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Da stört sich doch tatsächlich jemand an der Liedzeile “Meine Söhne geb‘ ich nicht”

Von Marcus Klöckner - Kommentar

"Würden Sie Ihre Kinder zur Bundeswehr schicken?" Gerade wurde diese Frage dem Politikwissenschaftler Carlo Masala gestellt. Seine Antwort sollte nicht so im Raum stehen gelassen werden.

"Würden Sie ihre Kinder zur Bundeswehr schicken?", lautet die Frage, die der Moderator in der Sendung "ntv Salon" dem Politikwissenschaftler Carlo Masala stellt. Masala antwortet mit den Worten: "Der Punkt ist, und deswegen finde ich diese Diskussion so absurd: Man geht zur Bundeswehr, wenn man 18 ist. Da schicke ich meine Kinder nicht zur Bundeswehr, sondern meine Kinder entscheiden selber, ob sie da hingehen oder nicht. Und ich habe als Elternteil mit ihnen darüber zu diskutieren, wenn sie Fragen haben, und meine Auffassung ist, wenn sie eine Entscheidung getroffen haben – egal, in welche Richtung –, dann habe ich die zu unterstützen. Aber dieses ‘Meine Söhne gebe ich nicht’ ist so etwas von paternalistisch, da frage ich mich manchmal: Was steckt da eigentlich für ein Menschenbild dahinter?"

Dass sich Masala dies fragt, ist gut. Jetzt müsste er nur noch die richtige Antwort finden. Dem lässt sich nachhelfen. "Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht" – dieser Titel eines großartigen Liedes gegen den Krieg von Reinhard Mey [Anm. d. Red.: Das hier verlinkte Video zeigt die im Jahr 2020 in Zusammenarbeit mit jüngeren Künstlern aufgenommene neue Version des Songs von Reinhard Mey, welcher ursprünglich aus dem Jahr 1986 stammt und auf dem Solo-Album "Alleingang" erschien.] ist also aus Sicht des Professors für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität in München "paternalistisch".

"Und?", möchte man an der Stelle fragen. Wo ist das Problem? In dem Wort "paternalistisch" stecken etymologisch betrachtet die Begriffe "Vater" oder "väterlich" drin. Zu dem Begriff passend gibt es das Wort "maternalistisch", also "mütterlich". Um es einfach zu sagen: Väter sind nun mal väterlich – und Mütter mütterlich. Zumindest, wenn sie gute Eltern sind. Väterlich und mütterlich zu sein, heißt auch: Um sein Kind besorgt sein, sich gegebenenfalls vor das Kind zu stellen, um es vor Angriffen zu schützen – nicht nur vor körperlichen, sondern vor Angriffen jeder Art.

Der Begriff paternalistisch wird in unserem Sprachgebrauch oft auch im Sinne einer "Bevormundung" verstanden. So will ihn Masala hier auch verstanden wissen. Er tritt auf als Vater, der seinen mündigen erwachsenen Kindern die volle Freiheit lässt, was sie tun, wie sie sich entscheiden, schließlich sind die Kinder ja alt genug, und der Vater tritt in seiner Rolle als Vormund zurück.

Dagegen spricht vom Grundsatz her nichts. Und mit dieser Position lässt sich sogar sympathisieren, schließlich: Wenn Eltern sich anmaßen, ihre erwachsenen Söhne und Töchter im Hinblick auf ihre individuelle Lebensentscheidungen zu bevormunden, sich über sie zu stellen und für sie oder gar über sie hinweg zu entscheiden, zeugt das eher selten von einer gesunden Beziehung.

Doch Vorsicht! Falle!

In Masalas Aussagen offenbart sich unter dem veranschlagten Thema eine Argumentation, die so falsch ist wie die Argumentation jener Akteure, die unbedingt immer mehr Waffen auf den Schlachtfeldern in der Ukraine sehen möchten. Oft ist deren Argumentation von Eindimensionalität und Scheinlogik geprägt. Einem überfallenen Land müsse man doch "helfen", sagen sie. Die Kriegshintergründe, die Komplexität der Geo- und Tiefenpolitik blenden sie dabei aus. Ihr Feindbild sitzt fest – es kann nur Russland sein, auf keinen Fall der militärisch-industrielle Komplex. Und ihre "Lösung" zu einem raschen Kriegsende lautet: Waffen, Waffen und noch mehr Waffen – eine Lösung wohlgemerkt, die den Verhältnissen nicht gerecht wird.

In diesem Geiste kann Masalas Antwort verstanden werden.

Konkret: Selbstverständlich haben Eltern Entscheidungen von ihren erwachsenen Kindern zu respektieren. Wenn das erwachsene Kind aber nach "bestem Wissen und Gewissen" die Entscheidung getroffen hat, sich das Leben zu nehmen, dann würde wohl nur ein Rabenvater es dabei unterstützen. Ja, das ist eine Zuspitzung. Aber ist es so viel anders, wenn sich das Kind im Erwachsenenalter freiwillig zum "Dienst an der Waffe" meldet und gar bereit ist, in den Krieg zu ziehen, um sein Land zu "verteidigen"? Ist es da nicht die Pflicht eines jeden anständigen Vaters und einer jeden anständigen Mutter, sich den erwachsenen Sprössling zur Brust zu nehmen, um mit ihm ein Gespräch über zombiejournalistische Realitätskonstruktionen in den Medien zu sprechen? Sollten Eltern bei einer solchen Entscheidung ihre Kinder nicht darüber aufklären, wie verlogen und dreckig Kriege eigentlich sind? Sollten Eltern ihren Kindern nicht mit Nachdruck klarmachen, dass es nahezu nie um die edlen Ideale geht, die von Politikern, Journalisten und Experten nach außen kommuniziert werden? Ist es etwa nicht die Aufgabe von Eltern, auch ihren erwachsenen Kindern bewusst zu machen, dass sie sich als Soldaten bei einem Kriegseintritt vor den Karren einer bis ins Mark verdorbenen Politik spannen lassen, die sie offensichtlich noch nicht durchschaut haben?

Eltern ziehen ihre Kinder nicht zum Sterben in einem Krieg groß. Wenn Eltern sagen – oder mit Reinhard Mey singen –, "Meine Söhne gebe ich nicht!", dann mag das "paternalistisch" sein. Aber dieser Paternalismus ist angebracht und richtig. Diese Eltern wollen ihre Kinder vor dem Abgrund des Krieges bewahren. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Er nennt sich: Liebe!

Quelle:  NachDenkSeiten - 17.04.2025. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Veröffentlicht am

18. April 2025

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