Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Mit Krieg kann Terror nicht eingedämmt werden

Gammertingen, 09.11.2010: "Es ist Krieg. Entrüstet euch!" lautete der Titel einer Vortragsveranstaltung mit dem Genfer Journalisten Andreas Zumach im evangelischen Gemeindehaus in Gammertingen. 35 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten zwei Stunden lang den kenntnisreichen Ausführungen des Referenten, bei denen es hauptsächlich um die Hintergründe des Krieges in Afghanistan ging, aber auch um die Rolle der Bundeswehr im eigenen Land. Eingeladen hatte der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie.

"Es ist Krieg. Entrüstet euch!", so laute das Motto der Ökumenischen Friedensdekade, die jetzt im November wieder mit hunderten Veranstaltungen in ganz Deutschland stattfinde, erklärte Michael Schmid vom Lebenshaus in seinen einleitenden Worten. Bereits 1980 hätten die ersten landesweiten Friedenswochen stattgefunden - und zwar sowohl in der DDR wie auch in der alten Bundesrepublik. Die Ökumenische Friedensdekade begehe derzeit also ihr 30. Jubiläumsjahr.

Andreas Zumach betonte zu Beginn seines Vortrags, dass wohl die große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten im Jahr 2001 ernsthaft geglaubt habe, es sei möglich, in Afghanistan den Terror zu bekämpfen, demokratische Strukturen und eine Zentralregierung einzuführen und zumindest zunächst im Norden des Landes einen Wiederaufbau voranzubringen. Damals seien auch viele Hilfsorganisationen nach Afghanistan gegangen. "Doch selbst gemessen an diesen offiziell ausgegebenen Zielen ist der Afghanistan-Einsatz restlos gescheitert, ja musste aus absehbaren Gründen scheitern", so der Referent.

Sicherheit und Stabilität könnten nicht geschaffen werden, hob Zumach hervor, wenn gleichzeitig Krieg geführt werde. Deshalb sei Voraussetzung für alles andere, den Krieg zu deeskalieren und zu beenden. Schritte dazu seien der Verzicht auf den Einsatz von Drohnen; dann müssten Luftangriffe eingestellt und schließlich die Bodentruppen abgezogen und ein Waffenstillstand vereinbart werden.

Der einzige funktionierende Wirtschaftszweig sei die Drogenökonomie, stellte der Genfer Journalist weiter fest. Neun Zehntel der Opiumproduktion mit einem geschätzten Exportwert von 3,4 Milliarden Dollar komme inzwischen aus Afghanistan. Alle, die daraus Profit ziehen, seien an der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Strukturen mit fortwährender Destabilisierung interessiert. Das Drogenproblem könne aber nicht mit Krieg bekämpft werden, sondern sei eine politische Aufgabe. "Ich weiß, dass es ein Tabu-Thema ist. Der Heroinhandel muss aber legalisiert werden. Es wird nur so viel Geld damit gemacht, weil er verboten ist." Den Kleinbauern, die Opium anbauen, müsse eine Perspektive gegeben werden. "Wir können helfen, in dem wir mit Entwicklungshilfegeldern den Anbau anderer Produkte unterstützen", so Zumach. Dann seien die Bauern nicht mehr von den Warlords und Milizen abhängig.

Äußerst problematisch sei ebenfalls, dass viel zu wenig Geld in die zivile Arbeit fließe. Die USA gäben beispielsweise nur ein Zehntel des Geldes, das sie für Militär investierten, für zivile Zwecke aus. Die USA würden die militärischen die zivilen Ausgaben um das Elffache, für Deutschland um rund das Siebenfache übersteigen.

Darüber hinaus sei die Grundannahme, in Kabul eine neue Zentralregierung einzusetzen, von der aus nach und nach das gesamte Land stabilisiert werden könne, von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. In Afghanistan habe es noch nie eine funktionierende Zentralregierung gegeben. Das Land sei immer nach Regionen organisiert gewesen. Deshalb seien für eine Lösung des Konfliktes Verhandlungen mit den regionalen Machthabern über eine Einstellung der Gewalt unerlässlich.

"Mit dem Krieg konnte nicht das Ziel erreicht werden, den Terror einzudämmen", so Zumach, "sondern das Gegenteil ist eingetreten. Krieg ist ein verlässliches Instrument, um Hass zu schüren und den Terror anzuheizen." So sei es nicht verwunderlich, dass sich die Lage in Afghanistan in den letzten Jahren massiv verschlechtert habe und die Taliban stärker geworden seien.

Zumach berichtete, schon auf dem Gipfel der Nato Ende November 2006 in Riga habe der damalige Nato-Oberbefehlshaber US-General James Jones, inzwischen Sicherheitsberater von Präsident Obama, in einem strikt vertraulichen Hintergrundgespräch mit einigen Journalisten unterstrichen, dass die USA und ihre Nato-Verbündeten den Krieg in Afghanistan nicht gewinnen. "Er begrüßte uns mit den Worten: Meine Herren, die Nato wird diesen Krieg verlieren."

Außer den offiziell genannten Gründen gebe es auch nicht genannte Gründe für den Afghanistankrieg, legte Zumach dar. Das terroristische Verhalten der US-Armee gegenüber der Bevölkerung mache nur einen Sinn, wenn man annehme, dass die USA den Terrorismus provozieren müssten, um einen Grund zu haben, im Lande zu bleiben. Dafür gebe es mehrere geostrategische, machtpolitische Gründe: Öl- und Gaspipelines, die durch diese Region zum Meer geführt werden sollen, die Annäherungen zwischen China und Indien, Iran und China und Russland zu verhindern bzw. zu kontrollieren. Und Deutschland hätte dann das Interesse, in diesem Machtspiel dabei zu sein.

Zu sprechen kam Andreas Zumach ebenfalls auf die Rolle der Bundeswehr im eigenen Land. Seit Jahren sei eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland gegen den Krieg in Afghanistan. Im Bundestag bröckle die Zustimmung. In der Bundeswehr wachse der Unmut. Deshalb würden Bundeswehr und Politik in den letzten Jahren massiv verstärkt Imagewerbung betreiben. Diese geschehe über Patenschaften mit Gemeinden und Städten, öffentlichen Gelöbnissen und Kooperationsabkommen, so dass die Bundeswehr verstärkt in die Schulen komme.

In Bezug auf Gammertingen unterstrich Zumach, es sei völlig klar, dass mit der eingegangenen Bundeswehrpatenschaft der Afghanistan-Krieg unterstützt werde. Auch wenn der Bürgermeister dies bestreite, sei objektiv gesehen daran nichts zu deuteln.

Abschließend ermunterte Zumach das Publikum, Politiker sollten bei jeder Gelegenheit aufgefordert werden, sich ihrer Verantwortung zu stellen.

Im Anschluss an seinen engagierten Vortrag ging Andreas Zumach noch auf zahlreiche Fragen aus dem Publikum ein. Unter anderem unterstrich er, dass eine Energiewende dringend notwendig sei, um Kriege um Öl und andere endliche Ressourcen zu vermeiden.

Veröffentlicht am

09. November 2010

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