke abgestellt. Strom aus Wind und Sonne ist um ein Vielfaches kostengünstiger als Strom aus neuen AKW und der Ökostromanteil in Deutschland lag 2024 bei 63 Prozent. Dennoch wird von Parteien und Lobbyisten erneut das alte Märchen des letzten Jahrhunderts von den billigen, 100 % sicheren, atommüllfressenden Atomkraftwerken erzählt. Dies passt gut zum aktuellen, politischen Rollback ins letzte Jahrhundert. Im Wyhler Wald begann 1975 ein neues, wichtiges Kapitel im immerwährenden Streit für menschengerechten Fortschritt und für eine menschenfreundliche, nachhaltige Zukunft. Axel Mayer, ehemaliger Bauplatzbesetzer, (Alt-)BUND-Geschäftsführer. Mehr Informationen, Bilder und Materialien: www.mitwelt.org/kein-akw-in-wyhl.html Kleine Anlage: Es gibt zwei, wenig beachtete "Erfolgsrezepte" des Wyhl Protestes.
Quelle: Mitwelt.org , 16.01.2025. Ausführlich und zahlreiche Bilder hier . Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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