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Kriegsrecht ohne einen Schuss verhindert

Ein aktuelles Beispiel aus Südkorea für die Wirkung gewaltfreier Macht von unten

Am 3. Dezember 2024 verhängte der Präsident Südkoreas, Yoon Suk-yeol, das Kriegsrecht über sein Land und verschaffte sich damit diktatorische Vollmachten. Noch am Abend desselben Tages, innerhalb von nur einigen Stunden, stimmte das südkoreanische Parlament, unterstützt von einer sofortigen Massenmobilisierung von unten, trotz militärischer Einschüchterungsversuche, für die Beendigung des Kriegsrechts, ohne dass dabei auch nur ein einziger Schuss fiel.S. Nathan Park: Nach dem Umsturzversuch in Südkorea: Reichlich Erfahrung mit Tyrannen, in: Foreign Policy, 4.12.2024, vgl.: https://www.fr.de/politik/nach-dem-umsturzversuch-in-suedkorea-reichlich-erfahrung-mit-tyrannen-zr-93457680.html. Eine Analyse zur Aktualität gewaltfreier Macht von unten. (GWR-Red.)

Von Lou Marin

Selbst in der südkoreanischen Presse war ein solcher Umsturzversuch für kaum möglich gehalten worden. Seit 45 Jahren galt in Südkorea kein Kriegsrecht mehr, obwohl das Land in der Folge des Koreakrieges zwischen Nord- und Südkorea 1950–53, damals zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation und als Stellvertreterkrieg im Kalten Krieg, mehrere Diktaturen erlebt hatte. Zuletzt hatte Diktator Park Chung-hee (in der koreanischen Namensschreibweise wird der Familienname zuerst genannt, danach der Vorname) 1979 das Kriegsrecht verhängt. Die letzte Militärdiktatur des Landes, von Chun Doo-hwan, endete 1987.

Gewaltfreier Widerstand im Parlament und auf der Straße

Präsident Yoon erklärte am 3. Dezember 2024 um 22:23 Uhr Ortszeit, in einer nur sechs Minuten dauernden, außerordentlich angesetzten Pressekonferenz, dass er das Notstands-Kriegsrecht verhänge. Es war seine Reaktion auf eine wochenlange Pressekampagne von Korruptionsvorwürfen gegen ihn und seine Ehefrau, der zur Last gelegt wird, Luxusgeschenke angenommen, Aktienmanipulationen durchgeführt und auf die Kandidat:innenaufstellung für kommende Wahlen Einfluss genommen zu haben.Sarah A. Son: South Koreau: defeat of president’s attempt to impose martial law shows a robust democracy at work, in: The Conversation, 4.12.2024,
vgl.: https://theconversation.com/south-korea-defeat-of-presidents-attempt-to-impose-martial-law-shows-a-robust-democracy-at-work-245227.
Die Kampagne gegen Yoon wurde unterstützt von Oppositionsführer Lee und dessen Demokratischer Partei im Parlament. Lee hatte noch 2022 die letzte Präsidentschaftswahl gegen die konservative Partei Yoons verloren. Yoon ernannte einen General der Armee zum Oberbefehlshaber des Kriegsrechtskommandos, stellte in seiner Erklärung alle öffentlichen Medien unter dessen Kontrolle und verbot öffentliche Versammlungen und Kundgebungen. Panzerwagen und Hubschrauber tauchten schnell im Zentrum der Hauptstadt Seoul auf und verbarrikadierten das explizit von Yoon aufgelöste Parlament.S. Nathan Park, ebenda, a.a.O., S. 2.

Doch nicht nur die Medien ließen sich nicht kontrollieren: "Fernsehkameras bewegten sich frei in der Nähe der Nationalversammlung, während liberale Politiker die Öffentlichkeit über soziale Medien zum Protest gegen Yoons Machtübernahme aufriefen." Armeetruppen wurden entsandt, doch: "Die Soldaten zögerten, Gewalt anzuwenden, und ließen sich von den unbewaffneten Demonstranten zurückdrängen." Noch in derselben Nacht führten die Demonstrant:innen zunächst eine Pattsituation gegen die Soldaten herbei, "blockierten Straßen und Panzerwagen und bahnten den Abgeordneten einen Weg", um in das Parlamentsgebäude zu gelangen.

"Die Sprecherin der Demokratischen Partei, Ahn Gwi-ryeong, rang mit bloßen Händen mit einem bewaffneten Soldaten, bevor sie das Gebäude betrat. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Lee, zeigte für einen 60-Jährigen eine erstaunliche Athletik, als er über die Mauern sprang, um den Soldaten auszuweichen – und dabei noch ein Video von sich selbst live übertrug."S. Nathan Park, ebenda, a.a.O., S. 3. Voraufgehendes Zitat dieselbe Quelle.

Die so eiligst herbeigerufenen Abgeordneten verbarrikadierten sich im Innern des Parlaments und eröffneten die Sitzung um 0:49 Uhr am 4. Dezember 2024. Als Fallschirmjäger ein Fenster des Parlaments einbrachen, um ins Gebäude einzudringen, wurden sie von Parlamentsmit-
arbeiter:innen mit Feuerlöschern und Handyblitzen zurückgedrängt. Parlamentspräsident Woo ordnete eine sofortige Abstimmung an und inzwischen 190 anwesende von den insgesamt 300 Abgeordneten, darunter 18 Dissident:innen von Yoons eigener Partei, stimmten um 1:01 Uhr morgens einstimmig für die Beendigung des Kriegsrechts.Ebenda, S. 4.

In zwei Wahlgängen stimmten die Abgeordneten rund zehn Tage später, am 14. Dezember 2024, für die Absetzung (Impeachment) des Putsch-Präsidenten Yoon. Dafür war eine Zweidrittelmehrheit der 300 Abgeordneten vonnöten, die im zweiten Wahlgang erreicht wurde. Die sechs parlamentarischen Oppositionsparteien brachten es auf 192 Stimmen – doch wieder stimmten Teile der konservativen Regierungspartei, nämlich zwölf von deren 108 Abgeordneten –, für die Absetzung.Philippe Mesmer: Corée du Sud: le président Yoon Suk Yeol destitué par l’Assemblée nationale (Südkorea: Präsident Yoon Suk Yel durch die Nationalversammlung abgesetzt), in: Le Monde online, 15.12.2024, vgl.: https://www.lemonde.fr/international/article/2024/12/14/coree-du-sud-le-president-yoon-suk-yeol-destitue-par-l-assemblee-nationale_6448288_3210.html.

Junge Frauen und Intellektuelle als Speerspitze der Demokratiebewegung

In der gesamten Woche, die auf die Nacht des Umsturzversuches folgte, formierten sich Massendemonstrationen gegen Yoon im Zentrum Seouls und vor dem Parlament, um einen neuerlichen Putsch zu verhindern. In dieser Massenbewegung vereinigten sich Angehörige aller Generationen, das heißt Demonstrant:innen, die noch die Diktaturen bis 1987 gekannt hatten, als auch "zahlreiche Jugendliche, mehrheitlich Frauen, die während der Demonstrationen am Wochenende des 7. und 8. Dezembers ihre Präsenz zeigten".Philippe Mesmer: En Coree du Sud, les jeunes femmes, fer de lance de la mobilisation contre le président (In Südkorea waren junge Frauen die Speerspitze der Mobilisierung gegen den Präsidenten), in: Le Monde online, 15.12.2024, vgl.: https://www.lemonde.fr/international/article/2024/12/15/en-coree-du-sud-
les-jeunes-femmes-fer-de-lance-de-la-mobilisation-contre-le-president_
6450380_3210.html.

Yoon war bekannt dafür geworden, den Feminismus im Allgemeinen und alle Minderheiten, im Besonderen Angehörige der LGBT*-Community sowie Menschen mit Behinderung, verachtet und öffentlich diffamiert zu haben.Philippe Mesmer, ebenda, a.a.O., S. 2.

Die Spontaneität der Erhebung gegen Diktatur, Militär und die südkoreanische Rechte war auch beeinflusst von einem verbreiteten Bewusstsein der Angst vor einem neuerlichen Massaker wie am 18. Mai 1980 in Gwangju, im Südwesten Südkoreas, als das damalige Militär gegen eine diktaturfeindliche, allerdings nicht gewaltfreie, sondern auch von einer bewaffneten "Befreiungsarmee" unterstützte Oppositionsbewegung vorging, wobei innerhalb von rund zehn Tagen Krieg rund 200 Menschen ermordet und 3.000 Oppositionelle in südkoreanische Foltergefängnisse geworfen wurden.Philippe Mesmer, Philippe Pons: En Corée du Sud, les plaies à vif du massacre de Gwangju (In Südkorea sind die Wunden des Massakers von Gwangju noch offen), in: Le Monde, 25. und 26.12.24, S. 7. An dieses Massaker erinnert der Roman "Human Acts" (dt.: "Menschenwerk") der Literaturnobelpreisträgerin von 2024, Han Kang, die in Gwangju geboren wurde und nach Einsicht in die Fotos vom Massaker zur Literatur fand. Ihr preisgekrönter Roman hat sicherlich zur andauernden Sensibilisierung einer breiten südkoreanischen Öffentlichkeit und besonders junger Frauen gegen das Kriegsrecht beigetragen und mit dafür gesorgt, dass die massenhafte gewaltfreie Demokratiebewegung so schnell reagieren konnte. In ihrer Stockholmer Dankesrede am 10. Dezember 2024 meinte die Nobelpreisträgerin, im Alter von zwölf Jahren habe sie Fotos von verstümmelten Leichen und lange Schlangen von Blutspender:innen für die Opfer des Massakers gesehen und zu der Überzeugung gefunden, dass die Erinnerung an diese Vergangenheit die Gegenwart retten und damit "die Toten den Lebenden helfen" sollen. Wohl noch nie hat ein Literaturnobelpreis so unmittelbaren Einfluss auf eine Massenmobilisierung gegen einen Putschversuch gehabt.Philippe Mesmer, Philippe Pons, ebenda, a.a.O.; sowie S. Nathan Park, siehe Anm. 1, a.a.O., S. 3.

In dieser Massenbewegung vereinigten sich Angehörige aller Generationen, das heißt sowohl Demonstrant:innen, die noch die Diktaturen bis 1987 gekannt hatten, als auch "zahlreiche Jugendliche, mehrheitlich Frauen, die während der Demonstrationen am Wochenende des 7. und 8. Dezembers ihre Präsenz zeigten".

Noch eine weitere künstlerisch-intellektuelle Bewegung Südkoreas hatte bedeutenden Einfluss auf die antidiktatorische Massenbewegung: die Musik des sogenannten "K-Pop" (Korean Pop), dessen politische Protesttradition in westlichen Ländern kaum bekannt ist und nur selten gewürdigt wird.Vgl. als Ausnahme dazu: Findus: Kleine Geschichte der Protestmusik. Von Katzenmusik bis K-Pop, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2021, siehe S. 50 zur süd-koreanischen K-Pop-Protestmusik. Der für Fans des K-Pop typische Lichtstab (light stick), der in verschiedenen Farben leuchtet und damit progressive Vielfalt bezeugen soll, wurde sogar zu einem Symbol dieser Massenbewegung und leuchtete auf allen Demonstrationen auf.Philippe Mesmer, siehe Anm. 6, a.a.O., S. 2.

Die anarchistische Bewegung in Südkorea scheint wenig Einfluss auf die gegenwärtige Massenbewegung zu haben. Sie geht historisch auf den nationalen Widerstand gegen die japanische Besatzung Koreas von 1910 bis 1945 zurück. Angaben zeitgenössischer Anarchisten wie Sim Yongcheol zufolge blieb sie jedoch bei dieser Feindbestimmung zum japanischen Imperialismus stehen und hat auch an deren nationalistischen und patriotischen Orientierungen festgehalten. Diesen Widerspruch zu den transnationalen Ideen des Anarchismus konnte die anarchistische Bewegung in Südkorea bis heute nicht überwinden oder sich jenseits davon wirksam reorganisieren.Sim Yongcheol, zit. nach: Anarchism in Korea, wiki-Eintrag: https://en.wikipedia.org/wiki/Anarchism_in_Korea.

Gegenmobilisierung der Rechten und Rolle des Verfassungsgerichts

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Am Ende der Woche nach der gescheiterten Kriegsrechtserklärung hatte sich auch eine neofaschistische Bewegung formiert, die sich gegen die Absetzung Yoons aussprach und historisch-politisch in der evangelikalen rechten Predigerbewegung Koreas verortet werden muss, die alle Gegner:innen als vom "kommunistischen" Nordkorea gesteuert diffamiert. Diese klerikalfaschistische Unterstützungsbewegung für Yoon bekennt sich zum Bündnis mit dem US-Imperialismus und zu Trump.Philippe Mesmer: Séoul: l’extrême droit mobilisée contre la destitution du président (Seoul: Die extreme Rechte mobilisiert gegen die Absetzung des Präsidenten), in: Le Monde, 17.12.2024, S. 5.

Heute ist Yoon zwar seiner Macht beraubt, doch er hat geschworen, um seine Rückkehr zur Macht zu kämpfen und dafür eine Armada an Anwälten aufgeboten, die die juristische Ebene des südkoreanischen Verfassungsgerichtes anrufen. Dieses verlangt nach südkoreanischem Recht eine offizielle Bestätigung der Absetzung eines Präsidenten durch ein Quorum von mindestens sieben der neun eingesetzten Verfassungsrichter. Doch im Moment gibt es nur sechs Verfassungsrichter, weil das Mandat dreier Richter im September 2024 ausgelaufen ist. Die drei Neubesetzungen im Verfassungsgericht sollten bis Jahresende vom Nachfolger des Präsidenten, Han Duck-soo, eingesetzt werden. Doch dieser Interimspräsident hatte sich geweigert, die drei fehlenden Richter nach zu nominieren. Ex-Präsident Yoon ist vor Gericht angeklagt wegen Landesverrats, Machtmissbrauchs, Verhinderung der Ausübung der Rechte der Parlamentsabgeordneten. Bei einstimmiger Bestätigung seiner Absetzung vor dem Verfassungsgericht würde Yoon zu einem einfachen Bürger degradiert. Das Verfahren kann sich bis in die Zeit zwischen Februar und April 2025 hinziehen. Sollte Yoon im Prozessverlauf verhaftet werden, droht ihm für seine Verbrechen in Südkorea Lebenslänglich oder gar die Todesstrafe. Doch spätestens hier kann die gewaltfrei-libertäre Solidarität mit dieser bürgerlichen, demokratisch-parlamentarischen Bewegung auch enden: Hier wird bewusst die Todesstrafe in Kauf genommen oder faktisch gefordert. Die Todesstrafe ist staatlich legitimierter Mord und gehört in Südkorea und überall abgeschafft.

Die Degradierung Yoons zum einfachen Bürger wäre dagegen erfreulich. Schon am 3. Januar 2025 versuchte die Anti-Korruptionsbehörde (CIO), Yoon an seinem privaten Wohnsitz zu verhaften. Deren Zugang wurde jedoch durch eine Yoon noch treue, militärische Präsidentengarde verhindert.Philippe Mesmer: Corée du Sud: la garde présidentielle fait échouer l’arrestation du président (Südkorea: Die Präsidentengarde verhindert die Verhaftung des Präsidenten), in: Le Monde, 4.1.2025, S. 5. Am 15. Januar wurde er dann doch verhaftet.

Es gibt nun einen Streit darüber, ob die Absetzung Yoons auch rechtens ist, wenn die Bestätigung von nur sechs Richtern in Einstimmigkeit getroffen wird.Philippe Mesmer: En Corée du Sud, la justice résolue à juger le président destitué pour son coup de force (In Südkoreaa ist die Justiz dazu entschlossen, den abgesetzten Präsidenten wegen dessen Putschversuchs zu richten), in: Le Monde online, 17.12.2024, S.2, vgl.:
https://www.lemonde.fr/article-offert/0e9289a41c90-6453081/en-coree-du-sud-la-justice-resolue-a-juger-le-president-destitue-pour-son-coup-de-force.
Weil der gleichermaßen der konservativen Mehrheitsregierung angehörende Interimspräsident Han gezögert hat, wurde gegen ihn von der Opposition bereits am 26. Dezember 2024 ein Absetzungsverfahren eingeleitet. Er wurde am 27. Dezember wieder abgesetzt.AFP-Pressemeldung: Corée du Sud: Le président par interim menacé de destitution (Südkorea: Auch der Interimspräsident wird von Absetzung bedroht), in: Le Monde, 27.12.24, S. 4. Es darf vermutet werden, dass der Streit in den nächsten Monaten noch weiter geht und dessen Verlauf von der gewaltfreien Massenbewegung genau beobachtet werden muss, um rechten oder reaktionären Wendungen entgegenzutreten. In Korrespondent:innen-Berichten ist bereits von "institutionellem Chaos" in Südkorea die Rede.Vgl. Le Monde, 4.1.2025, S. 1, 19.

Die Bedeutung für die Wirksamkeit gewaltfreier Macht von unten

Im Impressum der Zeitung Graswurzelrevolution wird von einer "Macht von unten" gesprochen, durch die "alle Formen von Gewalt und Herrschaft" abgeschafft werden sollen. Nun, die Abschaffung aller Herrschaftsformen betreibt die südkoreanische gewaltfreie Massenbewegung sicherlich nicht. Sie hält an den Formen parlamentarisch-kapitalistischer Herrschaft fest. In einer Zeit allerdings, in der diese parlamentarische Herrschaftsform Stück für Stück diktatorisch und von neofaschistischen Kräften wie etwa vom Orbán-Regime in Ungarn, vom Meloni-Regime in Italien, von der Trump-Regierung in den USA in Frage gestellt wird, in einer Zeit der überall aufkommenden faschistischen Parteien und in der als Macht von unten nurmehr in Form von Milizen und Bürgerkriegsszenarien in Erscheinung tretenden Gegenbewegungen wie in Syrien oder im Sudan ist die gewaltfreie Massenbewegung in Südkorea ein Hoffnungsschimmer. Sie zeigt, dass ein Putschversuch auch ohne einen einzigen Schuss abgewehrt werden kann, selbst heute. Sie erinnert damit an die antidiktatorischen und gewaltfreien Massenbewegungen in der DDR und in Polen (Solidarnosć) von 1989, die einen gesamten Militärblock, nicht nur die Mauer, zum Einsturz brachten.

Aus der Wahrnehmung einer Wirksamkeit gewaltfreier Gegenmacht entstanden die Peoples-Power-Bewegungen (Philippinen, Südafrika usw.) in den späten Achtzigerjahren bis hin zu den anfangs gewaltfreien arabischen Massenaufständen in Ägypten (Tahrir-Platz-Besetzung), in Syrien und im Sudan 2011/12.Vgl. Guillaume Gamblin, Pierre Sommermeyer, Lou Marin (Hg.): Im Kampf gegen die Tyrannei. Gewaltfrei-revolutionäre Massenbewegungen in arabischen und islamischen Gesellschaften: der zivile Widerstand in Syrien 2011-2013 und die "Republikanischen Brüder" im Sudan 1983–1985, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2018. Diese Erfahrung einer gewaltfreien Macht von unten ist heute in Militärdiktaturen oder brutal geführte Bürgerkriege umgeschlagen. Die bewaffneten Milizen scheinen sich in den genannten Ländern durchgesetzt zu haben, ganz zu schweigen von den aktuellen Kriegen (Ukraine, Gaza, Libanon, Sudan). In dieser Situation sollten wir uns nicht nur an den Erfolg der bundesdeutschen Anti-Atom-Bewegung in einem 40jährigen Kampfzyklus (1972-2012) meist gewaltfreier Aktionen zivilen Ungehorsams erinnernVgl. S. Münster/Lou Marin: Von Wyhl bis Fukushima. Der praktisch-strategische Einfluss gewaltfreier Aktionsgruppen auf vier Jahrzehnte Kämpfe der westdeutschen Anti-AKW-Bewegung, in: Arbeitsgruppe Anarchismus und Gewaltfreiheit (Hg.): Je mehr Gewalt, desto weniger Revolution. Texte zum gewaltfreien Anarchismus & anarchistischen Pazifismus, Band 1, S. 221-237, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2018., sondern auch Südkorea als ein aktuelles Beispiel dafür wahrnehmen, wie Putsche und Militärdiktaturen auch kurzfristig erfolgreich anders bekämpft werden können als durch Blutvergießen, Waffengewalt sowie den dazugehörigen Märtyrerkult.

Quelle: graswurzelrevolution 496 februar 2025.

Fußnoten

Veröffentlicht am

08. März 2025

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