Petition “Offener Brief gegen Abschiebungen nach Afghanistan”Die Bundesregierung beabsichtigt, die Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan, die aufgrund der Corona Pandemie seit März 2020 ausgesetzt waren, ab Oktober 2020 wieder im zuvor gewohnten monatlichen Rhythmus aufzunehmen. In einer Petition ‘Offener Brief gegen Abschiebungen nach Afghanistan’ werden die Bundesminister Horst Seehofer und Heiko Maas u.a. aufgefordert, alle Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan einzustellen. Wenn ein stabiler und inklusiver Frieden erreicht wurde, der von den demokratischen Organisationen in Afghanistan mitverhandelt und akzeptiert wurde, kann hierher geflüchteten Afghan*innen wieder eine freiwillige Rückkehr angeboten werden. Je mehr Menschen die Petition unterstützen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Erfolg hat. Hier könnt ihr mehr erfahren und unterzeichnen: Nachfolgend der Offene Brief und dessen BegründungSehr geehrter Bundesminister Horst Seehofer, die Bundesregierung beabsichtigt, die Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan, die aufgrund der Corona Pandemie seit März 2020 ausgesetzt waren, ab Oktober 2020 wieder im zuvor gewohnten monatlichen Rhythmus aufzunehmen. Wir fordern Sie dazu auf,
Erstunterzeichner*innen:
Warum ist das wichtig?Seit Jahrzehnten herrscht Krieg in Afghanistan: Nach dem Global Peace Index war Afghanistan 2019 das weltweit unsicherste Land, noch vor Syrien, Jemen und dem Irak. Ein potentieller Friedensprozess mit den Taliban beginnt gerade erst, und noch ist nicht absehbar, ob und unter welchen Bedingungen ein Friedenschluss gelingt. Stattdessen steht zu befürchten, dass insbesondere Frauen, Angehörige ethnischer Minderheiten sowie Menschen, die sich für liberale, progressive Werte einsetzen, massive Repressionen erleben werden. Aber auch alle anderen Bevölkerungsteile müssen mit Benachteiligungen und Einschränkungen rechnen. Weiterhin ist die humanitäre Situation im Land unter anderem aufgrund der COVID-19 Situation desaströs. Einer Studie zufolge haben sich seit Beginn der Ausbreitung von SARS-CoV-2 zehn Millionen Afghan*innen - ein Drittel der Bevölkerung - mit dem Virus infiziert. Während in Deutschland Reisen und Kontakte stark eingeschränkt werden, beabsichtigt die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan baldmöglichst wieder aufzunehmen. Weder die afghanische Bevölkerung noch die abgeschobenen Geflüchteten werden dabei so ausreichend geschützt, wie es für die deutsche Gesellschaft selbstverständlich erscheint. Statt ausschließlich auf das eigene Land zu schauen, sollten deutsche Politiker*innen auch angesichts der Pandemie eine globale Perspektive einnehmen. Die bilaterale deutsch-afghanische "Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Bereich Migration" wurde 2016 analog zum Abkommen "Gemeinsamer Weg nach vorne bei Migrationsfragen" zwischen der EU und Afghanistan abgeschlossen. Bereits das intransparente Entstehen der beiden Abkommen legt den Schluss nahe, dass dieser Weg kein "gemeinsamer" ist, sondern eine menschenverachtende Praxis vorbereitet: So wurden die Abkommen ohne die Einbeziehung der jeweiligen Parlamente abgeschlossen; ebenfalls wurde für ihre Umsetzung kein transparentes Berichtswesen vereinbart. Das deutsche Abkommen ist nicht öffentlich einsehbar, und Auskünfte über seine Verlängerung werden vom Auswärtigen Amt gegenüber deutschen zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht erstattet. Beide Abkommen bestehen jeweils für zwei Jahre, laufen im Oktober 2020 aus und werden derzeit neu verhandelt. Sie zielen darauf ab, die Abschiebung von Afghan*innen zu vereinfachen, die nach Europa resp. Deutschland kamen, um Schutz vor dem Krieg in ihrem Heimatland zu suchen. Warum soll, nachdem es bis 2016 einen faktischen Abschiebestopp von Deutschland nach Kabul gab, heute wieder dorthin abgeschoben werden, obwohl sich sowohl die Kriegs- als auch die humanitäre Situation deutlich verschlechtert hat? Dies ist weder mit den Menschenrechten noch mit unserem Rechtsstaat zu vereinbaren. Die Motivation, geflüchtete Afghan*innen nun in ihr Land zurückzuschicken, liegt offensichtlich darin, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit nicht mit ihnen teilen zu wollen und eine Abschreckungspolitik für andere Afghan*innen anzuwenden, die in ihrem Land um ihr Leben fürchten. Oder geht es in erster Linie um ein Vertuschen des eigenen Misserfolgs? Die am NATO-Einsatz ISAF beteiligten Staaten tragen politische Verantwortung für die aktuelle Situation in Afghanistan, auch Deutschland. Sie unterstützten die Implementierung eines zentralistischen Regierungssystems, was nicht zur föderalen Struktur des Landes passt. Sie haben es zugelassen, dass Kriegsverbrechen seit 1978 weder juristisch noch gesellschaftlich aufgearbeitet wurden, Kriegsverbrecher heute einflussreiche Posten in Regierung, Parlament und Verwaltung innehaben und vor Strafverfolgung geschützt sind. Die daraus entstandenen dysfunktionalen und korrupten Strukturen im Justiz- und Regierungsapparat sind zentrale Faktoren für das Erstarken der Taliban und tragen immens zur Unsicherheit im Land bei. Die Bundesregierung sollte die finanzielle Abhängigkeit der afghanischen Regierung von westlichen Geberländern, die in den letzten 20 Jahren hergestellt wurde, nicht ausnutzen, um Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung geflohen sind, in ein Kriegsland abzuschieben. Auch wenn wir grundsätzlich gegen jegliche Abschiebungen nach Afghanistan eintreten, möchten wir an dieser Stelle dem Mythos entgegentreten, es würden nur Straftäter und Identitätsverweigerer abgeschoben. So wurden auch Menschen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze haben oder außerhalb Afghanistans geboren wurden, bereits aus Deutschland abgeschoben. In Kabul werden die abgeschobenen Geflüchteten nicht angemessen unterstützt. Sie erhalten lediglich etwas Startgeld, jedoch keine Unterstützung zur Unterkunft und Lebensunterhalt. Ihre Situation wird nicht nachverfolgt. Die wenigen vorliegenden Studien und Gutachten zeigen, dass die Lebensbedingungen vor Ort für abgeschobene Geflüchtete derart prekär sind, dass sie Gefahr laufen, zu Tode zu kommen oder von Aufständischen rekrutiert zu werden. Dies führt dazu, dass viele von ihnen eine erneute Flucht planen, sobald sie eine Möglichkeit dazu sehen. Die oftmals angeführten vermeintlichen innerstaatlichen Fluchtalternativen Kabul, Mazar-e Sharif und Herat bieten keine Sicherheit; zudem ist es für Afghan*innen nicht möglich, einfach die Stadt zu wechseln, da sie dort nicht in das soziale Geflecht eingebunden sind. Dies führt zu einer weiteren Destabilisierung der Gesellschaft vor Ort. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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