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Netzwerk Friedenssteuer - Vor 20 Jahren in Heidelberg gegründet

Von Wolfgang Krauß

Durchschnittlich rund 1.200 € pro Jahr trägt jeder Steuerpflichtige zum “Verteidigungshaushalt” bei. Verteidigung - das beinhaltet nach Definition der Bundesregierung auch aktive Kriegseinsätze im Ausland. Etwa 1.500 Soldaten sind im Rahmen von “Enduring freedom” als Kampfeinheiten in Afghanistan, als Panzerbesatzungen in Kuwait sowie in Marineverbänden am Horn von Afrika stationiert.

Das “Netzwerk Friedenssteuer” wehrt sich seit langem dagegen, dass auch überzeugte Pazifisten zum “Kriegsdienst mit der Steuer” gezwungen werden. Seine Mitglieder haben in über 50 Prozessen vor Finanzgerichten, dem Bundesfinanzhof und bis zum Verfassungsgericht dagegen geklagt, dass sie unter Verletzung ihrer grundgesetzlich geschützten Gewissensfreiheit gegen ihren Willen zur Mitfinanzierung von Militär und Rüstung herangezogen werden - bislang allerdings erfolglos.

Vor 20 Jahren versammelten sich 45 Vertreter verschiedener Friedenssteuergruppen in der Heidelberger Evangelischen Studentengemeinde (ESG), damals noch auf dem rechten Neckarufer. Auch Beobachter der britischen Peace Tax Campaign und der Schweizer Militärsteuerverweigerer waren mit dabei, als damals die bundesweite Koordinationsstelle “Friedenssteuerinitiative” gegründet wurde.

Zum Jubiläumsfest am kommenden Samstag, 27.9.03, reisen wieder Friedenssteuerleute aus ganz Deutschland an. Treffpunkt ist die Evangelische Studierendengemeinde (abgekürzt immer noch ESG), nun in der Plöck. Nicht ganz pünktlich wird gefeiert, denn vor 20 Jahren traf man sich ein halbes Jahr früher schon am 5.3.1983.

“Erinnerungen und Visionen” lautet das Thema des Jubiläumsfestes. Es geht also nicht nur um einen nostalgischen Rückblick ergrauter Friedensveteranen sondern vor allem auch um den Ausblick in eine Zukunft, in der niemand mehr gezwungen wird, durch seine Steuern Rüstung und Krieg zu finanzieren. Auch eine thematische Stadtführung “Krieg und Frieden in Heidelberg”, und ein kreativer Abend mit Gitarrenmusik, Liedern und nicht immer ernstgemeinten Lesungen aus Abgabenordung (Steuergesetz) und anderen Paragraphenwerken sind vorgesehen.

Einige Jahre befand sich die bundesweite Koordinationsstelle der Friedenssteuerinitiative in Bammental bei Heidelberg. Auch einige der Kläger, die nun seit 20 Jahren versuchen, über Finanzgerichtsentscheide ihr Fianzamt zum Umsteuern zu bewegen, kommen aus der Region.

Während des Golfkriegs 1991 gab es die bisher umfangreichsten Boykottaktionen. Damals flossen über 100.000 DM verweigerte Steuergelder auf das Sperrkonto einer Heidelberger Anwaltskanzlei. Etwa 200 Kleinbetriebe behielten unter dem Slogan “Kein Geld für Krieg” einen Teil ihrer Steuern ein. Über 1.300 kirchliche Mitarbeiter stellten Anträge an ihre Kirchenleitung, die Lohnsteuerzahlungen zu kürzen. Die Bundesrepublik beteiligte sich damals ebenso wenig wie heute aktiv am Krieg, finanzierte ihn jedoch mit 16 Mrd. DM aus der Steuerkasse.

Im Frühjahr 1991 wurde die Initiative in “Netzwerk Friedenssteuer” umbenannt. Damit sollte sowohl die Unabhängigkeit als auch die Verbundenheit und Zusammenarbeit der beteiligten Gruppen betont werden. Am 1.9.1993 erhielt das Netzwerk Friedenssteuer den bekannten Aachener Friedenspreis.

20 Jahre nach den Anfängen der Friedensteuerbewegung in Deutschland sind ihre beiden Grundanliegen noch lange nicht verwirklicht. Das erste Anliegen ist die Verweigerung des Anteils der Steuerzahlungen, die in Rüstung und Kriegsvorbereitungen gesteckt werden. Das zweite Anliegen hängt unmittelbar mit dem ersten zusammen. Verweigerte Steuern werden unweigerlich vom Finanzamt zwangsweise eingetrieben. Darum setzt das Netzwerk sich seit zwei Jahrzehnten für die Verabschiedung eines Gesetzes ein, das die Kriegssteuerverweigerung in ähnlicher Weise ermöglichen würde, wie Artikel 4, 3 des Grundgesetzes die Kriegsdienstverweigerung als Grundrecht im Rahmen der Glaubens- und Gewissensfreiheit festschreibt. 1986, 1990 und 1991 waren Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht worden. Durch kontinuierliche Lobbyarbeit sucht das Netzwerk die Zahl der Unterstützer unter den Bundestagsabgeordneten zu erhöhen. Bis Mai 2004 sollen zudem unter dem Motto “Zum FRIEDEN umSTEUERn” 15.000 Unterschriften gesammelt werden. Am 15.5.04, dem Tag des Kriegsdienstverweigerers, sollen sie dem Bundespräsidenten übergeben werden. Bisher wurden Unterschriften von rund 8.500 Einzelpersonen und 80 Organisationen gesammelt.

Infos unter www.netzwerk-friedenssteuer.de oder bei
Wolfgang Krauss, Hauptstr. 1, D-69245 Bammental, Tel 06223-5140 Fax 47791, dmfk.menno.peace@t-online.de oder bei
Günther Lott, Hauptstr. 1a, D-69231 Rauenberg, Tel 06222-62741, Fax 62702, info@trauben-apo.de

Während des Festes am Samstag, 27.9.03, sind Interviewpartner zu erreichen unter der Nummer: 0162-44953318.


Jede Sekunde werden 1.189 ? für Kriegsvorbereitung ausgegeben

Einige Beispiele:

Der Bundeshaushalt weist im sog. Einzelplan 14 für das vergangene Jahr 2002 “Verteidigungsausgaben” in Höhe von 24,5 Mrd. ? aus. Darin sind jedoch nicht wirklich alle Ausgaben enthalten, die etwas mit Rüstung und Militär zu tun haben. Ein etwas realistischeres Bild zeichnen da schon die Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien in Höhe von 31,3 Mrd. ?, die auch Positionen wie z.B. wie Pensionen für Bundeswehrangehörige, den Bundeswehr-Wohnungsbau oder die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Stationierungsstreitkräften auf deutschem Boden berücksichtigen. Rechnet man jetzt noch den anteiligen Schuldendienst im Bundeshaushalt in Höhe von rd. 20% hinzu, so kommt man auf die unglaubliche Summe von 37,5 Milliarden ? pro Jahr. In jeder Sekunde werden in Deutschland 1.189 ? für Kriegsvorbereitung ausgegeben!

Gerade heute, in Zeiten der Sozialabbau-Reformen wird dieses Geld dringender anderswo benötigt. So könnte man beispielsweise mit den Kosten einer neuen Fregatte (650 Mio. ?) die Bundesausgaben für sozialen Wohnungsbau um 160% erhöhen oder mit den Kosten eines Eurofighters (64 Mio. ?) 10 Altenheime bauen. Eine neue Grundschule kostet kaum mehr (3,7 Mio. ?) als zwei Marschflugkörper, eine Standardwaffe ob im Golfkrieg oder in Kolsovo und Afganistan. Eine einzige Tornado-Flugstunde kostet genauso viel (5.000 €) wie eine Erzieherin in 2,5 Monaten an Gehalt bekommt. Mit den deutschen Ausgaben für militärische Forschung (1,08 Mrd. ?) wäre eine Verdreifachung der Kinderkrippenplätze in Deutschland oder eine Erhöhung der Ausgaben für zivile Konfliktbearbeitung und Zivilen Friedensdienst um das 70fache möglich…

Jüngstes Beispiel für eine verdeckte Kriegssteuer: Zur Finanzierung des “Antiterrorgesetzes” wurde bereits 2002 die Versicherungssteuer um 1% angehoben sowie in den letzten beiden Jahren - von den Medien weit weniger beachtet als die jetzt geplante neuerliche Anhebung zur Entlastung der Krankenkassen - die Tabaksteuer in zwei Stufen um 2 Cent je Zigarette erhöht. Rund die Hälfte der erwarteten Einnahmen in Höhe von rd. 1,5 Mrd. ? pro Jahr fließt in den Etat von Verteidigungsminister Struck. Ein durchschnittlicher Raucher wird so mit knapp 50 € jährlich zur Kasse gebeten, Kettenraucher bringen es sogar auf über 150 € Kriegssteuer.

Veröffentlicht am

27. September 2003

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