Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Die Ära der Aufrüstung

Brüssel und Berlin planen gigantische Rüstungsschulden

Von Jürgen Wagner

Mit einem fast zeitgleich verkündeten Doppelwumms präsentierten die wahrscheinliche künftige Schwarz-Rote Bundesregierung und auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 4. März 2025 ihre Vorschläge, wie massive Erhöhungen der Militärausgaben finanziert werden sollen: über Schulden. Es folgen die wichtigsten Details soweit bislang bekannt.

Berlin: Rüstung geht immer I

Laut Schätzungen der NATO beliefen sich die deutschen Militärausgaben im Jahr 2024 auf 90,58 Mrd. Euro (2,12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, BIP). Der Betrag setzt sich zusammen aus dem offiziellen Verteidigungshaushalt von 51,95 Mrd. Euro, hinzu sollten 19,8 Mrd. aus dem Sondervermögen und 18,83 Mrd. Euro nach NATO-Kriterien (militärrelevante Ausgaben aus anderen Haushalten, v.a. für Waffenlieferungen an die Ukraine) kommen (weil ein zeitiger Mittelabruf teils nicht gelang, waren es real wohl rund 4,6 Mrd. Euro weniger ).

Obwohl die Ausgaben damit zwischen 2014 (34,75 Mrd. Euro) und 2024 (90,58 Mrd. Euro) bereits drastisch gestiegen sind (wieder laut NATO ), soll damit das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein. Schon im Wahlkampf lieferten sich die Kandidaten einen regelrechten Überbietungswettbewerb in Sachen Militärausgaben. Den Anfang machte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck, der Militärausgaben von 3,5% des BIP forderte . Auch CSU-Chef Markus Söder gab zum Besten , die Verteidigungsausgaben müssten künftig "deutlich über drei Prozent" des BIP liegen. Und Unions-Spitzenkandidat Friedrich Merz äußerte sich: "Ob es nun zwei 2,5 oder 5 Prozent sind, ehrlich gesagt, das hat für mich nur eine zweitrangige Bedeutung." Es müsse sichergestellt sein, "dass wir das notwendige Geld haben, um die Bundeswehr wieder in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag zu erfüllen", wovon sie aktuell "ziemlich weit entfernt" sei.

Noch vor der Wahl wurde dann auch in der Presse berichtet , die NATO beabsichtige auf ihrem Gipfeltreffen im Juni 2025 eine Erhöhung des Mindestausgabenziels von bislang 2 Prozent des BIP auf 3 bis 3,5 Prozent des BIP zu beschließen. Um an diese Werte konkretere Preisschilder zu kleben: 2024 belief sich das deutsche BIP auf 4305 Mrd. Euro, der Haushalt umfasste 476,81 Mrd. Euro. 3,5% des BIP hätten Militärausgaben von ziemlich genau 150 Mrd. Euro bedeutet – rund 32% des gesamten Haushaltes. Würden europaweit mindestens 3,5 Prozent des BIP ausgegeben würden die Militärausgaben auf knapp 600 Mrd. Euro explodieren – Russland kam laut Military Balance 2024 auf Militärausgaben von 145,9 Mrd. Dollar. Obwohl sich hier völlig zurecht die Frage aufdrängt, ob die hier durch die Gegend geisternden Zahlen noch in irgendeinem auch nur entfernt plausiblen Verhältnis zur potentiellen Bedrohung stehen, war die massive Erhöhung der Militärausgaben bei fast allen Parteien völlig unstrittig – uneins war man sich lediglich lange wie dies finanziert werden soll.

Zur Auswahl standen haushaltsinterne Umschichtungen, die aber in diesen Größenordnungen schlicht nicht zu machen sind, wie auch die Union irgendwann einsehen musste. Zwischenzeitlich schien es, als werde ein neues Bundeswehr-Sondervermögen ausgelobt, die Rede war zunächst von 200 Mrd. Euro., dann von 400 Mrd. Euro. Nun scheinen sich Union und SPD auf eine dritte Variante verständigt zu haben: Militärausgaben oberhalb von 1 Prozent des BIP sollen künftig von der Schuldenbremse ausgenommen werden, wobei es dabei wohl weder eine zeitliche noch eine finanzielle Grenze zu geben scheint. Das Fachportal Europäische Sicherheit & Technik schreibt dazu: "Die Höhe der zusätzlich verfügbaren Finanzmittel ist, soweit bekannt, nicht begrenzt. Beobachter schätzen, dass bis zu 400 Milliarden Euro bereitgestellt werden könnten."

Bei diesem demokratisch überaus fragwürdigen Hauruckverfahren war deshalb so große Eile geboten, weil Linke und AfD im nächsten Bundestag angesichts der für diese Änderung erforderlichen 2/3 Mehrheit eine Sperrminorität hätten. Angepeilt wird deshalb eine Abstimmung im Bundestag in der Kalenderwoche 11 ab dem 10. März 2025.

Brüssel: Rüstung geht immer II

Nahezu parallel dazu verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 4. März 2025 ein aus fünf Punkten bestehendes Maßnahmenpaket zur "Wiederaufrüstung Europas" ("ReArm Europe"). Details finden sich in der entsprechenden Presseerklärung von der Leyens:

Punkt 1: Militärausgaben sollen von den Schuldenregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (Maastricht-Kriterien) ausgenommen werden. Ob dies vollständig oder nur zum Teil der Fall sein soll, geht aus den bisherigen Informationen nicht hervor. Die Kommission spekuliert, dadurch könnten Erhöhungen der Militärausgaben um 1,5 Prozent des BIP befördert und allein hierdurch innerhalb der nächsten vier Jahre zusätzliche 650 Mrd. Euro mobilisiert werden. Punkt 2: Es soll ein europäisches Finanzierungsinstrument im Umfang von 150 Mrd. Euro eingerichtet werden. Darüber sollen den Mitgliedsstaaten "Darlehen" für "Investitionen im Verteidigungsbereich" gegeben werden, was auch Rüstungsgüter für die Ukraine einschließt. Punkt 3: Hier soll an die Mittel der Kohäsionsfonds gegangen werden, die eigentlich über die Finanzierung von Umwelt und Infrastrukturmaßnahmen in den ärmeren Mitgliedsländern eine schrittweise Angleichung der Lebensverhältnisse befördern sollen. Nun heißt es aber in der Pressemitteilung der Kommission: "Diesbezüglich können wir kurzfristig viel tun, um mehr Mittel für Investitionen im Verteidigungsbereich bereitzustellen. An dieser Stelle möchte ich verkünden, dass wir den Mitgliedstaaten zusätzliche Möglichkeiten und Anreize vorschlagen werden, damit sie entscheiden können, ob sie die kohäsionspolitischen Programme nutzen wollen, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen." Hier geht es für die ärmeren Mitgliedsländer um beträchtliche Mittel: Im aktuellen EU-Haushalt 2021 bis 2027 sind für die Kohäsionsfonds 42,6 Mrd. Euro eingestellt . Punkt 4: Es soll verstärkt privates Investitionskapitel gewonnen werden. Punkt 5: Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll vor den Rüstungskarren gespannt werden. Lange war dies gänzlich tabu, dann erfolgte eine Öffnung für Güter mit doppeltem Verwendungszweck. Ohne dass dies aus der Pressemitteilung direkt hervorginge, ist davon auszugehen, dass nun EIB-Gelder für die gesamte Rüstungsklaviatur verwendet werden können sollen.

Wirtschaftlicher Holzweg

Das ebenfalls von Union und SPD vorgeschlagene Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Mrd. Euro ist an sich zu begrüßen, auch wenn hier erst einmal abgewartet werden sollte, wieviel davon in die Ertüchtigung von Infrastruktur gesteckt wird, die aus rein militärischen Gesichtspunkten für den schnellen Truppen- und Güterverkehr erfolgt.

Abgesehen von der grundsätzlich notwendigen Kritik an den Plänen zur Erhöhung der Militärausgaben, ist es sicher besser, dass sie nun über Kredite finanziert werden soll, statt den Versuch zu unternehmen, die Gelder durch massive Kahlschläge sämtlicher anderer Budgets unter Einhaltung der Schuldenbremse aufzubringen.

Sicherheitspolitisch lassen sich diese Summen allerdings schon lange nicht mehr begründen, weshalb in jüngster Zeit vor allem unter Berufung auf eine neue Studie des Instituts für Weltwirtschaft auf die vermeintlichen wirtschaftlichen Segnungen kreditgestützter Rüstungsausgaben verwiesen wird. Doch der Glaube, man könne sich aus den aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten herausrüsten, ist eine teure Illusion (siehe dazu IMI-Standpunkt 2025/008). Der wirtschaftliche Nutzen von Rüstungsausgaben ist extrem begrenzt, weshalb sich die daraus resultierenden Schulden als schwere Belastung erweisen werden, schließlich werden ihre Zinsen aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden müssen.

Beunruhigend ist auch, dass es für diese Ausnahmeregelung wohl keine Begrenzungen geben soll, weder zeitlich noch was die Summe anbelangt. Insofern ist Ursula von der Leyen in ihrer Presseerklärung leider recht zu geben, wenn sie festhält: "Wir befinden uns in einer Ära der Aufrüstung."

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2025/017.

Veröffentlicht am

06. März 2025

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von